Avatar: The Way of Water – Kritik und Review

Avatar: The Way of Water© 20th Century Studios

James Cameron ist aktuell einer der letzten großen Blockbuster-Auteure des Kinos. Es gibt kaum einen Regisseur, der so viel Budget und Tricktechnik für einen Film aufbringen kann und gleichzeitig über einen so starken visionären Geist verfügt. Nach dem durchschlagenden Erfolg von „Avatar“ hat er nun entschieden sein eigenes Kino-Epos zu schaffen. Und damit ist das Avatar-Franchise vermutlich das Nächste, was an ein neues Star Wars oder Herr der Ringe heranreichen könnte. Ohne einen Mann vom Format eines James Camerons wäre so etwas nicht mehr denkbar. Ohne ihn würde ein Projekt dieser Größe nicht mehr gedreht werden.

Wird das Camerons Star Wars? Wird das eine neue einzigartige Vision eines Mannes, der über fünf Filmteile hinweg, ausgestattet mit einer Milliarde Dollar und der neusten Technik, das Kino erneut revolutionieren kann? Nichts weniger ist dieses riesige Kinoprojekt für mich und nicht weniger Hoffnung besaß ich, dass James Cameron hier über mehr als zehn Jahre hinweg einen neuen Standard für die ultimative Autorenschaft im Blockbuster-Kino geschaffen hat.

Nun, leider sind Filme sehr gut darin, eine monate- bzw. jahrelange Erwartung zügig auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen. Aus meinen vergangenen Fehlern, mich blind hypen zu lassen, musste ich den letzten Jahren schmerzhaft lernen. Da kann doch gar nichts schief geh…. und ruckzuck sah ich einen Trümmerhaufen vor mir, der mal „Star Wars“ oder „MCU“ hieß.

Aber jetzt konnte ja eigentlich wirklich nichts schiefgehen, immerhin reden wir nicht von blinder Konzern-Willkür, sondern von James fucking Cameron, einem der besten und erfolgreichsten Regisseure aller Zeiten und noch dazu ein Experte für Fortsetzungen. Zudem gehöre ich zu der gefühlten Minderheit im Internet, die den ersten „Avatar“ auch heute noch verdammt gerne mögen und in der Geschichte eine tiefe Verbundenheit gefunden haben.

Nach all den Jahren und dem Versuch, die Erwartungen möglichst gedämpft zu halten, komme ich nun aus einer Avatar-Fortsetzung, von der ich nicht wirklich weiß, was davon zu halten ist. Ist es Verwirrung? Oder Enttäuschung? Oder Gleichgültigkeit? Zumindest ist „Avatar: The Way of Water“ nichts Halbes und nichts Ganzes für mich. An vielen Stellen ist es das, was ich befürchtet habe und Camerons größte Kritiker prophezeit haben (bzw. bereits über den ersten Teil sagten), an anderen Stellen ist es die erwartete Technik-Innovation, mit der jeder gerechnet hat.

Denn das kann man vorne weg auf jeden Fall sagen: „The Way of Water“ liefert von den Effekten und der Seherfahrung her das absolute Nonplusultra ab. Jeder CGI-Effekt sitzt, das 3D ist einmal mehr grandios und auch die variable Framerate funktioniert (zu meiner Überraschung) sehr gut. Aber ganz ehrlich, das war doch das Mindeste an Anspruch, den Cameron nach all den Jahren mit einer Fortsetzung erfüllen musste. Ansonsten wäre ich auch vom Glauben abgefallen. Daher interessiert mich der technische Aspekt auch letztendlich nicht sonderlich stark.

Bei der Geschichte musste „Avatar 2“ nun endlich liefern, denn selbst ich als großer Anhänger des ersten Teils musste zugeben, dass wenn eine Fortsetzung erscheint, die Hauptbaustelle die Geschichte und der Plot sein würden. Und in gewisser Weise auch eine Rechtfertigung an den Zuschauer, warum denn nicht nur eine Fortsetzung, nicht nur zwei, nicht nur drei, nein, sondern gleich vier Fortsetzungen in diesem Universum notwendig sind. Was hast du uns zu erzählen, James?

Von einer Enttäuschung zu sprechen, wäre wohl nicht ganz fair; aber eine mittelschwere Ernüchterung trat bei mir dann doch ein, als ich „The Way of Water“ sah. Die Geschichte ist nicht gut. Vor allem ist sie für Cameron-Verhältnisse nicht gut erzählt. Das Skript hat viele Probleme und der Film ist im Vergleich zum Vorgänger deutlich holpriger inszeniert und erzählt. Das fängt bereits ganz vorne an.

Meiner Meinung nach erklärt Cameron viel zu viel und möchte die Lücke der letzten 13 Jahre unbedingt schließen. Jake Sullys Leben wird im Zeitraffer abgearbeitet, die RDA kommt pünktlich zu Beginn wieder zurück und stellt mal eben in Minuten den Status Quo des ersten Teils wieder her etc. Ich glaube offensichtlicher hätte man es nicht ausdrücken können, dass nach Teil 1 ja eigentlich gar keine Fortsetzung geplant war. Und in welcher Rekordgeschwindigkeit das alles geschieht. Es ist ironisch, dass ich James Cameron das nach all seinem Marvel- und DC-Bashing vorwerfen muss, aber die Rückkehr der RDA wirkt unfassbar comicbook-haft.

Der erste Avatar-Film hat sich noch auf bestimmte Art seltsam vertraut und realistisch angefühlt, was die Eroberung und Erschließung von Pandora anbelangte. All das hatte eine Realität und ich konnte mir die Menschheit in 150 Jahren exakt so vorstellen. Mit ihrer Agenda, mit ihrer Technologie, mit ihren Konflikten. Es wirkte wie eine glaubhafte Erschließung dieser fernen Welt, auf der man nun seit Jahrzehnten saß und nach und nach die Ressourcen ausbeutete; als dieses eine Raumschiff über Pandora schwebte, welches unermüdlich hin und her reiste, um Material und Mensch auf diese entfernte Welt zu transportieren.

Auf einmal ist die Ästhetik eine völlig andere. Dutzende Raumschiffe ploppen plötzlich vor Pandora auf, als hätte man gleich die halbe Menschheit losgeschickt, brennen sich innerhalb von Sekunden einen Weg auf die Planetenoberfläche und es strömen hunderte Panzer und Bulldozer aus einem Transporter, um in Windeseile alles zu vernichten und einen riesigen Stützpunkt hochzuziehen. Der Film springt schließlich ein Jahr in die Zukunft und die RDA hat all das und noch zehnmal mehr, wofür die Menschheit zuvor 30-50 Jahre gebraucht hat, wieder installiert. Eigentlich fehlte nur noch, dass der fies lachende Imperator gleich mit aussteigt und der Bau des Todessterns beginnt. Feingefühl und Realismus auf Wiedersehen. Das ist nicht nur grob erzählt, sondern vor allem überstürzt und gehetzt.

Und so fühlt sich der Film trotz dreistündiger Laufzeit an mehreren Stellen an. Das geht bei der forcierten und konstruierten Verbrüderung und Verknüpfung jeder Hauptfigur weiter. Bei Star Wars war es ja zuletzt modern, dass man zweieinhalb Filme lang rätseln soll, wer denn jetzt mit wem verwandt ist, um dann am Ende jeden vor den Kopf zu stoßen, dass niemand mit irgendwem verwandt ist. In „Avatar 2“ ist es umgekehrt. Jeder ist definitiv mit jedem verwandt und das wird in den ersten fünf Minuten auch direkt klargestellt.

Bösewicht Quaritch ist nicht nur ein Na’vi-Klon des ehemaligen Sicherheitschefs, nein, er besitzt natürlich auch 1 zu 1 seine Erinnerungen. Sigourney Weavers Kiri hat nicht nur eine Verbindung zu Doktor Augustine, nein, sie ist buchstäblich das Kind ihres Avatars und wurde auf rätselhafte Weise geboren. Und dann ist da noch der menschliche Junge Spider, der einst zurückgelassen wurde und, siehe da, natürlich ausgerechnet der Sohn von Quaritch ist. So ein Zufall aber auch. Aus der einen oder anderen Sache hätte man ja durchaus eine ereignisreiche Wendung machen können, aber stattdessen macht Cameron in den ersten Minuten gleich klar Schiff mit nahezu allem erzählerisch interessantem.

Das größte Problem ist aber, dass die Handlung im nachfolgenden Verlauf in einen recht simplen Rachefeldzug des Bösewichts verfällt und gleichzeitig nie über die Thematiken des Vorgängers hinauswächst. Die neue Meeres- und Wasserwelt, der sich die Sully-Familie gegenüber sieht, eröffnet kaum etwas thematisch Neues. Es ist inhaltlich überwiegend genau dasselbe wie zuvor im Wald. Es ist dieselbe Naturverbundenheit, dieselbe Naturliebe und letztlich dieselbe Botschaft. Cameron macht nicht wirklich etwas Neues oder Unerwartetes mit dem Meer. Statt des Waldes ist es Wasser, statt den großen Bäumen sind es Wale und statt der reichhaltigen Flora und Fauna sind es jetzt Korallen.

Und selbst das fällt für Cameron-Verhältnisse überraschend flach aus. Dafür, dass das Meer für uns Menschen immer noch so viele Unbekannten und Mysterien birgt, dafür dass Cameron selbst zum tiefsten Punkt der Erde getaucht ist, ist das Meer von Pandora weniger tiefgründig als der Wald aus Teil 1. An spannenden Ideen mangelt es, nach kreativen Konzepten sucht man vergebens. Stattdessen beschränkt sich Camerons Meeresbiologie auf die Existenz von zwei verschiedenen Reittieren und Pandora-Walen. Klar, die Unterwasserszenen sind ein Highlight dieses Films, aber würde das Meer nicht mehr bieten? In „Findet Nemo“ habe ich mehr interessanten Dinge im Meer entdecken können als hier.

Wenn es eine Sache gibt, die aber unverzeihlich ist, dann ist das, wie unverschämt „The Way of Water“ Szenen und Dialoge aus dem Vorgänger übernimmt und kopiert. Zuerst fragte ich mich, warum es überhaupt nötig war, dass Jake Sully erneut mehrfach aus dem Off zum Zuschauer spricht und Dinge erklärt. Es ergibt zu diesem Zeitpunkt kaum mehr Sinn und wirkt wie ein unnötiges Überbleibsel, um an den ersten Teil zu erinnern. Dazu kommt aber, dass der Film Dialoge/Monologe und dramaturgische Momente des Vorgängers wieder aufgreift und einfach rotzfrech recycelt. Unterstützt wird das Ganze auch durch den Einsatz der Musik, welche leider zu großen Teilen einfach nur der kopierte Soundtrack aus Teil 1 ist. Es gibt kein einziges neues interessantes musikalisches Motiv.

Das führt dann u. a. dazu, dass die Jagd und Tötung eines Wales dramaturgisch mit der Zerstörung des Heimatbaumes aus Teil 1 gleichgesetzt wird, weil einfach exakt derselbe Score drübergelegt wird. In seiner tatsächlichen Tragweite ist jene Sequenz jedoch nicht annähernd so dramatisch. Nichts gegen diesen armen Wal, aber ist das derselbe dramaturgische Tiefschlag wie die Tötung hunderter Na’vi und die Fällung dieses riesigen Heimatbaumes, was zur Eskalation des gesamten Konfliktes und zum Wendepunkt in der Handlung führt?

Generell werden die Menschen dieses Mal nochmal viel stärker als eine einzige Karikatur des Bösen gezeichnet. Cameron hat schon im ersten Teil viele Stereotypen gezeichnet, aber jetzt gibt es keine einzige Stimme der Vernunft mehr (die „Wissenschaftsärsche“ rund um Jake Sully fallen ja jetzt raus) und wie ein böses Imperium fegen die Menschen über alles hinweg. Das unterstützt Cameron aber auch äußerst manipulativ, in dem das Töten jeden Tieres wie als ein Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet wird. Wenn die Na’vi Tiere jagen und sich danach bei ihrer Gottheit bedanken, ist das natürlich okay. Aber wenn der Mensch sich einen Wal schnappt, dann ist das im Grunde ein Kriegsverbrechen und die Zerstörung des natürlichen Gleichgewichtes ist nah.

Neben dem Recycling verfügt die Fortsetzung ebenfalls über sehr wenige Überraschungen. Die größte Überraschung ist, dass der Film nicht mit der Vernichtung der Menschen durch die vereinte Kraft der Wale, angetrieben durch Eywa endet. Ja, das Finale und das Ende des Films sind tatsächlich mal etwas anderes, aber auch nichts, was die Geschichte in ein völlig anderes Licht rückt. Stattdessen ließ mich das Ende eher ratlos zurück. Der Film endet ein wenig so abrupt wie er beginnt und nach 13 Jahren fragt man sich „Moment, das war’s?“. Denn die dreistündige Laufzeit spürt man tatsächlich kaum, wodurch ich den finalen Kampf erst als das Finale identifiziert habe als es vorbei war.

Aber „The Way of Water“ ist ein seltsames Mittelding zwischen eigenständigem Werk und die Vorbereitung einer Fortsetzung. Um ihn als abgeschlossenen Film zu betrachten, ist das Ende viel zu offen und klar auf eine Fortführung ausgelegt (Cameron und sein Produzent verneinten genau das), aber um auf eine Fortsetzung gespannt zu sein, bietet die Handlung viel zu wenig an und das Finale ist zu schwach, um Lust auf mehr zu machen. Es wird nichts vorbereitet, was die Handlung nochmal in eine neue Richtung lenken könnte. Spannende Tatsachen werden ebenso wenig geschaffen, über die man jetzt gerne zwei Jahre rätseln möchte. Es ist mir eigentlich ziemlich egal, wie es im nächsten Film weitergeht.

Aufgrund der Wiederverwertung von bekannten Szenen, Dialogen und dramaturgischen Kniffen fühlt sich der ganze Film auch wie eine Mischung aus Recap und Überbrückung an. Als hätte Cameron erstmal auf Nummer Sicher gehen wollen, um nach der langen Zeit von 13 Jahren alle Zuschauer mit viel Vertrautem und Wiedergekäutem neu abzuholen. „Avatar 2“ funktioniert genauso wie einst Disneys „Star Wars: The Force Awakens“ wie ein Versprechen: Wir führen euch erstmal wieder in die Welt ein und verschaffen euch dasselbe Gefühl, welches ihr bei dem letzten Teil verspürt habt, um dann im nächsten Teil aber wirklich loszulegen (was bei besagtem Beispiel bekannterweise grandios gescheitert ist).

Und das hätte ich von einem Visionär wie James Cameron nicht erwartet. Das macht mich sogar traurig, da vieles in dieser Fortsetzung so kalkuliert wirkt. Als hätte ein Konzern wie Disney tatsächlich noch kurz vor knapp dazwischen gegrätscht (was nicht der Fall ist). Erinnert ihr euch noch an Jake Sullys Monologe? Hier sind sie wieder, obwohl sie narrativ gar keinen Sinn mehr ergeben! Erinnert ihr euch noch an die RDA und den Fiesling Quaritch? Die sind jetzt noch gemeiner! Den Wald haben wir durch das Meer ersetzt und das ist nochmal schöner! Und erinnert euch noch an diese fünf zentralen dramaturgischen Highlights des Vorgängers? Wir haben sie nochmal in einem leicht anderen Gewand erneut für euch aufbereitet! Jetzt habt bitte eine emotionale Reaktion!

Verteidigend muss man zwar anbringen, dass Cameron nicht verlernt hat, wie man inszeniert, sei es Action, die Faszination für die Natur oder die spektakulären Bilder. Auch bei aller Kritik an der Handlung muss man zugeben, dass sich der Film zumindest bei der Charakterisierung vieler Figuren deutlich steigert. Jakes Familie und all ihre Mitglieder funktionieren und durchlaufen teilweise interessante Entwicklungen. Natürlich kommen einem auch hier die ganzen Fehden untereinander ziemlich bekannt vor, aber es ist nicht mehr so stereotypisch und eindimensional wie noch im Vorgänger.

Aber reicht das 13 Jahre später noch? Bei aller Liebe für die Inszenierung und die wieder makellosen Effekte, dieses Mal täuscht das eben nicht mehr über die flache Handlung hinweg. „Avatar 2“ ist bei weitem nicht der technische Sprung, wie es noch der erste Film war. Er sieht grandios aus, aber das hat auch jeder erwarten dürfen. Und leider ist genau das eingetroffen, was zu befürchten war: Die Geschichte hält mal wieder nicht mit. Und dieses Mal fällt das deutlich schwerer ins Gewicht.

Ich werde James Cameron dennoch einen weiteren Vertrauensvorschuss geben müssen. Denn dieser Film ist eben (nur) ein Puzzleteil einer fünfteiligen Saga. Vielleicht hat Cameron gerade erst angefangen und die Filme steigern sich von Teil zu Teil. Vielleicht wird man diesen zweiten Film nochmal in einem anderen Licht sehen, wenn Cameron seine vollständige Vision aus fünf Filmen beendet hat. Vielleicht ist das rückblickend das schwache Mittelstück einer epischen Geschichte, welche sich immer weiter steigern konnte. Lieber so als andersherum.

Avatar: The Way of Water© 20th Century Studios

Aber zum jetzigen Zeitpunkt muss ich konstatieren: Ich habe mehr erwartet, Mr. Cameron. Nach all den Jahren musste er beweisen, ob es dieses riesige Projekt wert ist. Und das ist es aktuell leider nicht. „The Way of Water“ geht nicht tiefer als meine heimische Badewanne und über die Wunderwerke aktuellster Rechenleistung gepaart mit ganz viel Naturesoterik sind wir längst hinaus. Das reicht nicht mehr.

6.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung