God of War: Ragnarök – Eine perfekte Fortsetzung

God of War: Ragnarök© Santa Monica Studio

Die Neuausrichtung der God-of-War-Reihe im Jahr 2018 gehört zu einer der erfolgreichsten und beachtlichsten Videospiel-Highlights der jüngeren Playstation-Geschichte. Mit dem PS4-Titel, der schlicht „God of War“ betitelt wird, gelang Santa Monica Studio eine spielerische Neuinterpretation der Reihe und zeitgleich spannende Fortführung der bereits dreiteilig umfassenden Videospiel-Serie (abzüglich der Spin-Offs). Auch mich begeisterte das Spiel in allen Belangen, obgleich mir die Vorgänger nur in Auszügen bekannt waren.

Die Modernisierung des Gameplays, der ernstere Ton und die erwachsenere Geschichte bereiteten den Weg für eine geliebte Videospiel-Reihe im neuen Gewand. Hinzu kam die nordische Mythologie als neuer Aufhänger und Ersatz für die Griechische, welche ich auch persönlich als äußerst spannend und interessant empfinde. Die Erwartungen für eine Fortsetzung waren entsprechend hoch und „Ragnarök“ schließt nun endlich das ab, was „God of War“ (2018) losgetreten hat.

Ein Rückblick

Der Vorgänger aus dem Jahr 2018 ist zweifelsfrei bereits ein sehr gutes Spiel gewesen, der die Reihe hervorragend weiterentwickelt hat. Die Vater-Sohn-Beziehung als Herzstück der Geschichte, gepaart mit erwachseneren Themen, verpackt in einer spannenden Handlung, machten „God of War“ zu einer der besten Erzählungen in der Videospielindustrie der letzten Jahre. Allerdings war es auch nicht frei von Schwächen und Befürchtungen, welche in der Fortsetzung ausgeräumt werden mussten.

Zuallererst war ich skeptisch, als es zur Ankündigung kam, Santa Monica Studio wolle die nordische Saga bereits in einem zweiten Teil komplett abschließen. Der 2018er-Teil war für das, was er erzählen wollte, ein sehr gutes Spiel, kratzte jedoch ehrlich gesagt noch sehr stark an der Oberfläche der nordischen Mythologie. Eine Trilogie wäre womöglich die logische Entscheidung gewesen, aber die Entwickler entschieden sich dagegen.

„Ragnarök“ musste also zwangsläufig deutlich größer und umfangreicher werden, um den Erwartungen und der bisherigen Vorarbeit gerecht werden zu können. Handlungstechnisch waren die Voraussetzungen für eine tolle Fortsetzung da, gerade mit dem Ende des Vorgängers, welche das vermeintliche Schicksal von Kratos andeutete und seinen Sohn Atreus unter dem Namen Loki bekannt gemacht hat.

Aber auch gameplaymechanisch musste die Fortsetzung einige Baustellen bearbeiten. Denn bis auf Midgard, welches im Vorgänger als zentrale Hub-Welt fungiert, gestalteten sich die anderen bereisbaren Welten noch als recht leer und eindimensional. Von der obligatorischen Brücke aus Tyrs Tempel heraus erstreckten sich die anderen Welten nur in eine lineare Richtung hinaus und verliefen nur selten in die Breite. Ein Gefühl für echte, glaubhafte Welten kam dadurch nur selten auf; eher für ausgestaltete Level.

Zudem wirkten einige Nebengeschichten noch ein wenig oberflächlich und flach, beispielsweise der Krieg in Alfheim, aus dem der Spieler nicht schlau wird und der neben der Hauptstory als nicht weiter vertieftes oder erklärtes Nebenprodukt abläuft.

Die weitläufig am häufigsten genannten Hauptkritikpunkte waren damals allerdings die fehlende Variation bei den Kampfmechaniken und den Boss-Gegnern. Als richtige Bosse gab es nur Baldur, die zwei Söhne von Thor und einen Drachen. Der Rest beschränkte sich auf zwei verschiedene Arten von Trollen, die einem abwechselnd immer wieder vorgesetzt wurden. Somit hatte man sich auch an den Kampfanimationen und „Finishern“ rasch sattgesehen. Damit einhergehend fehlten mit dem Fokus auf die eher geerdete Vater-Sohn-Beziehung die klaren Highlights und Ereignisse.

Daran knüpfte auch ein fehlender nuancierter Umgang mit den anderen Göttern an. Während sich die Entwickler um eine differenzierte Charakterzeichnung von Kratos und seinem Sohn stark bemühten, wirkten viele andere Charaktere oftmals wie die immer selben „Copy-and-Paste“-Arschlöcher, die man bereits aus der griechischen Mythologie kannte. An einer klaren, neuen Aussage sowie guten Charakterzeichnungen mangelte es an einigen Stellen noch und über „Alle Götter sind eben böse“ ging das Erzählte meist nicht hinaus.

Eine seltsame Strategie

Noch erwähnenswert ist die etwas eigensinnige Vermarktungsstrategie im Vorfeld von „God of War: Ragnarök“. Natürlich könnte das in Anbetracht der geschehenen Veröffentlichung des Spiels ignoriert werden und es war wohl ohnehin von vorneherein klar, dass die Fortsetzung ein großer Hit werden wird. Aber es ist schon bemerkenswert wie schlecht dieser große Titel vermarktet wurde. Bis auf wenige Trailer gab es nahezu keine Präsentation zum überarbeiteten Gameplay, den neuen Welten oder einen Teaser auf die zu erwartende Geschichte (außer, dass man Tyr sucht).

Es ging sogar so weit, dass „Ragnarök“ nicht mal eine State-of-Play erhalten hat, was in letzter Zeit allen großen Sony Exklusivtiteln spendiert worden war. Jetzt, wo das Spiel herausgekommen ist, ist das natürlich egal; und bedeutete im Endeffekt auch weniger Spoiler und mehr Überraschungen für die Spieler. Aber ein unwürdigeres Marketing für einen Titel solchen Kalibers habe ich noch nie erlebt.

Daran knüpft auch an, dass es seltsamerweise kaum interessante physische Editionen des Spiels zu kaufen gibt. Neben den überteuerten Collectors-Editionen gab es lediglich eine Standard-Version und eine digitale Deluxe-Version. Ein schönes Steelbook oder ein haptisches Artbook war somit nicht zu erhalten (ersteres wurde nur in der Collectors-Edition mitgeliefert, letzteres lediglich digital bei der Deluxe-Version beigelegt). Wie ein Titel dieser Größe nur so wenig Optionen anzubieten hat, bleibt mir ebenfalls schleierhaft – vor allem, wenn das andere Spiele deutlich besser gemacht haben, z. B. „Horizon Forbidden West“.

Das Gameplay

„Ragnarök“ baut nun konsequent auf den Vorgänger auf. Es werden alle Stärken übernommen, aber noch viel wichtiger, nahezu alle angesprochenen Kritikpunkte des Vorgängers konsequent ausgebessert. Wie gelungen hier alle Mechaniken erweitert und verbessert, sowie angesprochene Schwächen ausgemerzt werden, ist bemerkenswert und sucht seinesgleichen. Rein vom Gameplay her macht die Fortsetzung all das, was ich mir erhofft hatte.

Das fängt bei den Kämpfen an, die nochmal dynamischer und abwechslungsreicher gestaltet sind, geht bei der Gegnervielfalt weiter, welche deutlich erhöht wurde und deutlich vielseitiger geworden ist und hört bei den vielen variantenreichen Bossen auf, seien es große Bosskämpfe oder die vielen neuen Zwischenbosse. Auch die Gameplay- und Storyhighlights sind jetzt viel enger getaktet.

Das grundlegende Gameplay verhält sich dabei wie im Vorgänger. Auf etablierte Stärken wird aufgebaut, erkannte Schwachpunkte werden eliminiert. Etwas gewöhnungsbedürftig bzw. ein klassisches Fortsetzungs-Problem ist dabei, dass Kratos als Spielfigur wieder auf null zurückgesetzt wird. Der einzige Unterschied ist, dass man die Chaos-Klingen nun bereits zu Beginn schwingen kann. Jegliche erlernten Fähigkeiten und Verbesserungen aus dem Vorgänger sind aber natürlich erstmal wieder weg. 

Beim Fähigkeiten-Baum merkt man am ehesten, wie nah dieses Spiel am Vorgänger ist und wie wenig es hier zu erneuern gab. Die Fähigkeiten für die Klingen und die Axt wurden im Grunde nur variiert und ausgetauscht. Neue Fähigkeiten sind hinzugekommen, alte Fähigkeiten jedoch auch rausgeflogen. Der „Baum“ ist also nicht einfach nur gewachsen, sondern es wurde aussortiert und neu hinzugefügt. Da kann es dann schonmal passieren, dass ein paar liebgewonnene Angriffe des Vorgängers plötzlich fehlen und ersetzt wurden.

Dafür wird zu Beginn gleich offensichtlich, dass an der Gegnervielfalt und den Zwischenbossen gearbeitet wurde. Hier gibt es endlich die gewünschte Variation und Abwechslung. Einzig bei der Gegneranzahl und Frequenz hätte ich mir in den ersten Spielstunden mehr Action gewünscht. Das kommt zwar später noch, aber zu Beginn fühlte ich mich manchmal unterfordert. Auch so Gegner, wie dieses lästige Kleinvieh, welches ab und zu in Überzahl am Boden krabbelnd angreift, hätte man sich sparen können, da es weder herausfordernd ist noch zu interessanten Kämpfen führt.

Die Welten

Fortgesetzt werden die Verbesserungen bei der Weltengestaltung. Wenn man nach wenigen Spielstunden die erste neue Welt Svartalfheim bereist, spürt man, wie gut das Problem der eher eindimensional wirkenden Welten des Vorgängers behoben wurde: Alles geht in die Breite und wirkt wie eine eigenständige, glaubhafte Welt, anstatt einer immergleichen linearen Brücke. Das meiste bleibt zwar schlauchig, aber als Spieler erhält man endlich ein Gespür für neun separate Welten und nicht nur verschiedene Levelarchitekturen.

Hier fällt auch positiv auf, wie geschickt die verschiedenen Welten im Vergleich zum Vorgänger variiert und ausgestaltet werden. Während im 2018er-Teil hauptsächlich Midgard die Kernwelt darstellte und darüber hinaus noch Alfheim und Helheim storyrelevant waren, sind es nun Vanaheim und Svartalfheim, die neben Midgard zwei zentrale Welten darstellen und die man im Vorgänger noch gar nicht erkunden konnte. Alfheim lernt man außerdem von einer anderen Seite aus kennen und alle vier Welten zusammen bieten jeweils einige größere Open-World-Areale zur Erkundung und für Nebenmissionen.

Währenddessen spielt Helheim keine so große Rolle mehr; Muspelheim, Nilfheim und Jötunheim werden sehr ähnlich genutzt, bspw. für Endgame-Aufgaben. Und dann kommt natürlich auch noch Asgard dazu, welches allerdings nur für die Hauptgeschichte relevant ist. Dabei ist auch schön, dass einige Weltendesigns angepasst werden. So hat man das Aussehen von Nilfheim gänzlich geändert und mehr dem Vorbild der nordischen Mythologie angepasst. Auch Jötunheim lernt man von einer anderen Seite kennen. Dasselbe gilt für Midgard, welches – wie aus den Trailern schon hervorgegangen ist – nun einem strengen Winter unterworfen ist.

Ein eigentümliches Überbleibsel

Eines der wenigen Dinge, die mir an der Gameplaystruktur und dem Weltendesign etwas inkonsequent und weniger durchdacht vorkam, war der Metroidvania-Ansatz, der aus dem Vorgänger übernommen wurde. Der 2018er-Teil zeichnete sich dadurch aus, dass man während seiner Reise unüberwindbare Passagen vorfand, die sich erst im Verlauf der Geschichte überqueren ließen. Sei es durch einen speziellen Pfeil, den man erst von einem getöteten Drachen erhält, die feuerspeienden Chaos-Klingen oder einem speziellen Gegenstand aus Helheim. Es fühlte sich sehr organisch und durchdacht an, da man im Verlauf der Geschichte auch immer wieder an Orte zurückkehrte, die zuvor noch mit gesperrten Pfaden gepflastert waren. Stück für Stück erhielt der Spieler ein weiteres Werkzeug mehr.

In der Fortsetzung wirkt es so, als hätte man dieses Prinzip nur noch halbherzig eingefügt, ohne noch wirklich von dem Konzept überzeugt zu sein. Zuerst in Svartalfheim, wo man das erste Mal auf nicht überwindbare Barrieren trifft, um dann eine Minute später vom Zwerg Sindri den benötigten Pfeil zu erhalten. Warum erst eine Barriere errichten, wenn man als Spieler unmittelbar danach das benötigte Werkzeug zur Überquerung erhält? Das geschieht meist auch ohne jede Erklärung oder Storyeinbindung, wie noch im Vorgänger.

Auch nach 50 Stunden Spielzeit weiß ich nicht, warum diese Barrieren in Svartalfheim und anderswo überhaupt existieren und woraus genau der Pfeil besteht, um diese zu überwinden. Im Vorgänger fühlte sich das noch organischer an. Zum Beispiel baut Sindri, nachdem man einen blitzeschießenden Drachen erledigt hat, aus dem Material des Drachen, einen Blitzpfeil, mit dem man schließlich in der Lage ist, spezielle Barrieren zum Explodieren zu bringen. In „Ragnarök“ fehlt es an solchen durchdachten Erklärungen.

Auch die Frequenz, in der erstellte Barrieren zu überwinden sind, fühlt sich unrund an. So stellt sich im Verlauf der Geschichte heraus, dass es neben dem speziellen Pfeil von Sindri und einem weiteren Pfeil von Freya nur ein entscheidendes Werkzeug benötigt wird, um so gut wie alle weitere Absperrungen freiräumen zu können. Die große dritte Waffe, der Draupnir-Speer, stellt sich nämlich als Allzweckwaffe gegen alle verbleibenden Hindernisse heraus. Auf mich wirkte das alles etwas halbgar und inkonsequent. Von mir aus hätte man den Metroidvania-Ansatz auch komplett fallen lassen können.

Die Geschichte

Im Vergleich zum Vorgänger wird auch stets an der Erzählstruktur der Geschichte geschraubt. Während der erste Teil über einen sehr langsamen und behutsamen Aufbau verfügte – für viele Spieler zu langsam – kommt „Ragnarök“ direkt zur Sache. Das sogenannte „Pacing“ wird merklich angezogen; der Einstieg in die Geschichte ist deutlich zügiger erzählt.

Am gemächlichen Aufbau des 2018er-Teils hatte ich persönlich nichts auszusetzen, ja, er war sogar notwendig für die Einführung und Etablierung der Vater-Sohn-Beziehung. Dass die Fortsetzung nun direkt in die Vollen geht, ist allerdings ebenso notwendig wie vorteilhaft. Immerhin haben sich die Entwickler dazu entschieden, die nordische Saga abzuschließen.

Daher kommt es auch gleich zur Einführung von Thor und Odin, über die im Vorgänger noch stundenlang gesprochen wurde, die man aber nie zu Gesicht bekommen hat. Trotz der ambitionierten Herangehensweise sind zu Beginn ein paar nette Parallelen und sich spiegelnde Ereignisse zum Vorgänger zu erkennen: Atreus ist zu einem heranwachsenden jungen Mann gereift, der nun im Gegensatz zum ersten Spiel selbst dazu in der Lage ist, eine erfolgreiche Hirschjagd zu bestreiten.

Damit hat sich auch das Verhältnis zu Kratos sichtbar verändert, dessen Strenge sich jetzt in Stolz gewandelt hat. Derweil sind der Auftritt und Eröffnungskampf gegen Thor natürlich ein Spiegelbild zum ersten Baldur-Kampf. Thor schlägt Kratos gar quer durch sein Hausdach, was ebenfalls an Baldurs ersten Angriff erinnert.

Im Verlauf der Handlung ist es außerdem strukturell sehr angenehm, dass die Geschichte trotz größerer Welten immer noch sehr linear erzählt wird. Es gibt vor allem in der ersten Spielhälfte nur wenige Möglichkeiten, sich in ausufernde Nebenaktivitäten zu verlieren. Und wenn es sie gibt, dann nützen sie tatsächlich den anwesenden Charakteren und tragen indirekt zur Hauptgeschichte bei. Zwei gute Beispiele dafür sind die Missionen in Svartalfheim, welche die Figur Mimir stärker vertiefen, und die Missionen in Alfheim, welche letztlich zur Beziehung zwischen Kratos und Atreus beitragen.

Es lenkt nicht nur nicht von der Hauptgeschichte ab, sondern es ergibt sogar Sinn, die Nebenmissionen zu gegebenem Zeitpunkt zu bestreiten, da sie die Geschichte erweitern. Einen Open-World-Hub, wie den See in Midgard im ersten Teil gibt es so nicht bzw. es werden im späteren Verlauf erst verschiedene offenere Areale freigeschaltet. So werden einerseits existierende Nebenmissionen natürlich und clever in die Hauptgeschichte eingebunden und andererseits größere Open-World-Abschnitte erst auf das „Endgame“ verlagert, damit sich der Spieler das „Pacing“ der Geschichte nicht aus Versehen frühzeitig selbst ruinieren kann.

Einzig die sogenannte Eisenwald-Mission, welche man nach einiger Spielzeit mit Atreus bestreitet, ist spürbar zu lang geraten und definitiv zu gestreckt. Das scheint auch allgemeiner Konsens unter den Spielern zu sein. Allerdings muss hier verteidigend angebracht werden, dass die verstreuten Atreus-Missionen insgesamt gut ausbalanciert sind. Bis auf den besagten Eisenwald wird nie übertrieben, was die Länge der Spielzeit mit Atreus anbelangt und in der Regel wird man als Spieler auch schnell genug wieder mit Kratos vereint, der nach wie vor der Hauptcharakter des Spiels bleibt.

Aufgefangen werden potenzielle Längen auch dadurch, dass das Gameplay mit Atreus tatsächlich Spaß macht und eine gelungene Abwechslung darstellt. Allerdings muss man sich keine Sorgen machen, dass Kratos nun zu einer Nebenfigur wird. Zwar spielt Atreus eine deutlich größere Rolle, aber das war einerseits mit dem Ende des letzten Teils zu erwarten und andererseits bleibt Kratos Charakterentwicklung nach wie vor das zentrale Handlungselement.

Die Geschichte von „Ragnarök“ ist aber zweifelsohne bedeutend ambitionierter erzählt, als die des Vorgängers. Die Struktur ist nicht annähernd so klar und greifbar; es gibt spürbare Sprünge in der Handlung, vielzählige Charakterwechsel und ein unausgegorenes „Pacing“, welches zwischen großen Highlights und wiederum spielstreckenden Passagen pendelt. Zwar gelingt es den Entwicklern mit der Fortsetzung insgesamt, die nordische Mythologie mit nur einem zweiten Teil erfolgreich abzuschließen, aber aufgrund der Behäbigkeit des Vorgängers spürt man, wie viel Handlung sie in diesen zweiten Teil stecken mussten.

Nicht nur hinsichtlich des Gameplays, sondern auch bezüglich der Story kommt somit alles zusammen, was ich mir von einer Fortsetzung versprochen habe und der vergleichbar zurückhaltende erste Teil noch nicht liefern konnte. Alles ist im Ausmaß und Umfang gewachsen, die Geschichte endlich viel größer gedacht, die nordische Mythologie endlich angemessen vertieft sowie ausgeschöpft und das Götter-Epos in seiner ganzen Pracht ausgekostet. Aber das hat auch seinen Preis.

Ich finde es persönlich mit „The Last of Us Part I“ und „Part II“ vergleichbar, zumindest was die Struktur und die Ambitionen betreffen. Teil 1 der jeweiligen Videospielreihen war noch relativ direkt von A nach B erzählt und besaß über eine klare Struktur sowie eine Idee und ein Thema für seine Charaktere. Die Fortsetzung ist hingegen viel größer und ambitionierter erzählt, die Handlungsstruktur manchmal etwas verwirrend und der Hauptcharakter der Reihe gerät ab und zu außerhalb des Fokus.

Der zweite Teil hat nicht so eine einwandfreie Dramaturgie, aber das Erzählte ist dennoch überaus stark und vor allem spannend. Besonders „Ragnarök“ verfügt über eine enorm spannende Handlung, die über weite Strecke kaum vorhersehbar ist. Es hätte in alle Richtungen gehen können und bis kurz vor Schluss war ich mir nicht sicher, ob sich Santa Monica Studio für ein „Happy End“ oder einen zutiefst tragischen Abschluss entscheiden wird.

Die Entwicklung von Kratos als Hauptfigur dieser Reihe sticht allerdings hervor. Vom Gott des Krieges und Götterschlächter zu „Krieg ist nicht der einzige Weg“ ist schon beeindruckend inszeniert. Sein größter Kampf ist es, nicht wieder in seine alte Rolle zurückzufallen. Und dabei gelingt den Entwicklern auch ein sehr guter Balanceakt. Kratos ist nie zu weich geworden oder zu weit von dem entfernt, was ihn ursprünglich ausgemacht hat. Und dennoch trauen die Autoren der Figur eine richtig spannende und moderne Charakterentwicklung zu.

Das gilt mittlerweile auch für die anderen Götter. Im Vergleich zum ersten Teil erhalten sie nun endlich das Fleisch und die Charakterisierung, die sie verdienen und werden nicht auf dumpfe Bösewichte reduziert. Einzig Odin sticht noch heraus und hier könnte man durchaus unterstellen, dass er zu sehr als Ursache allen Übels abgestempelt wird.

Dennoch mündet das alles in ein mehr als episches Finale und einen würdigen Abschluss für die nordische Saga. Das Ende der Reise hat sich für die Charaktere verdient angefühlt und die Motive der beiden Videospiele wurden sinnvoll zu Ende geführt. Für mich lässt sich das Spiel „Ragnarök“ vor allem auf zwei zentrale Themen herunterbrechen:

Zum einen ist es eine Geschichte übers Loslassen. Atreus will den Tod seines Vaters verhindern und wird deswegen beinahe von Odin manipuliert und verführt. Am Ende versöhnt er sich aber wieder mit Kratos. Zudem lernt Kratos über den Verlauf der Geschichte, dass sein Sohn mittlerweile erwachsen geworden und für seine eigenen Entscheidungen verantwortlich ist. Er lässt ihn am Ende gehen und will ihn nicht mehr auf ewig beschützen.

Zum anderen ist die Geschichte ein Plädoyer dafür, dass jedes Individuum der Herr seines eigenen Schicksals ist. Im Grunde lehnt es das Spiel sogar ab, dass es überhaupt so etwas wie Schicksal gibt. Das ist natürlich ironisch, wenn man bedenkt, dass beide Teile durchgehend mit Prophezeiungen arbeiten und viele davon auch eintreffen. Aber letztlich kommt es eben nicht zur alles entscheidenden Vorhersage, nämlich dass Kratos stirbt und Odin durch die Verschwörung mit Loki gewinnt.

Kratos schafft es nämlich sein sogenanntes Schicksal zu verhindern, genauer den Tod durch Thors Hand, indem er Thor am Ende verschont und nicht zum besagten Monster wird, womit er seit Beginn seiner Reise so sehr hadert. Somit ist es zwar Schicksal, dass spezielle Ereignisse vorherbestimmt sind, aber es liegt letztlich trotzdem in der Hand jedes Einzelnen, welchen Weg man entscheidet zu gehen.

Zudem sind Prophezeiungen oftmals schleierhaft und uneindeutig. Umso stärker man versucht sie zu verhindert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintreffen. Die selbsterfüllende Prophezeiung. Das zeigt sich unter anderem an Atreus, der beinahe unter die Kontrolle von Odin fällt, als er verzweifelt versucht, den Tod seines Vaters zu verhindern. Ebenso ist der viel zitierte Gott des Krieges Tyr nie derjenige gewesen, der laut den Vorhersagen der Anführer von Ragnarök ist. Eine Missinterpretation des Dargestellten, denn es ist letztlich Kratos selbst, der als abgebildeter Krieger mit einem Speer in der Hand die Armeen gegen Asgard anführt.

God of War: Ragnarök© Santa Monica Studio

Fazit

„God of War: Ragnarök“ ist eine hervorragende Fortsetzung und ein perfekter Abschluss der nordischen Saga im God-of-War-Universum. Das Spiel baut konsequent auf den Stärken seines Vorgängers auf und brilliert darin, diese nochmal auf ein neues Level zu heben sowie erkannte Schwachpunkte auszubügeln. Am Gameplay gibt es absolut nichts auszusetzen.

Die Geschichte des Spiels ist dahingehend schon eher angreifbar und ich würde verstehen, wenn man mit der eigenwilligen Struktur und dem Fokus auf andere Charaktere nicht klarkommt. Aber davon abgesehen handelt es sich um eine fantastische Geschichte, welche alle Charaktere herausragend porträtiert und über einen spannungsgeladenen, vor Highlights strotzenden Handlungsverlauf verfügt. „Ragnarök“ ist dadurch eines der besten Videospielerlebnisse der letzten Jahre – Ein durchschlagender Erfolg auf allen Ebenen.

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