Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger – Analyse

Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger© Lucasfilm

„Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger“ wird dieses Jahr 20 Jahre alt und startete am 16. Mai 2002 in den Kinos. Noch heute gilt er als das ungeliebte Kind in George Lucas‘ Star-Wars-Saga. Selbst mit der Renaissance der Prequel-Trilogie und der sehr gemischt aufgenommen Sequel-Trilogie hat es Episode II immer noch schwer. Während „Die dunkle Bedrohung“ und „Die Rache der Sith“ deutlich stärker in den letzten Jahren rezipiert wurden, fällt „Angriff der Klonkrieger“ eher hinten rüber. Leider völlig zu Unrecht.

In diesem Film geschehen thematisch so viele Prozesse, er ist filmisch derart komplex und ist auf cineastischer Ebene so wegweisend, dass es in einer einzelnen kritischen Auseinandersetzung kaum zu erfassen wäre. Zudem vereint dieser Film wie kein anderer Star-Wars-Film alles von George Lucas. Er ist nicht nur pures Kino, sondern womöglich auch der purste Star-Wars- und George-Lucas-Film von allen.

„Angriff der Klonkrieger“ ist Star Wars, auf seine Art, wie er die perfekte „Space Opera“ im Sinne einer Samstagsnachmittagsserie der 1950er Jahre einfängt, so unverfroren altmodisch und klassisch erzählt, dass es schon absurd ist; gleichzeitig so modern wie möglich festgehalten, während er das digitale Kino nicht nur revolutioniert und entscheidend geprägt, sondern die Technik ebenso ans Limit des Möglichen getrieben hat, sodass George Lucas erstmals seine Vision vollumfänglich abbilden konnte.

Episode II ist Star Wars, auf seine Art, wie er die Medien und Genres miteinander vermischt, einerseits 50er-Jahre Science-Fiction-Film gepaart mit verrückter Action, anderseits Detektiv-Film und Film Noir gepaart mit einer mittelalterlichen Romantik im Stile Shakespeares, die zeitgleich zu einer politischen Intrige abläuft, welche historische Muster und Rhythmen erschreckend präzise abbildet.

Dieser Film ist aber vor allem Star Wars, auf seine Art, wie er experimentelles Kino zu einem Höhepunkt führt und George Lucas es gelingt, seine Wurzeln als Dokumentarfilmemacher und expressionistisches Genie mit dem Blockbuster-Kino zu vereinen. Das Gesprochene ist unwichtig. Star Wars ist die Synergie aus Bild und Sound. George Lucas glaubt an das Kino als Kino, an das Kino als bewegtes Bild. Kein anderer Star-Wars-Film setzt das so gut um wie „Angriff der Klonkrieger“.

Im Folgenden werde ich eine Sequenz des Films versuchen zu analysieren. Nur eine, weil sie bereits komplex genug ist, um eine Kritik auszufüllen. Es geht um den Moment als Anakin auf Tatooine vom Schicksal seine Mutter erfährt und er entscheidet sich auf die Suche nach ihr zu begeben. Dabei handelt es sich meiner Meinung nach um eine der besten Sequenzen der gesamten Saga.

Hier entscheidet sich Anakins Schicksal auf eine ganz zentrale Weise. Er entscheidet sich dazu seine Mutter zu retten, möge es kosten, was es wolle. Hier vertieft sich eines der wichtigen psychologischen Motive von Star Wars: Die Entscheidung loszulassen und Wandel zuzulassen oder in der Vergangenheit gefangen zu bleiben und versuchen den natürlichen Lauf der Dinge aufzuhalten. Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite und Anakin fürchtet sich. Er fürchtet seine Mutter zu verlieren und versucht das Unmögliche aufzuhalten. Daraus resultiert Gier, die Gier, alles Irdische zwanghaft zu bewahren. Anakin entscheidet sich für die Gier und tätigt somit seine ersten Schritte auf dem Weg zur dunklen Seite.

George Lucas inszeniert diese Szene auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Er spiegelt Anakins Schicksal und Reise in die Dunkelheit mit der von Luke. Zunächst trifft Anakin auf die Familien Lars, jene Familie, die bald Lukes Familie werden soll. Doch die Wahl dieses Ortes ist weder Zufall noch plumper Fan-Service. Lucas nutzt den Ort, um auf rein visueller Ebene die Gemeinsamkeiten zwischen Vater und Sohn darzustellen. Ihr Schicksal ähnelt sich. Beide werden vor die Möglichkeit gestellt, loszulassen. Zuerst fällt natürlich die inszenatorische Gemeinsamkeit am Essenstisch der Familie Lars auf. Anakin wird mit dem Schicksal seiner Mutter konfrontiert, wohingegen Luke Jahre später mit Owens Entscheidung konfrontiert wird, dass er wieder nicht auf die Akademie gehen darf. Verärgert springen beide auf. Verärgert verlassen beide das Gebäude und blicken in Richtung Sonnenuntergang.

Hier wird es filmisch besonders interessant. Man achte auf die Kamera-Achse: Luke wird von hinten rechts gefilmt, wie er auf den Sonnenuntergang zuschreitet. Die Blickrichtung ist somit von links nach rechts; in der Filmsprache auch angewandt, um eine vorwärts gerichtete Bewegung zu vermitteln. Für Anakin ändert Lucas nun allerdings die Achse. Die Kamera filmt ihn von vorne links. Die Blickrichtung wird somit verändert, nämlich von rechts nach links – eine intuitiv rückwärtige Bewegung. Bei Anakin sieht man zudem nie die beiden Sonnen. Stattdessen fängt ihn die Kamera durchgehend aus der entgegengesetzten Richtung ein. Filmisch zugespitzt wird das Ganze schließlich noch durch das Einfangen von Anakins und Padmes Schatten, während es bei Luke die beiden Sonnen sind, die im Zentrum stehen.

Symbolisch entscheidet Anakin sich also nicht für sein Schicksal und für das Gute, sondern für die Vergangenheit und somit seinen Niedergang. Er umarmt Padme, seine Geliebte, eine weitere irdische Gestalt, die er bald schon zwanghaft versuchen wird zu erhalten. Schließlich dreht sich Anakin um und bewegt sich von den beiden Sonnen weg. Er verlässt buchstäblich den Pfad des Auserwählten und verschwindet in die kommende Dunkelheit. Die Szenen funktionieren selbstverständlich ohne jeden Dialog. Allein bildsprachlich vermittelt George Lucas die Motive seines Films.

Bewegung im Bild bzw. „Framing“ ist äußerst wichtig in Star Wars. Von links nach rechts bedeutet vorwärts; von rechts nach links bedeutet rückwärts. Die nächste Einstellung zeigt es: Anakins bewegt sich auf seinem Speeder von rechts nach links. So wie er dabei in das untergehende Licht von Tatooine getaucht wird, handelt es sich um eine der schönsten Einstellungen aus ganz Star Wars. Anakin rennt buchstäblich die Zeit davon und sein Vorhaben gleicht einer Verzweiflungstat.

Untermalt wird die Szene dabei nicht ohne Grund mit „Duel of the Fates“. Das erste Mal wurde jenes Stück gespielt, als Qui-Gon Jinn buchstäblich um das Schicksal von Anakin kämpfte. Hier entschied sich zum ersten Mal, welchen Pfad Anakin einschlagen wird. In dieser Szene, kurz vor der Rettung seiner Mutter, entscheidet es sich erneut. Anakin hat die Wahl, für welchen Pfad er sich entscheiden möchte. Und schließlich landet er in der Dunkelheit. Wie ein gefallener Engel neben dem Mond von Tatooine springt er in seinen Untergang – das Lager der Tusken-Räuber.

Darüber hinaus ist die gesamte Sequenz ein Kurzfilm. Und zwar eine Kurzfassung eines sehr bekannten Western: John Fords „Der Schwarze Falke“ auf dem Jahr 1956. Es handelt sich, wen wundert’s, um einen der liebsten Filme von George Lucas und seinen damaligen Freunden rund um Steven Spielberg, Martin Scorsese und Francis Ford Coppola. Lucas nutzt hier nicht nur visuelle Parallelen, indem er zum Beispiel Fords Methode psychologische Motive über die Landschaft zu vermitteln übernimmt (die Sonnen als Symbol für Schicksal, die einbrechende Nacht als Symbol für charakterlichen Niedergang, die weiten Wüstenaufnahmen zur Isolierung der Figur etc.), sondern er überführt auch die Handlung des Films größtenteils in besagten Filmabschnitt.

Anakin wird zu John Waynes Ethan, also sowohl zum tragischen Helden, als auch zum Western-Anti-Helden. „Der Schwarze Falke“ revolutionierte damals das Western-Genre, da es sich um einen der ersten Filme seiner Art handelte, der den klassischen Westernhelden zu einem Antihelden uminterpretierte. Der klassische Western ging in den Spätwestern oder auch den Antiwestern über. George Lucas greift das auf: Der klassische Held wird zum tragischen Helden, ein Held, der an seinen eigenen Ambitionen scheitert, der moralische Grenzen überschreitet und schließlich in Ungnade fällt. Die auffälligste visuelle Gemeinsamkeit ist der Moment als Anakin und Ethan in der Nacht auf das Lager der „Indianer“ bzw. Tusken-Räuber schauen. Beide blicken von erhöhter Position auf das Lager herab und entscheiden sich schließlich; eine Entscheidung, die lediglich zu ihrem charakterlichen Verfall führen wird.

Anakins und Lukes Zeit auf Tatooine endet im Übrigen erneut sehr ähnlich. Beide werden mit dem Tod ihrer Eltern konfrontiert. Luke findet seine toten Zieheltern vor, während Anakin seine tote Mutter vorfindet. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Luke wird die Kraft finden, den Tod seiner Eltern zu überwinden. Er kann loslassen. Anakin hingegen wird nicht dazu in der Lage sein, den Tod seiner Mutter zu überwinden. Er wird seine Anstrengungen verdoppeln, weil er nicht loslassen kann. Und das wird zu seinem Untergang führen.

Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger© Lucasfilm

„The interesting thing about Star Wars—and I didn’t ever really push this very far, because it’s not really that important—but there’s a lot going on there that most people haven’t come to grips with yet. But when they do, they will find it’s a much more intricately made clock than most people would imagine.“ – George Lucas

9.0 von 10.0

Die Analyse (2022) im Original auf Moviepilot


Zur analysierten Szene:

Star Wars Musical Score Theater – Return to Tatooine

Zu weiteren tiefgründigen Kritiken und Analysen zu „Angriff der Klonkrieger“:

Attack of the Clones and the Politics of Star Wars von Anne Lancashire

Defense of the Clones: Lucas’s Latest: Cheap Thrills or Sophisticated Filmmaking?

George Lucas’s Wildest Vision: Retrofuturist Auteurism in Star Wars Episode II: Attack of the Clones

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