„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ ist mit weitem Abstand der schlechteste Teil der Filmreihe. Erste mittelmäßige Kritiken von den Filmfestspielen in Cannes ließen bereits vor einem Monat aufhorchen, während die Prognosen für das Box-Office alles andere als gut aussehen. Nun ist die Gewissheit da: „Indy V“ hat leider all das verdient. Denn das, was James Mangold hier verzweifelt versucht einzufangen, spiegelt über weite Strecken überhaupt nicht mehr das wider, was die großartige Filmreihe einst ausgezeichnet hat.
Und das verblüfft, da James Mangold in den letzten Jahren mehrfach bewiesen hat, dass er ein äußerst fähiger Regisseur ist. Nach jahrelangen Verschiebungen und Drehbuchentwürfen hatte Mangold das Heft in die Hand genommen, um den beliebten Schatzsucher ein letztes Mal aufleben zu lassen. George Lucas visierte einen fünften Teil schon vor über zehn Jahren an, steig aber schließlich schleichend aus, als er sein Lucasfilm-Imperium an Disney verkauft hatte.
Steven Spielberg blieb noch für Jahre als Regisseur dem Projekt treu, stieg kurz vor Produktionsbeginn dann allerdings ebenfalls aus (angeblich, um Platz für eine „neue Generation“ zu machen; in Wahrheit, weil er ohne Lucas nichts mehr damit zu tun haben wollte). Nun trat James Mangold an besagte Stelle, verpasste dem Drehbuch mit seinen eigenen Autoren nochmal den letzten Schliff – oder schrieb es vermutlich in großen Teilen um – und inszenierte mit einem zum Drehzeitpunkt fast 80-jährigen Harrison Ford den letzten Indy-Film.
In der aktuellen Rezeption des Films ist es fast schon zu einem Running Gag geworden, den letzten Teil von Lucas und Spielberg irgendwie aufzugreifen und wenn es nur ist, um auch ja zu betonen, dass der fünfte Teil zumindest besser als voriger sei. Noch wehrt sich der gängige Indy-Fan verzweifelt dagegen, dem damals viel gescholtenen „Königreich des Kristallschädels“ irgendeinen Credit zu geben. Alle strömen sie enttäuscht aus den Sälen, aber der Nachtritt gegen Indy IV darf nicht fehlen.
Komischerweise ist das Kritikerecho insgesamt deutlich negativer gegenüber Indy V jetzt, als gegenüber Indy IV damals. Die Renaissance und Wertschätzung von Teil 4 hat längst begonnen. Dasselbe Spiel wie zuletzt mit den Star-Wars-Prequels und Sequels wird erneut gespielt. Nachträglicher Gewinner: George Lucas.
Denn „Das Rad des Schicksals“ lässt jegliche Atmosphäre und Magie eines Indiana-Jones-Films vermissen. Bis auf die halbwegs gelungene Eröffnungssequenz besitzt der Film keinerlei Pacing, furchtbar mittelmäßige Actionsequenzen und eine Geschichte, die vor Langeweile strotzt. Mangold versteht überhaupt nicht, was die früheren Teile ausgezeichnet hat, wovon sich Lucas und Spielberg haben inspirieren lassen und was sie mit den Filmen wiedergeben wollten.
Der Film ist locker 20 Minuten zu lang, die Inszenierung ist lahmarschig und die Plot-Versatzstücke ohne Inspiration. Und das liegt kaum am fast bewegungsunfähigen Harrison Ford, sondern hauptsächlich am fehlenden Verständnis für die Machart dieser Filme. Im Vergleich zu den Vorgängern sind der Schnitt und das Tempo ein kompletter Reinfall. Von der tollen, schnellen, aber auch klaren Inszenierung eines Spielbergs ist nichts mehr übrig. Zudem kommt dem Film jede Art von Humor abhanden, jeder Anflug von Härte wurde Disney-typisch wegrationalisiert. Alles, was die Indiana-Jones-Filme ausgezeichnet hat, wird schmerzlich vermisst.
Im direkten Vergleich bin ich gar dazu geneigt, eine Lanze für J.J. Abrams Star-Wars-Ansatz zu brechen. „The Force Awakens“ hat vieles falsch gemacht, aber man muss Abrams zugutehalten, dass er wusste, wie man die alten Gefühle von 1977 wieder auf erleben lässt. Der Film hat wenigstens Spaß gemacht und schaffte es, die Star-Wars-Magie für einen kurzen Moment wiederzubeleben. Mangold hingegen gelingt mit Indy V nichts von alledem. Der Plot ist mir ja im Zweifel noch egal, aber dass selbst die Inszenierung in allen Belangen abstinkt, ist schon erschreckend. Wer diesen Film besser als „Königreich des Kristallschädels“ finden, den kann man nicht ernst nehmen. Allein die Eröffnung des letzten Films stellt alles aus Teil 5 in den Schatten.
Obendrauf sieht der Film auch noch hässlich aus. Die Farbgebung ist ähnlich missraten, wie bei Teil 4 schon; und in irgendeiner Form realistischer oder praktischer ist Teil 5 ebenfalls nicht gedreht. Die Geschichte ist genauso langweilig wie nichtssagend. In bekannter Star-Wars-Sequel-Manier bekommen wir einen gebrochenen Protagonisten vorgesetzt. Unsere Helden von früher dürfen einfach kein glückliches Leben führen, zumindest nicht unter Disney. Und ein paar „Korrekturgriffe“ gegenüber Teil 4 kann sich der Film ebenfalls nicht verkneifen. Damit schließt sich der Kreis zu den Star-Wars-Sequels.
Fazit: „Königreich des Kristallschädels“ mag seinerzeit für viele eine Enttäuschung gewesen sein, weil er den unmöglich hohen Erwartungen nicht gerecht werden konnte. „Rad des Schicksals“ ist eine Enttäuschung, weil der Film im Kern schlecht ist und nicht verstanden hat, was die ikonische Filmreihe ausmacht. Ein lahmer und unnötiger Film.
5.0 von 10.0
Die Kritik im Original auf Moviepilot