Oppenheimer – Kritik und Review

Oppenheimer© Universal Pictures

Mit „Oppenheimer“ nimmt sich Christopher Nolan erneut einem historisch aufgeladenen Thema an. Nach „Dunkirk“ bildet außerdem erneut der Zweite Weltkrieg den historischen Hintergrund. Nur ist es dieses Mal kein (Anti-)Kriegsfilm, sondern ein Biopic, eine Charakterstudie über den Namensgeber des Films. Es geht um J. Robert Oppenheimer, dem Leiter des legendären Manhattan-Projekts und Vater der Atombombe. Er selbst sah sich später als der „Zerstörer der Welten“. Der Film vergleicht ihn – genauso wie das Buch, auf das sich Nolan bezieht – mit dem antiken Prometheus, der für die Menschen das Feuer von den Göttern stahl und dafür auf alle Ewigkeit gefoltert wurde.

Christopher Nolan hat vermutlich selbst nicht damit gerechnet, wie sehr er mit diesem Thema und dem Menschen dahinter den aktuellen Zeitgeist treffen würde. Spätestens nach der Sichtung kommt einem unweigerlich die Frage auf, wie diese weltverändernde und menschheitsprägende Geschichte des Mannes, der die Atombombe gebaut hat, nicht schon früher verfilmt werden konnte.

Um dieser Geschichte gerecht zu werden, fährt Nolan ein Schauspieler-Assemble auf, das seinesgleichen sucht. Bis in die kleinste Nebenrolle hat er seine Figuren mit hochkarätigen Hollywood-Stars besetzt. Man kommt kaum drumherum, alle zehn Minuten ein kleines Aha-Erlebnis zu haben, wenn der nächste große Name auf der Leinwand erscheint, bei dem man längst vergessen hatte, dass er in diesem Film mitspielt.

Nolan bricht für dieses Filmthema, welches ihm offensichtlich sehr fasziniert hat, sogar ein Stück mit seinen eigenen Erzähl- und Inszenierungsmustern, die ihn seit Jahren so bekannt machen. Für seine Verhältnisse handelt es sich hier um ein sehr trockenes Thema in Überlänge, welche hauptsächlich mithilfe der tollen Darsteller in Dialogen und in Innenräumen zerredet und ergründet wird. Den Nolan, der in der Regel auch große Action liebt, der Nolan, der immer wieder einen Weg findet sein Lieblingsthema „Zeit“ auf verschachtelte Weise neu zu interpretieren (selbst in „Dunkirk“), den findet man hier nicht.

Das hält den Regisseur jedoch nicht davon ab, auf seine spezielle Art und Weise die Erzählung zu verschachteln und umzustrukturieren. Ein gradliniges Biopic ist „Oppenheimer“ nicht. Nolan kreuzt hier im Wesentlichen drei verschiedene Handlungsstränge und schneidet zwischen den Zeitabschnitten mehrfach hin und her. Und dann ist neben dem Inhalt natürlich noch die Aufmachung typisch Nolan: Alles wurde mal wieder als „CGI-frei“ vermarktet; alles ist selbstverständlich auf analogen Film und mit IMAX-Kameras gedreht; zudem ist die gesamte Ausstattung ein Hingucker, sei es der bereits erwähnte Cast, die authentische Inszenierung und die erwartbare Nolan-Qualität, der all das hochqualitativ und wunderschön einzufangen weiß.

Als Gesamtpaket ist „Oppenheimer“ gelungener als der zuletzt überkomplizierte „Tenet“. Nolan verlangt seinen Zuschauern zwar auch dieses Mal wieder einiges ab, da konzentriertes Verfolgen der Handlung bei den vielen Lebensstationen Oppenheimers und den Zeitsprüngen Pflicht ist. Aber auf wundersame Weise gelingt es dem Film aus einem dreistündigen, staubtrockenen Biopic eine über weite Strecken spannende wie mitreißende Geschichte zu formen. In Verbindung mit dem herausstechenden Score, der Relevanz der Geschichte und dem moralischen Dilemma dahinter fiebert man dem Bau der Bombe minütlich entgegen.

Hier ist der Name des Films Programm. „Oppenheimer“ ist ein Film über J. Robert Oppenheimer und weniger über die Atombombe. Immer wieder werden die Fragen gestellt, was hinter der Fassade Oppenheimer stand, welche Motivation er besaß, wie er mit dem Druck und den moralischen Bedenken umging und leben musste. Nur ist dieser Aspekt zugleich die größte Schwäche des Films. Denn so richtig gelingt es Nolan auch nach drei Stunden nicht, den Menschen Oppenheimer zu ergründen. Zwar legt der Film die Widersprüchlichkeit seines Handelns gut dar – passend illustriert an der Frage nach einer Wasserstoffbombe –, aber als Zuschauer geht man hinterher kaum schlauer aus dem Kino heraus als man hereingekommen ist.  

Zudem verrennt sich Nolan gegen Ende ein wenig darin, das Leben Oppenheimers über die Kriegsjahre hinaus auserzählen zu müssen. Statt dem Bau der Bombe ist die Feindseligkeit zwischen J. Robert Oppenheimer und Lewis Strauss (hervorragend von Robert Downey Jr. verkörpert) der tatsächliche Höhepunkt im letzten Akt. Ganz überzeugen mag das jedoch nicht und streckt den Film, der bereits im erfolgreichen Test der Bombe kulminiert, unnötig in die Länge.

Oppenheimer© Universal Pictures

Fazit: „Oppenheimer“ ist nicht Christopher Nolans Magnum Opus und definitiv kein Film für jedermann. Jedoch gelingt ihm ein eindrückliches Bild über einen Menschen, dessen Handeln es verdient ins Gedächtnis gerufen zu werden.

7.0 von 10.0


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