Andor – Befreit aus dem Würgegriff von Fanboys

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Star Wars: Andor

Die neue Serie „Andor“ ist eine Wiederbelebung für Star Wars. Showrunner Tony Gilroy setzt auf eine starke Vision statt auf Fanservice. Er widersetzt sich gängiger Methoden und legt die Attitüde von Fanboy-Regisseuren ab.

Seitdem der Erfinder und das Genie hinter Star Wars, George Lucas, die Kontrolle über seine Schöpfung im Jahre 2012 an den Disney-Konzern abgetreten hat, liegt die kreative Weiterführung der Filme und Serien in den Händen von neuen Regisseuren und Autoren.

Die große Beliebtheit und gleichzeitige Ehrfurcht vor Star Wars führen allerdings zu einem entscheidenden Konflikt: Das berühmte Franchise wird seither von Kreativen fortgesetzt, die sich in den meisten Fällen selbst als riesige Fans und Verehrer der Filmreihe sehen.

Obwohl sich das zunächst wie ein massiver Vorteil anhört und von vielen außenstehenden Zuschauern gar als Grundvoraussetzung gesehen wird, um an ihren Lieblingsfilmen und Serien mitarbeiten zu dürfen, handelt es sich in Wahrheit um ein schwerwiegendes Problem.

Eine Fan-Fiction-Fortsetzung über Star Wars

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Verwüstung

Star Wars wird von Fans als derart wertvoll und heilig betrachtet, sodass die Herangehensweise an die Materie größtenteils eine andere ist, als an gewöhnliche Stoffe. Jeder Regisseur und zeitgleich selbsternannter Fanboy interpretiert die Filme auf seine individuelle Art. Was an Star Wars gefällt, was besonders hervorzuheben ist und wie bestimmte Inhalte zu bewerten sind, fällt in den Blickwinkel des Betrachters.

Seit der Abkehr von George Lucas sind die Star-Wars-Filme und Serien eine Interpretation dessen geworden, was Star Wars zu sein hat. Jeder Regisseur deutet Star Wars auf seine Art und Weise neu.

J.J. Abrams hat 2015 seine Interpretation und Auffassung von Star Wars vorgelegt. Danach hat Rian Johnson seine, teilweise völlig andere, Interpretation von Star Wars und was es zu sein hat vorgestellt. In beiden „Versionen“ von Star Wars kommen große Teile von George Lucas‘ Star Wars nicht vor.

Stattdessen haben beide entschieden, dass maximal die Original-Trilogie das eigentliche, wahre Star Wars ist. Beide Filme – Interpretationen bzw. Missinterpretationen – sind dadurch im Wesentlichen Fan-Filme über Star Wars : „So ist Star Wars, so habe ich es verstanden und so hat es meiner Vorstellung nach auszusehen.“

The film, he says [Rian Johnson], is not just a Star Wars movie – it’s a movie about Star Wars, and what it means to fans (himself included).

Die Sequel-Trilogie ist dadurch im Wesentlichen ein Spiegelbild der Original-Trilogie. Beide verantwortlichen Regisseure waren derart ehrfürchtig, dass sie die drei Filme nacherzählt haben, welche ihrer Meinung nach die besten sind. Der Fanboy als Regisseur ist so stark eingeschränkt, dass er kaum imstande ist, etwas völlig Neues und Eigenes zu entwerfen. Er verhaftet immer darin, was er an den früheren Filmen geliebt hat und sehen möchte.

Heutzutage nennt man das auch „Fan Service“. Der Fan hinter der Kamera dreht Fanservice für sich und die Zuschauerschaft selbst. In der Sequel-Trilogie resultierte das in der überwiegend simplen Nacherzählung der ersten Trilogie; in Serien wie „The Mandalorian“ resultiert es wiederum in den massiven Einsatz von Cameos und der Wiederkehr bekannter Figuren.

Jon Favreau  beschrieb dies einst als Schachbrett voller Spielzeugfiguren: Er arrangiert die Figuren so an, wie er es als Fanboy am liebsten sehen würde, z. B. das Treffen zwischen Luke Skywalker und Ahsoka Tano, oder ein Team-up zwischen seinem Mandalorian und Boba Fett. Narrativer Sinn gerät dabei in den Hintergrund.

 “I’m having a blast,” Favreau said of the writing process for Season 2, which he compared to a play session with action figures. “It’s like turning over your toy chest and playing with all the Star Wars toys together. We’re having a great time.”

Es geht nicht mehr darum, eine erzählenswerte Geschichte zu entwerfen, sondern darum, welche Fanfavoriten miteinander verknüpft werden könnten. Das geschieht gerne auch zuungunsten der Logik, siehe das erneute Treffen von Obi-Wan und Darth Vader in „Obi-Wan Kenobi“, oder zuungunsten jedwedes narrativen Grundverständnisses von Spannung und Dramaturgie, siehe die überhastete „Einführung“ von Cad Bane in „The Book of Boba Fett“.

Abkehr vom Fanboytum

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Cassian Andor

Mit Tony Gilroy haben Kathleen Kennedy und Lucasfilm nun endlich einen fähigen Regisseur, Drehbuchautor und Showrunner gefunden, der dieses Problem erkannt hat. Der einstige Ersatzregisseur für den problemgeplagten Film „Rogue One“ hat sich einer Prequel-Serie angenommen, in der er die fünf Jahre vor den Ereignissen des Films erzählt.

Was zunächst wie das überflüssigste aller Star-Wars-Projekte aussah – noch mehr wie „The Book of Boba Fett“ allein von der Prämisse her wie reinster Disney+-Content herauszustechen vermochte – erweist sich bereits in den ersten Folgen als das beste Star Wars seit vielen Jahren.

Tony Gilroy sieht sich selbst nicht als „Fan“  im klassischen Sinne. Wenn es um wichtige Lore-Fragen geht, dann konsultiert er direkt die Experten im Hause Lucasfilm. Ihm geht es stattdessen vor allem darum, eine gute, ehrliche und reale Geschichte über Charaktere in einer Welt zu erzählen.

Gilroys Ansatz ist es nicht, Star Wars aus seiner engstirnigen Fan-Sicht heraus etwas aufzudrücken, es etwas sein zu lassen, was es womöglich nie war und nicht sein kann. Und für wen würde man sich auch halten, das zu tun; sich über das Star Wars von George Lucas zu erheben und im Wahn des eigenen Egos eine bessere und wahrhaftigere Version davon zu machen.

Gilroy sieht Star Wars lediglich als ein Gefäß, welches er als Kreativschaffender betritt, um eigene, neuartige Geschichte mit überwiegend eigenen und neuen Charakteren zu erzählen. Es geht endlich nicht mehr darum, was Star Wars zu sein hat, sondern darum, eine eigenständige Geschichte zu erzählen. Tony Gilroy ist der erste wahre Regisseur, der für ein Stück Star Wars verantwortlich ist und kein Fanboy, der die Arroganz und das Ego besitzt, Star Wars und seine Figuren zu etwas anderem zu machen als sie sind.

Star Wars braucht mehr davon. Mehr Visionen, weniger Fanboytum.

Abkehr vom Fanservice

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Saw Gerrera

Der Showrunner von „Andor“ hat genau dieses bisherige Problem erkannt. Die Leute ändern ihr Verhalten, wenn sie an einem Star-Wars-Projekt  arbeiten. Gilroy hat daher darauf bestanden, dass jene Mitarbeiter genau das nicht tun. Star Wars sollte wie jedes andere gute Stück Unterhaltung behandelt werden und nicht mit einer lähmenden Ehrfurcht, den Fans oder sich selbst als Fan gerecht zu werden.

 “In every department, we’ve had all kinds of people come in, and they know it’s Star Wars, so they change their behavior. They change their attitude. They change their thing,” Gilroy tells The Hollywood Reporter. “And you go, ‘Wait, no. Do your thing. You’re here because we want you to be real.’ So it’s a testament to the potent power of Star Wars. It really gets into people’s heads, but to change the lane and do it this way, it takes a little effort.”

Das bedeutet auch die Abkehr von „Fan Service“  in seiner schlimmsten Form. „Andor“ besitzt keinen Fanservice dieser Art, der lediglich zur Fanbefriedigung und ohne erzählerischen Sinn eingesetzt wird. Natürlich besitzt die Serie wiederkehrende Charaktere, allerdings gibt man diesen auch wirklich etwas zu tun und fügt sie mit einem nachvollziehbaren Hintergedanken in die Geschichte ein.

 “We didn’t want to do anything that was fan service,” he explained. “We never wanted to have anything… the mandate in the very beginning was that it would be as absolutely non-cynical as it could possibly be, that the show would just be real and honest.”

Vorbei sind die Zeiten, als wahllos irgendwelche bekannten Kopfgeldjäger und Jedi-Ritter in eine fortlaufende Geschichte integriert werden, zu der sie im Kern nichts beizutragen haben und zu einem inhaltsleeren Cameo verkommen (Jon Favreau und Dave Filoni verlassen gerade den Raum). Zumindest vorerst.

 “We will be introducing people along the way,” he added. “I don’t think it’s any secret that Forest Whitaker is in the show… Saw Gerrera is in the show. There will be some other people. But when we bring them, we bring them because we need them and because there’s really some protein there, there’s something for them to really do.”

Rückkehr zur Planung

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Das Imperium

„Andor“ und sein Showrunner brechen allerdings auch auf andere Art und Weise mit fest geglaubten Regeln. Die Herangehensweise an die zu schreibende Geschichte ist nicht nur eine andere, sondern auch die Planung und der Produktionsprozess dahinter. „Andor“ ist eines der wenigen Star-Wars-Projekte, welches von vorneherein durchgeplant wurde. Star Wars hat das erste Mal seit 2012 wieder einen Plan. Die Serie ist feststehend auf zwei Staffeln á 24 Folgen  konzipiert und ausgerichtet.

Es gibt einen klaren Anfang und ein dazu klares, passendes Ende. Viel wichtiger ist dabei vor allem die einheitliche Vision dahinter. „Andor“ wurde von maßgeblich einer kreativen Kraft entwickelt und geformt. Die Abwesenheit dieser einheitlichen Kraft ließ die Sequel-Trilogie scheitern. Und selbst „The Mandarlorian“ entsteht von Staffel zu Staffel ohne klar definiertes Ende oder eine allumfassende Vision, worin die Geschichte münden soll.

Allerdings sollte man dabei nicht den Fehler machen zu denken, „Andor“ wäre von Anfang an eine komplett durchgeplante Serie mit fertigen Drehbüchern gewesen. Tony Gilroy verriet, dass sich erst mit dem Produktionsstart von Staffel 1 das Konzept von zwei zusammenhängenden Staffeln herauskristallisierte.

Zunächst war es nämlich geplant, dass die fünf Jahre vor „Rogue One“ auch in jeweils fünf Staffeln behandelt werden. Als Tony Gilroy und Diego Luna dann bemerkt haben, dass dies viel zu viele Jahre an Arbeit in Anspruch nehmen würde, kam man erst auf die Idee, vier der fünf Jahre in einer zweiten Staffel zusammenzulegen. „Durchgeplant“ ist daher eine sehr vage Formulierung, unter der verschiedene Leute verschiedenes verstehen.

Als wir mit der 1. Staffel angefangen haben, wussten wir noch nicht genau, wo die Reise hingeht. Der grobe Plan war, das erste Jahr in zwölf Episoden zu erzählen. Doch dann haben wir realisiert, was das auf lange Sicht bedeutet und sind erschrocken: “Oh mein Gott, was haben wir getan?” Vor eineinhalb Jahren haben wir dann die Entscheidung getroffen, nicht alle fünf Jahre [in jeweils einer Staffel] zu erzählen. Diego [Luna] wäre irgendwann zu alt dafür geworden – und wir wären auf dem Weg dorthin gestorben. [Lacht] Die Frage war also: Wie können wir die Geschichte angemessen beenden? So sind wir auf das Konzept der 2. Staffel gekommen.

Kenne die Stärken und Schwächen von Technologie

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Mon Mothma

Die Serie „Andor“ erregte im Vorfeld kurzzeitig für Aufsehen als bekannt wurde, dass für die Produktion nicht die Stagecraft-Technologie von ILM, auch „The Volume“ genannt, genutzt wurde. Industrieexperten und Fans hatten einen kurzen Anfall von Schnappatmung. Wie kann man nur auf die modernen Videoleinwände verzichten, die mittlerweile fast schon als Gütesiegel und Aushängeschild für eine Produktion verwendet werden?

Ein Wunderwerk der Technik, welches sich nach nur wenigen Jahren als Standard in der hochbudgetierten Serienproduktion erwiesen hat. Alle lieben „The Volume“; die scheinbar perfekte Kombination aus dem altbekannten Greenscreen und „realen“ Umgebungen sowie Sets.

Aber der Schein trügt. Es hat sich herausgestellt, dass die neue Technologie bei weitem kein Allheilmittel und Problemlöser für alle zukünftigen Film- und Serienproduktionen ist. Die Stagecraft-Technologie hat ihre Vor- und Nachteile. Das hat Tony Gilroy erkannt und für seine Serie die richtigen Schlüsse gezogen: Er geht einen Schritt zurück und setzt auf die klassische Mischung aus gebauten Sets und Greenscreen. Das Ergebnis erkennt man bereits anhand der Trailer und kommt einem regelrechten Wow-Effekt gleich – „Andor“ wirkt sichtbar größer, filmischer und aufwendiger.

„The Volume“ wurde entwickelt, um Zeit und Geld zu sparen. Erst durch diese Technik, zumindest wenn man entsprechenden Aussagen glauben mag, wurden aufwendige und teure Produktionen wie „The Mandalorian“ möglich. Die aufwendige Postproduktion fällt weg, da gewünschte Hintergründe bereits am Drehtag auf eine Hintergrundleinwand projiziert werden können.

Die optischen Vorteile, u. a. die besseren und realistischen Lichtverhältnisse und Reflexionen, machen es zudem möglich sich aufwendige Reisekosten in entfernte Länder zu sparen. Eine Wüstenlandschaft, die in der Greenbox zu künstlich aussieht oder für die man tausende Kilometer in eine echte Wüste reisen müsste, lässt sich nun unter vollständig kontrollierbaren Umständen in einer glaubwürdigen LED-Bildschirm-Umgebung abdrehen.

Allerdings stellt sich dadurch in Bezug auf „Andor“ die Frage, warum diese Serie plötzlich produzierbar war, wenn „The Volume“ für die Entstehung von Serien wie „The Mandarlorian“ doch noch essenziell war? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder spart die neue Technologie doch nicht so viel Geld ein, wie ursprünglich angenommen wurde, d. h. die Produktion auf klassischem Wege ist nach wie vor machbar.

Oder Tony Gilroy hat für „Andor“ (deutlich) mehr Budget erhalten, als es Jon Favreau für „The Mandalorian“ und „The Book of Boba Fett“ sowie Ewan McGregor für „Obi-Wan Kenobi“ erhalten haben. Beide Varianten würden ein seltsames Licht auf die interen Produktionsprozesse von Lucasfilm werfen.

Die Kehrseite von „The Volume“

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Große Sets, große Action

Die Nachteile der Technik wurden in den letzten Monaten sichtbar. Noch mehr als beim Greenscreen ist die Optik des Volumes nach nur kurzer Zeit und Gewöhnungsphase sehr schnell identifizierbar. Der überproportional hohe Einsatz sowie die überhöhte Vermarktung der Technik berauben dem Effekt schnell die Illusion. Die Sets sind naturgegeben recht klein und durchschaubar. Es ist nicht schwer zu erkennen, wo die 3-4 Meter echter Sand enden und das künstliche Bild beginnen.

Zudem gleichen sich vor allem die unter Disney produzierten Inhalte optisch zueinander an, sodass eine Wüste in „The Mandalorian“, „The Book of Boba Fett“ und „Obi-Wan Kenobi“ alle gleich aussehen. Die Lichtverhältnisse sind immer ähnlich, wodurch die Farbgebung und Optik auch immer nahezu identisch aussehen.

Das konnte man erst zuletzt bei „Thor 4“ beobachten, in dem man den Einsatz des Volumes in der Anfangssequenz allein daran ausmachen konnte, dass die Wüstenlandschaft, in der der Bösewicht Gorr sitzt, von der Lichtstimmung exakt so aussieht, wie man sie davor schon in drei anderen Serien gesehen hatte.

Das bringt uns zum nächsten gravierenden Nachteil der Technik : „The Volume“ ist (noch) zu klein und nicht mit anderen Techniken kombinierbar. Die LED-Leinwände werden zwar immer größer und weiter verbessert, aber bieten Stand heute nur einen sehr begrenzten Spielraum, um Szenerien und Action zu inszenieren. So steht ein Regisseur vor der Wahl, ob er gerne ein Set bauen möchte oder ob er alles im Volume abdreht. Beides ist nicht möglich.

In a perfect world, we’d be able to shoot location and shoot old school, and then we’d use the Volume when we want to use it. There are times when the Volume would be really good for us, but the technology doesn’t exist to do both. You have to make a choice at this point because of the workflow on the Volume.

Zudem verweist Tony Gilroy an anderer Stelle auch auf ein inszenatorisches Problem. „Andor“ sieht so viel größer und epischer aus, weil es nicht mit dem Volume gedreht wurde. Der kleine Umfang  der LED-Bühnen trägt eben auch dazu bei, dass große, aufwendige Szenen kaum realisierbar sind. Es gibt wenig Raum für dynamische Kamerabewegungen und inszenatorische Größe. Alles wirkt sehr statisch, in manchen Fällen fast so, als würde man lediglich eine Theaterbühne abfilmen.

Nobody’s against The Volume. The Volume is fantastic for the things that it’s for. Our show is just on a massively epic scale, and people would be running off the set all the time.

Ein weiterer Nachteil ist die Inflexibilität der Stagecraft-Technologie. Nach kurzer Zeit hat sich herausgestellt, dass die Einsparung der aufwendigen Postproduktion im Falle des Einsatzes von Greenscreen gar nicht unbedingt stimmt. Stattdessen wird das, was normalerweise in der Postproduktion getan werden muss – das ganze Erstellen und Einfügen der digitalen Hintergründe – lediglich in die Vorproduktion verlagert.

Denn die LED-Hintergründe  kommen schließlich auch nicht aus dem Nichts. Bei einer Wüste oder anderweitigen kargen Landschaft handelt es sich vermutlich noch um einfache Aufgaben. Aber wie sieht es mit ganzen Dörfern und Stadtgebieten aus?

All your post-production has to be done beforehand. You have to shoot all of your plates. Everything has to be done. When you go in the Volume, everything’s done. You’re just adding the actors.

Natürlich muss all das im Vorfeld geplant, erstellt und umgesetzt werden. Einer der Effektkünstler von „The Batman“ hat das zuletzt ganz anschaulich beschrieben. Wenn man vor einem fiktivem Gotham drehen möchte, dann muss dieses fiktive Gotham natürlich auch erstmal erstellt werden. Und wenn das mithilfe des Volumes umgesetzt werden möchte, dann muss dieses fiktive Gotham fertig sein, bevor die Crew das Set betritt und die entsprechenden Szenen filmt.

Nur hat dieser Ansatz entscheidende künstlerische Auswirkungen. Die Stagecraft-Technologie ist nicht nur physisch gesehen unflexibel, sondern auch auf kreativer Ebene. Wenn alles im Vorfeld geplant und umgesetzt sein muss, dann hat ein Regisseur keine Möglichkeit mehr etwas nachträglich zu ändern. Kommt es während einer Produktion zu neuen Ideen, möglicherweise zu einer signifikanten Änderung des Handlungsverlaufs, dann können Änderungen kaum mehr eingefügt werden.

Nur unter umständlichen und komplizierten Bedingungen müssten die Effektkünstler hingehen und eine bereits abgedrehte Szene mit LED-Leinwänden mühevoll digital ergänzen oder austauschen; anders als beim Greenscreen, in den man einfach jederzeit und unkompliziert jeden erdenkbaren Hintergrund integrieren könnte.

Der Greenscreen ist in beiden Fällen die deutlich überlegende Technologie: Er kann einerseits jederzeit und überall aufgebaut werden und mit anderen Elementen kombiniert werden (z. B. einem echten Set) und anderseits gibt er einem Regisseur vollständige kreative Freiheit bei der Gestaltung einer Szene, sowohl inszenatorisch als auch optisch.

Der richtige Weg

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Maarva Andor

Filme wie „The Batman“ haben daher verstanden, wie Stagecraft einzusetzen ist, wofür es gut geeignet ist und wofür nicht. Das kommt nicht von ungefähr, war schließlich der Kameramann des Films Greig Fraser einer der Mitentwickler der Technik. Als er bei der Entstehung von „The Mandalorian“ mitgeholfen hat und das Projekt schließlich nach wenigen Folgen verließ, entschieden sich die übrigen Akteure „The Volume“ einfach für alles Mögliche und jede erdenkliche Szenerie einzusetzen.

In „The Batman“ ist es hingegen so, dass die Technik genau dann genutzt wird, wenn sie sinnvoll ist und wo sie ihre Stärken zeigt. So sieht man in Behind-The-Scenes-Aufnahmen, dass die LED-Wand u. a. sehr prominent bei einer Szene zwischen Batman und Catwoman auf einem Hausdach während eines Sonnenunterganges über Gotham-City verwendet wurde.

Denn „The Volume“ bietet nun die Möglichkeit, eine im fertigen Film kaum mehr als fünf Minuten lange Szene während eines begrenzt langen Sonnenuntergangs auf mehrere Stunden und Tage verteilt zu filmen, ohne dass man jedes Mal auf einen echten, perfekt aussehenden Sonnenuntergang angewiesen ist. „The Volume“ friert die Tageszeit ein und ermöglicht so einen unkomplizierten und stressfreien Dreh.

An anderer Stelle wurde „The Volume“ während der Verfolgungsjagd zwischen Batman und dem Pinguin eingesetzt. Hier ermöglicht es die Technik realistische Lichtverhältnisse und Reflexionen auf die Autos und Charaktere zu werfen, etwas, was mit Greenscreens immer nur suboptimal funktioniert hat.

Beide Beispiele zeigen eines: „The Volume“ ist vor allem bei verhältnismäßig fixierten und bewegungslosen Sequenzen vorteilhaft, wenn sich Charaktere kaum bewegen, bspw. weil sie nur auf einem Dach miteinander reden oder starr in einem Auto sitzen. Dann ist die Technik sinnvoll, denn man benötigt gar nicht erst eine große Fläche für Sets, Figuren und Kamerabewegungen.

Die Inszenierung ist ohnehin auf einen kleinen, abgesteckten Raum begrenzt und so lässt sich auch eine kleine LED-Leinwand sehr gut als ergänzendes Element einsetzen. Die Verantwortlichen hinter „The Batman“ haben das verstanden. Und Tony Gilroy hat verstanden, dass in einer Serie, die große Sets, Städte und Actionszenen umfasst, kein Platz für eine 10 x 10 große Lichtwand ist.

„The Volume“ bringt dafür natürlich noch einen großen Vorteil mit sich, auf den vor allem Studios wie Disney schauen: Kontrolle und Planungssicherheit. Serien können viel schneller und effektiver produziert und abgefilmt werden. Und das sieht man allein an „Andor“. Zwischen der Ankündigung und der Ausstrahlung der ersten Staffel vergingen vier Jahre. In dieser Zeit wurden fast drei Mandalorian-Staffeln, eine Boba-Fett-Serie und eine Obi-Wan-Serie gleichzeitig produziert.

Und obwohl die zweite Staffel von „Andor“ bereits geplant und geschrieben ist, kündigte Tony Gilroy bereits an, dass es voraussichtlich zwei weitere Jahre  dauern wird, bis diese erscheinen wird. Denn eines weiß Tony Gilroy ebenfalls: Gute Geschichten brauchen Zeit. Und diese Zeit wird sich heutzutage leider viel zu selten genommen.

Was haltet ihr bisher von der Serie „Andor“? Bewegt sich Star Wars wieder in die richtige Richtung oder kann euch Tony Gilroys Ansatz nicht überzeugen?

Der Artikel (2022) im Original auf Moviepilot

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