Der Herr der Ringe – Kritik und Review

Der Herr der Ringe© Warner Bros.

Ich war nie der größte Herr-der-Ringe-Fan, aber habe die Trilogie immer als einzigartige Errungenschaft respektiert und dafür hoch angesehen. Es gibt kaum eine Filmtrilogie, die, egal, was man von ihr halten mag, im Grunde herausragend und nahezu perfekt in einem Abstand von nur wenigen Jahren geschrieben, strukturiert, gefilmt und als ein großes Fantasy-Epos in die Kinos gebracht wurde. Selbst als jemand, der mit anderen Filmen bzw. einem anderen Franchise, bspw. der Star-Wars-Saga, mehr anknüpfen konnte, muss am Ende zugeben, dass „Der Herr der Ringe“ für sich alleine stehend und auf allen Ebenen ein kaum zu übertreffender filmischer Erfolg ist.

Nachdem bereits die Hobbit-Trilogie seit Jahren in meinem Blu-Ray-Regal steht, habe ich daher nun anlässlich der 4K-Veröffentlichung auch endlich mal nach der „Original“-Trilogie gegriffen. Was mich bisher immer davon abhielt, war zum einen die einfache Tatsache, dass die drei Filme im Extended Cut so enorm lang sind, dass ich mir kaum vorstellen konnte, die Reihe in ihrer Gänze nochmal zu schauen, anstatt sie nur der Vollständigkeit wegen im Regal stehen zu haben. Zum anderen hatte ich immer die Hoffnung, dass die Filme in Zukunft mal auf eine Disk passen würden, anstatt permanent aufgeteilt werden zu müssen. Und zu guter Letzt schreckte mich tatsächlich das umfangreiche Bonusmaterial ab, welches ich sowieso nie komplett geschaut hätte.

Die neuere 4K-Veröffentlichung bietet dennoch drei Nachteile: (1) In ihrer 4K-Version sind die Filme so groß, dass der Extended Cut schon wieder auf zwei Disks aufgeteilt werden musste; (2) obwohl Peter Jackson persönlich die moderne 4K-Abtastung überwachte, handelt es sich bei der Trilogie seltsamerweise nur um eine 2K-Fassung, die auf 4K hochskaliert wurde; (3) es ist tatsächlich jedwedes Bonusmaterial völlig abwesend, was ich nun ironischerweise etwas schade finde. Zumindest ein paar wenige zentrale Making-of-Dokumentationen und die Audiokommentare hätten dabeibleiben können (stattdessen wäre es vielleicht eine Überlegung wert gewesen, die Kinoversionen zu streichen, die auf meinen Blu-Ray-Versionen der Hobbit-Filme ebenfalls nicht zu finden sind).

Dennoch kann man sagen, dass die „Der Herr der Ringe“-Filme noch nie so gut aussahen. Laut Peter Jackson hat er wohl bei der Überarbeitung der beiden Trilogien darauf geachtet, dass sie visuell einheitlicher aussehen und aneinander angeglichen werden. Davon merke ich zumindest wenig und man bräuchte wohl den direkten Vergleich, um größere Unterschiede festzustellen. Zugunsten der Hobbit-Trilogie (digital gedreht) wurden den Filmen außerdem weitestgehend das Filmkorn entfernt, d.h. die Filme sehen nun „cleaner“ aus, lassen damit jedoch den Charme von analog gedrehten Filmen vermissen – ebenfalls eine Sache, die mir zumindest nicht störend auffiel.

Was mich hingegen eher überrascht hat, ist die Tatsache, dass die digitalen Effekte augenscheinlich gar nicht verbessert oder wenigstens leicht aufpoliert wurden. Ich weiß natürlich, dass die meisten Fans das genau richtig finden, aber ehrlich gesagt hätte ich es persönlich in Ordnung gefunden, wenn man zumindest ein paar miese Compositing-Fehler ausgebügelt hätte. Als Beispiel dafür wären einige auffällige weiße Umrandungen von Charakteren, die in ein Matte Painting oder in einen Greenscreen eingefügt wurden, zu nennen. Aber auch andere Kleinigkeiten, wenn im letzten Film Frodo auf den Schicksalsberg klettert und er dann im letzten Shot aus der Ferne gefilmt in den Eingang des Bergs hineinrennt – gruselig.

Einige Effekte sind für ihre Zeit nach wie vor genial und die Mischung aus praktischen und digitalen Effekten ist überwiegend geglückt. Manchmal jedoch war ich doch überrascht, wie mittelmäßig bis beinahe unfertig einige kleine Momente aussehen. Zu nennen wäre da auch die „Einfügung“ der Hobbits in so manche Szenen. Seit die Hobbit-Trilogie mit ihrem digitalen Aussehen in die Kinos kam, hatten viele Herr-der-Ringe-Fans ja das Gerücht in die Welt gesetzt, Peter Jackson hätte damals die Größenverhältnisse der Hobbits und der Menschen alleine durch clevere Kameratricks hervorgerufen. Obwohl das in einigen Szenen der Fall gewesen sein mag, handelt es sich dabei doch offenbar um Fake-Facts, wie jedes halbwegs gelernte Auge erkennen kann.

Auf inhaltlicher Ebene hat sich meine Meinung zu den Filmen kaum verändert. Es ist eigentlich kaum möglich ein Ranking zu erstellen, da die Geschichte so perfekt und flüssig ineinander übergeht. „Die Gefährten“ hat als einziger Film das Problem des sehr offenen Endes, wobei es sich nicht mal um einen Cliffhanger handelt, sondern der Film mehr oder weniger einfach aufhört. Aber ehrlich gesagt empfand ich das nie als großes Problem und ich sah den ersten Teil sogar lange Zeit als meinen Favoriten an.

In meiner Gunst gestiegen ist hingegen „Die zwei Türme“, den ich immer als den schwächsten der Trilogie wahrnahm. Aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen hat es sich für mich lange Zeit um den langatmigsten und langweiligsten Teil der Trilogie gehandelt. Diese Schwäche sehe ich nun überhaupt nicht mehr. Das Einzige, was mich leicht enttäuscht hat, ist der ein wenig verkürzte Kampf bei Helms Klamm, speziell die Rettung durch Gandalf und das Heer von Rohan, wovon man fast nichts zu sehen bekommt und die Uruk-hai mehr oder weniger direkt die Flucht ergreifen (bis heute dämlich und nichtssagend bleibt aber auch der Titel des Films).

Zu meiner Überraschung musste ich dafür feststellen, dass die Extended Cuts hervorragend funktionieren. Keine Szene fühlt sich überflüssig an, es sind nahezu keine „Pacing“-Probleme festzustellen und man spürt, dass es sich um komplette, rundum gelungene Filme handelt. Das liegt aber u.a. auch daran, dass jeder der drei Filme über einen ca. 25-minütigen Abspann verfügt, von dem ich nichts wusste und der die ca. vier Stunden lange Laufzeit jedes Teils gleich wieder zum Positiven entwertet (ob man jedoch jedes Mal den hunderten Mitgliedern eines Fan-Clubs hätte danken müssen, sei mal dahingestellt).

Einzig „Return of the King“ würde ich unterstellen, dass er von allen Teilen am ehesten leichte Längen aufweist, die in wenigen Momenten zu spüren sind. Vermutlich liegt das aber auch an der herausfordernden Struktur, die nach der Endschlacht bei Minas Tirith noch eine weitere Schlacht, sozusagen die End-Endschlacht, an den Toren Mordors ausbalancieren muss und dann zusätzlich noch über ein sehr ausuferndes Ende für alle Figuren verarbeiten muss.

Ein Problem, welches sich mit dem Rewatch nur teilweise aufgelöst hat, ist der Unterhaltungswert und das Gleichgewicht der sich etablierenden beiden Haupthandlungsstränge der Filme – einerseits die Reise von Frodo und Sam und andererseits die Reise rund um Aragorn, Legolas, Gandalf und Co. Heute noch finde ich den Handlungsstrang von Frodo und Sam immer etwas weniger spannend und interessant. Ich bin dann doch immer glücklich, wenn zurück zu Aragorn geschnitten wird und im zweiten Teil gabs sogar mal eine Phase, die so lange von Frodos Reise wegschnitt, dass ich sie fast vergessen hätte.

Wenn man die Bücher kennt oder sich zumindest mit den Unterschieden zur Kinoadaption befasst hat, dann könnte deutlich werden, warum das womöglich so ist. Peter Jackson und sein Autorenteam haben sich nämlich seinerzeit dafür entschieden, Aragorns Rolle deutlich auszubauen bzw. ihr mehr Gewicht zu verleihen, indem er nach dem Vorbild der sogenannten Heldenreise agieren und entwickelt werden sollte. Es heißt sogar, dass dadurch Frodos innerer Konflikt und Reise mehr oder weniger ersetzt wurde. Einige Puristen von J. R. R. Tolkiens Werk kritisieren auch, dass Peter Jacksons Interpretation dadurch viel zu viel von Frodo als eigentliche Hauptfigur wegnimmt und die vorhandenen psychologische Tiefe der Vorlage durch ein klassisches Action-Fantasy-Spektakel ersetzt wurde.

Die Unterschiede zu den Büchern reichen selbstverständlich noch weiter (vor allem inhaltlich), aber auf rein thematischer Ebene ist es doch am spannendsten, wie sich die eigentlich doch so erfolgreich und übergreifend verehrte Filmtrilogie von seinem Ursprungswerk entfernt hat. Gerade das würde sogar dafürsprechen, dass man die Bücher in einigen Jahren neu interpretieren könnte, ohne dadurch der bis heute „definitiven“ Jackson-Version etwas wegzunehmen.

Obwohl die Filme aus dramaturgischen Gründen ein paar Elemente der Bücher weglassen mussten, ist die Peter-Jackson-Adaption in den Extended Cuts dennoch nicht immer selbsterklärend und perfekt strukturiert. Mir ist zwar bewusst, dass sich außerhalb der Filme alles nachlesen ließe, aber als jemand, der wenig über das Universum weiß, blieben für mich ein paar wenige zentrale Fragen immer ungeklärt.

Zum Beispiel habe ich anhand des ausführlichen Prologes in den ersten Minuten von „Der Gefährten“ nie ganz verstanden, was die Ringe eigentlich genau machen, wozu man sie geschmiedet hat und warum sie wie aufgeteilt wurden. Aber auch, wieso alle anderen Ringe buchstäblich irrelevant werden, nachdem Sauron einen noch mächtigeren Ring geschmiedet hat. Die Filme erklären zwar, was aus den neun Ringträgern der Menschen wurde (und es erschließt sich auch der Grund dafür), aber die Elben und Zwerge bleiben in diesem Kontext immer außen vor.

In „Die zwei Türme“ hingegen sehe ich bis heute die Rückkehr von Gandalf als unbefriedigend an. Auch hier reicht mir seine Erklärung bei weitem nicht aus und generell habe ich nie ganz verstanden, wer oder was die Zauberer Saruman und Gandalf überhaupt sind und was ihre Aufgabe ist. In „Return of the King“ kommt eine weitere Frage zur Geltung, die sich aber durch die ganze Trilogie zieht: Warum müssen die Elben Mittelerde verlassen und was genau ist im besagten „Westen“? Wie gesagt, mir ist bewusst, dass sich fast alles anhand der Buchvorlage beantworten lässt, aber ich finde, dass die Filme einige dieser Fragen besser hätten beantworten müssen.

Gerade auch mit der Hobbit-Trilogie im Hintergrund habe ich mich beim Krieg gegen Sauron immer gefragt, warum das eigentlich in überwiegender Mehrzahl nur die Menschen kümmert? Hätten die Elben nicht trotzdem ein Interesse daran haben müssen, dass Mittelerde nicht komplett versklavt wird? Und wo genau sind die Zwerge eigentlich? Ich vermute mal, dass Gimli irgendeiner größeren Sippe angehört, ansonsten wäre er nicht zur Beratung in Bruchtal eingeladen worden. Irgendwelche Anstalten, dass er seine Brüder dann aber mal kontaktiert und zum Kampf aufruft, macht er hingegen nie.

Wiederum loben muss ich das Worldbuilding aber insgesamt trotzdem. In wenigen Fantasy-Welten hat man eine so gute Orientierung darüber, wo sich was befindet. Ein einfacher Grund dafür ist, dass man im zweiten Teil einfach eine Karte zu sehen bekommt, wo sich einige relevante Standorte befinden. Diese geografische Vorstellung ist es, die meiner Meinung nach anderen Welten, wie z.B. einer Serie wie „The Witcher“ fehlen. Ebenfalls kurz hervorzuheben ist natürlich der Soundtrack von Howard Shore, der die gesamte Trilogie sowie die Hobbit-Filme hervorragend begleitet. Am besten gefällt mir ganz klar das Rohan-Theme.

Mit einem erwachseneren Blick und aus heutiger Perspektive fielen mir inhaltlich negativ lediglich die veralteten Frauenrollen und die stellenweise bedenkliche Interpretation der Völker auf. Es ist nichts, was ich den Filmen grundsätzlich negativ auslegen würde (hier wäre wohl eher die Buchvorlage zu kritisieren), aber ich doch als diskussionswürdig erachte und bei alldem Lob, welches die Filme über Jahre erhalten haben, untergegangen zu sein scheint.

Es ist nicht nur erstaunlich, wie die Rollen der Frauen ausgelegt sind, sondern allein die Tatsache, wie wenig es von ihnen in drei Filmen á 12 Stunden gibt. Es existieren eigentlich nur Arwen und Eowyn (als Randnotiz noch Galadriel), die die meiste Screentime über an Aragorn denken und um ihn weinen. In Anbetracht der riesigen Besetzung ist das schon bemerkenswert. Zumindest hier wäre es schwierig, Peter Jackson große Vorwürfe zu machen, weil Tolkiens Werk diese grundlegende Tatsache vorausgesetzt hat. Gut, man hätte vielleicht einfach mehr Frauen casten können (der Krieg wird laut Rohan immerhin auch als alleinige Aufgabe der Männer festgelegt, was man hätte ändern können; oder auch die Besonderheit, dass die Könige Rohans und Gondors komischerweise allein regieren und nicht mal Frauen an ihrer Seite haben usw.). Als einziger Moment ist hier die Tötung des Hexenkönigs durch Eowyn zu nennen, der noch stärker wirken würde, wenn sie sich nach Aragorns Abfuhr nicht gleich in Faramir verguckt hätte.

Noch auffälliger fand ich allerdings die Interpretation der Völker. Hier verfällt Peter Jackson doch in einen sichtbaren Orientalismus, der meinem Empfinden nach filmisch nicht exakt hätte umgesetzt werden müssen, auch wenn es die Vorlage so skizziert. Die Menschen des Westens kämpfen gegen das Böse im Osten, der von den Stämmen des Südens unterstützt wird. Dabei ist Rohan ganz klar nordisch/skandinavisch geprägt, während Gondor zumindest westeuropäisch wirkt. Und aus dem bösen Süden kommen dann natürlich orientalisch aussehende Menschen auf Elefanten, ja man könnte auch von Persern sprechen. Einen innewohnenden Rassismus würde ich den Filmen oder der Vorlage deswegen nicht vorwerfen, aber es ist erstaunlich, wie unkritisch/naiv Peter Jackson diese Bilder übernommen hat.

Der Herr der Ringe© Warner Bros.

Das alles nimmt den „Der Herr der Ringe“-Filmen allerdings nichts von ihrer spektakulären Inszenierung, mitreißenden Geschichte und der hochinteressanten Welt sowie den spannenden Motiven. Daher bleibt die Trilogie auch in 4K ein Werk für die Ewigkeit. 9 Punkte für jeden Film und für die Trilogie.

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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