Spider-Man: Across the Spider-Verse – Kritik und Review

Spider-Man: Across the Spider-Verse© Sony Pictures

„Spider-Man: Across the Spider-Verse“ ist der Empire Strikes Back aller Spider-Man-Filme. Einen solchen Vergleich würde ich niemals leichtfertig ziehen. Aber bei der Fortsetzung zu „Into the Spider-Verse“ ist es tatsächlich angebracht. Denn diesem Film gelingt es auf herausragende Art und Weise, die Geschichte von Miles Morales fortzuführen und dabei eine gleichsam größere, wie auch um ein Vielfaches dramatischere, spannendere und wendungsreichere Handlung zu erzählen, welche das Erstwerk um viele brillante Facetten erweitert und ausbaut.

„Into the Spider-Verse“ stellte vor viereinhalb Jahren einen Überraschungshit dar, der zwar an den Kinokassen nur durchschnittlich lief, aber von Kritikern und Zuschauern gleichermaßen überaus positiv rezipiert wurde; so weit, dass er regelmäßig als der beste Spider-Man-Film aller Zeiten in den Himmel gelobt wird. Selbst mir als großer Fan von Spider-Man war das manchmal zu viel des Guten, weshalb ich in „Into the Spider-Verse“ zwar einen sehr guten Film sehe, ihn aber auch gleichzeitig für überschätzt halte. Hier und da doch zu referenziell, hin und wieder doch mehr Fan-Service als auf eigenen Beinen stehend und vorne und hinten doch ein bisschen zu einfältig erzählt.

Obgleich der Sorge, dass es sich nun bei „Across the Spider-Verse“ erstmal nur um Part I handeln würde, bin ich sehr zuversichtlich und voller Vorfreude in diesen Film gegangen. Ich wurde nicht enttäuscht. Nein, ich würde sogar so weit gehen, dass es sich um eine der besten Comicverfilmungen aller Zeiten handelt und diese dreiteilige Filmreihe nächstes Jahr als die mit Abstand beste Trilogie in die Kinogeschichte eingehen könnte. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt aus dem Kino gekommen bin und so geflasht sowie positiv überrascht war. Alle Erwartungen, die man hat oder hätte haben können, toppt „Across the Spider-Verse“ mit Leichtigkeit. Alles, was man glaubt zu wissen oder bereits gesehen zu haben, übertrifft dieser Film nochmal.

Ob es bei jener Lobeshymne bleibt, entscheidet sich allerdings erst mit Part II, welcher im nächsten Jahr erscheint. Denn das ist kaum genug zu betonen, hierbei handelt es sich definitiv um den ersten Teil einer zweigeteilten Geschichte. Das jedoch auf gute Weise, denn „Across the Spider-Verse“ erzählt eine eigenständige Geschichte, die nicht nur als reine Vorbereitung für einen actiongeladenen zweiten Teil dient. Dieser Film steckt voller Charakterentwicklung, Hintergründe und wegweisende Wendungen. Neben der wieder hervorragenden Inszenierung fährt der Film handlungstechnisch einen Höhepunkt und eine Wendung nach der anderen auf.

Die Geschichte vertieft Miles, sie vertieft Gwen, sie stellt alle Figuren vor ganz zentrale Herausforderungen und Dilemma, welche jeden zutiefst betreffen und zugleich den Spider-Man-Mythos auf eine ganz neue Ebene heben und ergründen. Darin verwickelt ist eine Multiversen-Geschichte, die mit allen bisherigen Anwärtern rund um „Doctor Strange 2“ oder „Everything Everywhere all at Once“ den Boden aufwischt. Nie waren Welten und Charaktere so divers, kreativ und einzigartig. Nie hat das Konzept alle Figuren so entscheidend beeinflusst und geprägt. Nie wurden Themen wie Schicksal, Selbstbestimmung und was es heißt Spider-Man zu sein auf so clevere Weise verhandelt.

Verpackt wird das Ganze erneut in einen Animationsstil, der jede Konkurrenz nur wie lächerliche Amateure aussehen lässt. Ich kann dieses glattgebügelten und langweiligen Einheitsbrei aller Disney-, Pixar- und Dreamworks-Produktionen nicht mehr sehen. „Spider-Verse“ ist wie eine Erleuchtung. In der Fortsetzung nochmal schriller, nochmal farbenfroher, nochmal verspielter. Und das auch noch auf Grundlage des halben Budgets. Ich hoffe, diese Filmreihe setzt einen Denkanstoß in der Branche, was Animation alles sein kann.

„Across the Spider-Verse“ ist darüber hinaus auch noch ein Vorbild dafür, wie man geschickt Fan-Service und Referenzen einsetzt und macht das sogar über weite Strecken besser als der direkte Vorgänger. Dieser Film hätte in so einige Fettnäpfchen treten können und als ich die hunderten Spider-Men im Trailer gesehen habe, wurden eher meine schlimmsten Befürchtungen statt Vorfreude geweckt.

Zu meiner Überraschung jedoch nutzt kaum ein Film diesen Fan-Service besser als „Across the Spider-Verse“. Bis auf seltene Ausnahmen habe ich Referenzen und Cameos noch nie so hervorragend integriert gesehen, sogar so gut, dass sie eine tiefe emotionale Reaktion ausgelöst haben, anstatt nur auf billige, hohle Gags zu setzen. Der Film ist in wenigen Sekunden erfolgreich darin, woran „No Way Home“ über zweieinhalb Stunden hinweg gescheitert ist.

Wenn ich eine Sache kritisieren müsste, dann wäre es die lange Laufzeit und wofür der Film diese ab und zu verwendet. Zwar existieren keine schlechten Szenen in „Across the Spider-Verse“, aber man merkt an einigen Stellen, dass der Film vor Figuren und Handlungssträngen nur so strotzt. Das ist zu Beginn zu spüren, da die Geschichte locker 45 Minuten benötigt, um überhaupt zum Status Quo zu gelangen, an dem uns der letzte Teil entlassen hat (als sich über Miles im Bett liegend das Portal mit Gwens Stimme öffnet).

Zudem fühlt sich der Film genötigt relativ viel noch einmal zu erklären und traut dem Zuschauer nicht zu, dass dieser doch bestimmt einfach Teil 1 gesehen hat. An der Stelle vermisst er die Genialität von Star Wars, der den Zuschauer jedes Mal mitten in die Handlung stößt ohne Rücksicht auf Verluste. Ähnlich verhält es sich gegen Ende, wo dem Film die Punktlandung zum perfekten Cliffhanger nicht ganz gelingen möchte bzw. der Film sich selbst nicht sicher zu sein scheint, wann und wo denn nun der Übergang zu Part II gelegt wird.

Spider-Man: Across the Spider-Verse© Sony Pictures

Fazit: „Across the Spider-Verse“ ist ein genialer Film, der zu den besten Fortsetzungen aller Zeiten zählen wird. Über alldem schwebt jetzt nur noch Part II, der das Ganze ins Ziel bringen muss. Das Großartige an der Geschichte ist, dass die aufgeworfenen Fragen und Dilemma derart weitreichend sind, sodass ich keine Ahnung habe, in welche Richtung sie es auflösen werden. Einerseits ist das genial, andererseits habe ich große Sorgen davor.

9.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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