„Guardians of the Galaxy Vol. 3“ ist für mich das, was „Avengers: Endgame“ gerne gewesen wäre – ein (nahezu) perfekter Abschluss für das alte Marvel Cinematic Universe. Ein Schlussstrich könnte man sagen, für die Charaktere, welche ich über Jahre im Kino begleitet habe und für mich, der das MCU über Jahre begleitet hat. Nach dem weitestgehend gescheiterten Abschluss für die alte Avengers-Garde, blieben nur noch die Guardians übrig, welche vor neun Jahren eingeführt wurden.
„Guardians of the Galaxy“ (2014) ist unbestritten einer der Top-5-Filme des gesamten MCUs. Was Regisseur James Gunn dort damals vollbracht hat, ist bis heute ein einmaliger Erfolg. Auch ihm selbst gelang es nicht mehr dies zu reproduzieren, nicht mit der Fortsetzung und nicht mit „The Suicide Squad“. Der dritte und abschließende Teil der Reihe kommt aber zum Glück wieder sehr nahe heran. Mit „Vol. 3“ findet Gunn zu alter Stärke zurück und beschenkt das MCU und seine Fans mit einem letzten, kleinen Geniestreich.
Was den ersten Guardians-Film für mich ausgezeichnet hat, war die herausragende Kombination aus humorvollen und emotionalen/ernsten Momenten. Das, woran das MCU an anderer Stelle immer so oft gescheitert ist, das ist James Gunn in einer Eleganz und Balance gelungen, wie es nur selten reproduziert werden konnte.
„Vol. 2“ ist eine gute Fortsetzung, ist für mich aber bis heute darin erfolglos geblieben, dass die witzigen Szenen nicht mehr so gut funktioniert haben; in Form vom plötzlich hyperaktiven Drax und der nervigen Mantis sogar stellenweise affig und albern wirkten. Zudem hat der Verlust von Yondu bei mir nie so gezündet, wie es sich der Film gewünscht hat. Es fehlte der nötige Aufbau und die väterlichen Gefühle, die Peter Quill und ihn angeblich so stark verbunden haben. Mehr als Behauptung war das eigentlich emotional gedachte Ende deswegen nicht.
„Vol. 3“ bringt nun die vermissten Stärken und Elemente des ersten Teils zurück. Schon mit dem Holiday-Special hatte sich angekündigt, dass James Gunn womöglich doch nicht die Luft ausgegangen ist. Die dort fokussierten Charaktere in Form von Mantis und Drax waren tatsächlich lustig. Und die charaktergetriebenen Momente funktionierten und fügten sich organisch in die Gesamthandlung ein. Das setzt der Film nahtlos fort. Dieser dritte Teil ist bei weitem nicht der lustigste unter den Dreien, aber die Frotzeleien und leichten Dialoge der Guardians untereinander funktionieren endlich wieder deutlich besser. Da ist mir eine niedrigere Schlagzahl lieber, als fünf von zehn Rohrkrepierer wie noch in „Vol. 2“.
Aber der Fokus dieses Films sind definitiv die gefühlvollen Sequenzen der Geschichte und davon besitzt „Vol. 3“ ein Vielfaches. Dabei im Zentrum steht dieses Mal Rocket Raccoon, der eine tief berührende und zugleich düstere Geschichte von James Gunn spendiert bekommt. Hier wechseln sich dunkle und bedrückende mit brutalen und für manchen womöglich kaum auszuhaltende Szenen ab. Die Handlung von Rocket ist das Herzstück dieses Films und lässt rasch über andere Kleinigkeiten hinwegsehen. Mir standen mehrfach die Tränen in den Augen.
Aber es ist nicht nur er, auch die anderen Guardians erhalten fast alle einen runden Charakterbogen, der ihnen Raum für Entwicklung lässt und das Abenteuer dieser Figuren überaus zufriedenstellend abschließt. Das war den Core-Avengern nie vergönnt. Denn James Gunn gelingt wirklich ein Abschluss dieser Reihe, dieses Teams. Klar, die Hintertür bleibt immer offen und letztlich gehören die Figurenrechte Kevin Feige und Disney und nicht Gunn (er behauptet zumindest, das sei das Ende der Guardians, wie wir sie kennen und er wird als Regisseur nicht zurückkehren). Aber es ist zumindest keine dreistündige Heuchelei, bei der am Ende bis auf zwei Figuren alle weiterleben dürfen und gleich ihren nächsten Film vorbereitet bekommen, wie in „Avengers: Dabgame“.
James Gunn erinnert einen ebenso daran, dass er einer der wenigen ist, die im MCU kreative Freiheit genossen haben. Er kann nicht nur inszenieren, sondern steuert auch sein eigenes, kompetent geschriebenes Skript bei. Sam Raimis „Doctor Strange 2“ war handwerklich erfrischend, aber skripttechnisch wurde ihm leider eine halbgare Geschichte vorgesetzt. Und bei Taika Waititi werde ich mich ewig fragen, wie sehr man einen Film wie „Thor 4“ gegen die Wand fahren kann, wenn man inszenatorisch und inhaltlich (zumindest dem Anschein nach) alle Freiheiten hat. Und dann sollten natürlich noch die Russo-Brüder dagegengestellt werden, die seit „Endgame“ einen inhaltlichen Flop nach dem anderen abliefern oder mitproduzieren.
Wenn man Guardians 3 mit den beiden vergleicht, dann ist das fast eine Offenbarung. Es gibt eine herausragende One-Take-Action-Sequenz, in der alle Guardians gemeinsam kämpfen und glänzen können. Es ist wie Balsam auf die Seele, dass mir „Vol. 3“ wenigstens so ein cooles Finale für diese geliebten Charaktere schenkt, während ich bei „Endgame“ nur geschockt dasaß und meinen Augen angesichts dieser Frechheit nicht glauben konnte. James Gunn gibt mir den Frieden, den ich in diesem Kino-Franchise so lange gesucht habe. Wenigstens dieses Ende ist ein Erfolg und ein Schlussstrich kann in Einklang gezogen werden.
In einigen Kritiken habe ich immer wieder den Vorwurf vernommen, an „Vol. 3“ sei zu kritisieren, dass er zu „messy“, vollgestopft mit Handlungselementen und nicht wirklich ein runder Film sei. Diese Einschätzung kann ich kaum nachvollziehen, denn trotz viel Handlung und vieler Figuren gelingt es dem Film sehr gut über eine Laufzeit von zweieinhalb Stunden jeder Figur genug Platz einzuräumen und ihnen ihre eigenen Momente zu geben. Rocket ist dabei natürlich das Zentrum und bekommt am meisten Fleisch. Aber auch Nebula, Quill, Gamora, Mantis und Drax haben alle ihren Arc, wodurch sich der finale Teil viel runder und abgeschlossener anfühlt, als so manch anderer Schlussteil.
Einziger größerer Kritikpunkt für mich ist der Umgang und die Integrierung von Adam Warlock. Ich habe kein Problem mit seiner Rolle und wie er von James Gunn dargestellt wird, auch wenn der ein oder andere Fan da sicherlich enttäuscht sein dürfte. Der Umgang mit ihm erinnert tatsächlich ein wenig an viele jüngere MCU-Filme, in denen eigentlich auf dem Papier coole Antagonisten wie Taskmaster, Modok oder eben Adam Warlock eingeführt werden und sie dann am Ende ein wenig verschwendet wirken; als hätte man die Figur lieber gar nicht erst angerührt. Da ich zu Adam Warlock keine emotionale Verknüpfung habe, sehen ich es nicht so eng, verstehe aber, wenn man die epische Vorlage aus den Infinity-War-Comics vor Augen hat und dann enttäuscht wird.
Denn in „Vol. 3“ wirkt er tatsächlich überflüssig. Als hätte Gunn einen schönen ersten Draft über Rocket und alle seine Freunde geschrieben und dann bemerkt hat, „verdammt, am Ende vom letzten Teil habe ich ja noch diesen Typen angekündigt.“ Zumindest im letzten Akt des Films hätte ich mir für ihn eine deutlich größere Rolle gewünscht, denn trotz vorhandener Motivation, z. B. für oder gegen den Antagonisten High Evolutionary zu handeln, passiert da am Ende viel zu wenig. Und das liegt nicht daran, weil der Film eben zu kurz ist oder nicht mehr Handlung hineingepasst hätte, sondern weil die Vorarbeit einfach ungenutzt bleibt, die der Film zuvor selbst betrieben hat.
Deswegen ist „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ eben nur fast der perfekte Abschluss. Oder anders formuliert: der perfekte Abschluss für die Guardians in einem Film mit einigen wenigen Schwächen. Denn auch an den ersten Film der Trilogie kommt dieser Teil nicht ganz heran, dafür fehlt ihm einfach die Frische und Leichtfüßigkeit in der Umsetzung. Aber das musste „Vol. 3“ auch nicht erreichen. Stattdessen ist James Gunn ein eher metaphorisches Ende gelungen, ein gelungenes Ende für das MCU, das es einst war; für die Charaktere, in die wir uns einst verliebt haben; für das Abenteuer, auf das wir uns damals gemeinsam begeben haben. „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ ist ein Schlussstrich, zumindest für mich.
8.0 von 10.0
Die Kritik im Original auf Moviepilot