Weathering With You

Weathering With You© CoMix Wave Films

„Weathering with you“ ist wohl bereits im Voraus der schwierigste Film für Regisseur Makoto Shinkai gewesen, der vor knapp drei Jahren seinen großen Durchbruch mit „Your Name.“ feiern konnte. „Your Name.“ war ein weltweites Phänomen, welches mit seiner Geschichte, dem Soundtrack und seiner visuellen Pracht eine riesige Gemeinschaft verzauberte.

Shinkai war diese plötzliche Prominenz sichtlich unangenehm; er distanzierte sich sogar vom enormen Erfolg des Films, schließlich sei „Your Name.“ gar nicht so gut gewesen. Nun kommt mit „Weathering with you“ das nächste ersehnte Werk von ihm. Anders sollte er sein, kein „Your Name. 2.0“ und nach den ersten Kritiken, die seit einem halben Jahr im Netz kursieren, scheinbar auch etwas schwächer als der direkte Vorgänger. Mit diesen Erwartungen sollte man und bin ich in diesen Film gegangen: „Weathering with you“ ist einer der schwächsten Filme von Makoto Shinkai seit langer Zeit.

Diesen Anime-Film plagen so einige Probleme. Das mitunter größte davon betrifft die Dramaturgie der Geschichte, die weder optimal ausbalanciert ist, noch in der kurzen Laufzeit ausreichend ist, um den Charakteren einen befriedigenden Ausgang auf der gleichen emotionalen Höhe, wie in früheren Filmen zu schenken. Dieses mangelnde Gespür macht sich auch dadurch bemerkbar, dass „Weathering with you“ sogar fünf Minuten länger als „Your Name.“ ist und es dennoch nicht vermag die Handlung in der Weise auszuformulieren, wie es der Vorgänger in weniger Zeit geschafft hat und dabei dramaturgisch bedeutend runder war.

Artikulieren lassen sich diese Defizite direkt zu Beginn. Die Geschichte benötigt viel zu lange, um Fahrt aufzunehmen und tatsächlich in die Handlung einzusteigen. Die ersten knapp 20 Minuten sind zu langatmig, die Protagonistin Hina wird zu spät in das Konstrukt integriert und zusammen mit Ausreißer Hodaka bleibt den beiden zu wenig Zeit, um eine tiefgründige, glaubhafte Beziehung zueinander aufzubauen. Das Finale wirkt deswegen leider gehetzt, die emotionalen Entscheidungen der Figuren wirken verkürzt und der gesamte Payoff der Handlung ist mehr forciert, als natürlich in die Geschichte integriert zu sein.

Insgesamt ist „Weathering with you“ generell überraschend konventionell geschrieben. Es gibt keine Wendungen oder keine tieferen erzählerischen Experimente. Die Geschichte ist geradewegs von A nach B erzählt. Das Ganze ist im Vergleich zu „Your Name.“ dann eben schon ein Rückschritt, da die Erzählung zu klassisch und eintönig geraten ist. Das Genre „Anime“ kann mehr, Shinkai kann mehr und das hat er erst vor wenigen Jahren bewiesen.

„Your Name.“ konnte trotz der leicht verständlichen Geschichte zum Nachdenken anregen und war in seinen Botschaften deutlich tiefgründiger. Das Abenteuer von Mitsuha und Taki hatte mehr Bedeutung. Es gab mehr Subtext unter den einfachen Botschaften. Demgegenüber ist „Weathering with you“ leider viel zu konventionell und einfach auserzählt. Dagegen wäre grundsätzlich auch nichts einzuwenden, wenn die Erzählung dramaturgisch nicht so dürftig gelöst wäre.

Das betrifft damit einhergehend eben genauso die mythologische Tiefe. Obgleich sich Shinkai auch hier bemüht, bleibt der Ansatz oberflächlicher und uninteressanter. Davon abgesehen, dass es der Film kaum schafft den mythologischen Kern ausführlich zu erzählen und damit gut in die Geschichte zu integrieren, besitzt die Mythologie einen wesentlich ausgeprägteren Märchen- und Fantasycharakter. Auch hier ist Shinkais Vorgängerfilm schlicht überlegen, da er es schafft die Mythologie bedeutungsvoller sowie logischer zu integrieren. Sie hatte fast schon eine pseudowissenschaftliche Fundiertheit, die sich im Zusammenhang mit dem japanischen Glauben gut in eine ausgedachte Geschichte vereinen ließ.

Im Gegensatz dazu wirkt der neue Versuch in „Weathering with you“ einfach nur noch erfunden und hält wissenschaftlich zu keinem Zeitpunkt mehr Stand. Beide mythologische Konzepte mögen in Japan so existieren und dennoch bot dasjenige aus „Your Name.“ eine deutlich glaubhaftere, differenziertere philosophische Tiefe, die sich sogar selbst heutzutage noch irgendwie mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten vereinbaren lässt, eben genau die richtige „suspension of disbelief“ schafft, die natürlich rein erdacht ist, aber doch eine glaubhaft, möglicherweise existierende Variante präsentiert. Die Zeitreise ist physikalisch eben nur schwerlich definiert; das Wetter ist dagegen einfach durchweg erforscht und in seiner Erscheinung bewiesen.

Wenn „Weathering with you“ spezifische Beats aus dem Vorgänger setzen möchte, fallen diese leider ebenfalls zurück. Das gilt zum einen für die erwähnte Mythologie, zum anderen für die Inszenierung. Gleich zu Beginn wartet man zwar vergeblich auf eine eröffnende, musikalische Montage der Geschichte, später folgen dann aber doch die zu erwartenden Montagen, welche durch den Soundtrack von Radwimps überlagert werden. Ähnliches erfolgt am Ende, wenn der Film noch einmal zur musikalischen sowie inszenatorischen Höchstform aufläuft.

Auf gleiche mitreißende Weise wie in „Your Name.“ sitzen diese jedoch nicht. Das hängt einmal mehr mit der schwachen Dramaturgie zusammen, die nicht den nötigen Aufbau bietet, damit sich das Finale vollständig entfalten kann. Generell muss man auch hier wieder konstatieren, dass der Soundtrack zusammengenommen hinter den „Your Name.“-Score zurückfällt, wenn auch nur leicht. Ich habe mir die Stücke bereits Monate im Vorfeld angehört und da wirkten sie durchaus ebenbürtig und wirklich gut. Angewendet auf den fertigen Film ergibt sich nun ein Ungleichgewicht und Shinkai schafft es nicht die inszenatorischen Höhepunkte ausbalanciert zu setzen.

In der ersten Hälfte des Films läuft gefühlt fast gar keine Musik; im Finale haut uns „Weathering with you“ dann jedoch gleich alle drei großartigen Songs hintereinander um die Ohren. Das macht Spaß, keine Frage, und lässt den Endspurt der Handlung zum Besten des gesamten Films werden. Dennoch hätte man das einfach besser aufteilen können. Abgesehen von den 3-4 starken Stücken des Soundtracks kann Radwimps dann auch nicht mehr allzu viel bieten. „Your Name.“ besaß abseits von den gesungenen Einlagen zusätzliche tolle Einzelstücke, vor allem natürlich Katawaredoki.

Dennoch ist das in der Gesamtheit natürlich Meckern auf hohem Niveau. Der Soundtrack ist sehr gut. Das Finale der Geschichte, wie schon erwähnt, ist sehr schön in Szene gesetzt und bietet einen fantastischen Höhepunkt nach dem anderen. Und obgleich aller Kritikpunkte, die ich mit dem Aufbau der Handlung habe, muss man Shinkai zugestehen, dass er zumindest halbwegs konsequent bleibt. Für das Ende des Films müssen durchaus Opfer erbracht werden und das ist in seiner Konsequenz sehr angenehm. Ebenso zu erwähnen ist der Humor von „Weathering with you“. Dieser ist einmal mehr auf den Punkt und ist wohl mit das einzige, was der Film tatsächlich besser als „Your Name.“ macht. Ich konnte an 4-5 Stellen wirklich sehr gut lachen.

Zu guter Letzt darf natürlich die Optik des Films nicht unerwähnt bleiben. Im Jahre 2016 hat Shinkai dahingehend tatsächlich einen neuen Standard gesetzt, da „Your Name.“ einfach nur großartig aussah. „Weathering with you“ besitzt nun auch wieder diesen Stil und die Trailer ließen bereits erahnen, dass uns hier eine ähnliche visuelle Pracht erwartet. Mit Blick auf den gesamten Film bleibt er hierbei leider ebenfalls hinter seinem unmittelbaren Vorgänger zurück.

Shinkai hat sich wirklich keinen Gefallen damit getan gefühlt 80 % der Laufzeit im Regen und somit im Grauen stattfinden zu lassen. Das Farbenspiel und das Szenenbild sind im Vergleich deutlich reduziert. Da helfen dann auch nicht mehr die Momente der Sonne, die in ihrer Erscheinung keinen grundlegenden offenbarenden Kontrast erreichen. Man kann die ganze Szenerie jetzt natürlich symbolisch begründen und die Gründe dafür mit der Ausrichtung sowie der Vision der Geschichte rechtfertigen. Alles in allem bleibt der Film trotzdem hinter seinen visuellen Möglichkeiten zurück und wirkt fast schon wie ein Rückschritt. Schade.

Weathering With You© CoMix Wave Films

Fazit: „Weathering with you“ ist keine Enttäuschung auf ganzer Linie, bringt allerdings so einige Probleme mit sich. Da wirkt die Punktedifferenz zum Vorgänger (9 Punkte) dann auch heftiger, als ich die beiden Filme im direkten Vergleich eigentlich sehen würde. Der Vergleich mit „Your Name.“ ist natürlich zwangsläufig und dem muss sich Makoto Shinkai einfach stellen. Man kann ihm zumindest zugutehalten, dass er dieses Mal etwas leicht anderes gemacht hat und eben (trotz einiger nicht zu leugnenden Beats) nicht „Your Name. Teil II“.

Die Alternative dazu ist eine weniger spannende und tiefgründigere Geschichte. Sie ist sehr klassisch gehalten, ohne Risiken oder dem Drang großen Mut zu zeigen. Das übliche Thema von Shinkai, nämlich das der „Distanz“, zieht sich dieses Mal ebenfalls nicht mehr durch den Film. Shinkai bietet alternativ dazu jedoch einfach nichts Neues, Interessantes an. Stattdessen ist „Weathering with you“ eine schlichte Liebesgeschichte mit starkem Märchencharakter und das ist aufgrund der früheren Werke etwas schade. Ein kritischer Blick auf den Klimawandel, den manche Leute dem Film offenbar zugeschrieben haben, ergibt sich ebenso wenig, obwohl die Prämisse von „Weathering with you“ dies durchaus hergegeben hätte.

6.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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