WandaVision

WandaVision© Disney

Das MCU ist mit „WandaVision“ zurück. Für die meisten Zuschauer ist die mindestens anderthalbjährige Pause seit dem letzten Kinofilm vorbei, für mich hingegen ist es die fast dreijährige Qualitätspause seit „Infinity War“. Mit dem MCU habe ich lange abgeschlossen. Die letzten Filme habe mich so enttäuscht, allen voran „Endgame“, sodass sich Marvel diesen erzwungenen Stillstand mehr als verdient hatte. Ich gehe mit keinerlei Erwartungen mehr in diese Filme (und Serien). Aber diese ganze Kombination kam „WandaVision“ wahrscheinlich zugute. Die erste Disney+ Serie ist der erste gute Eintrag des MCUs seit Jahren und das hat mehrere Gründe.

Da wäre zuallererst die eindeutige und klar formulierte Inspirationsquelle zu nennen: „WandaVision“ orientiert sich an den Sitcom-Epochen, ausgehend von den 50er Jahren bis in die Gegenwart. Und dabei bleibt es nicht nur bei einem wöchentlichen Imitieren der sich jeweils wandelnden Stile der 60er, 70er und 80er Jahre, sondern an der Umsetzung sowie Auflösung des Ganzen. Die Regisseure und Autoren wissen wirklich, was sie tun und setzen die Epochen nicht nur detailgetreu um, sondern spielen auch immer wieder mit Wandas Psyche, sobald die konstruierte Realität bröckelt.

Eine Marvel-Produktion hatte selten eine schönere und klarere Bildsprache. Und genau das fehlte den Filmen. Deswegen ist die Serie nicht genial oder erfindet etwas neu. Umso weiter die Handlung voranschreitet, umso stärker bricht die Serie aus diesem Konzept aus und landet letztlich, so könnte man kritisieren, wieder bei der bekannten Superhelden-Action. Aber diese Abstecher zu „The Dick Van Dyke Show”, „Bewitched”, „The Brady Bunch”, „Full House”, „Malcolm in the Middle” oder „The Office” waren tatsächlich mal etwas sehr Erfrischendes.

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Durch die Freiheiten des Streaming Dienstes Disney+, ohne Quoten- oder Box-Office-Druck, darf das MCU auch mal anders sein und sich kreativ ausleben. „WandaVision“ ist einer der wenigen Vertreter, der nicht den üblichen Formeln folgt (zumindest größtenteils). Das liegt einerseits an den Hauptcharakteren, aber viel mehr am Serienformat und der Plattform. Für das Kino bestimmt hätte diese Geschichte sicherlich niemals die erste Hälfte der Laufzeit mit Sitcom-Themen „langweilen“ dürfen.

Außerdem darf sich das MCU nach langer Zeit mal wieder ernst nehmen. Wenn das Blockbuster-Kino an einem erkrankt ist, dann an der ewigen Humor-Formel, die sich gefühlt alle großen Franchises aufgrund von Marvels Erfolg angeeignet haben. Das führte zur irreführenden Schlussfolgerung, dass wenn die Avengers nicht alle fünf Minuten dabben, Fortnite spielen oder mit einem nervigen bedudelnden 70er Jahre Song für Ohrenkrebs sorgen, das Publikum einschläft. „WandaVision“ ist nicht bierernst oder düster oder völlig humorbefreit, aber endlich fühlte ich mich als Zuschauer wieder ernst genommen; die Charaktere fühlten sich ernst genommen; die Geschichte erlangt wieder eine Bedeutung und verkrampfte sich nicht in der Annahme, dass „Superhelden“ sowieso alles alberne und unrealistische Witzfiguren seien.

Der letzte entscheidende Aspekt von „WandaVision“ ist aber der wichtigste: Eine gute Geschichte. Von Woche zu Woche weiß diese Serie einfach genau die richtige Mischung aus Mystery, Spannung, Aufregung und allgemeinem Fortschritt zu finden. Jede Woche wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht. Wanda und Vision erhalten als interessante Nebencharakter – für die sich die Filme nie vernünftig Zeit nehmen konnte – endlich ihre verdiente Aufmerksamkeit und werden, speziell Wanda natürlich, sehr umfangreich charakterisiert, beleuchtet und vorangebracht.

Wenn das Konzept der Sitcoms redundant zu werden scheint, dann öffnet sich die Geschichte; wenn die Handlung allmählich droht eintönig und gestreckt zu werden, dann wird ein spannender Charakter oder Twist eingeführt; und wenn all das zu einem spannenden sowie gelungenen Aufbau führt, dann belohnt sich die Serie auch mit einem actionreichen Finale, welches sich die Geschichte einfach verdient hat.

WandaVision© Disney

„WandaVision“ ist kein Meisterwerk oder revolutioniert das eingefahrene, träge MCU. Aber wenn Marvel auf Disney+ mit dieser Art von Geschichten, diesem Budget und Produktionswert, und der Freude am Ausprobieren neuer kreativer, experimenteller Stile weitermacht, dann könnte dieses Format in Zukunft deutlich spannender als die Filme werden. Diese neun Episoden „WandaVision“ sind in allen Belangen ein Gewinn für Disney+ und das MCU.

7.5 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

2 Antworten auf „WandaVision“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung