Türkisch für Anfänger (Serie + Film) – Kritik und Review

Türkisch für Anfänger© Universum Film / Constantin

Kurz nach Ostern habe ich eine Serie und einen Film mit demselben Namen gesehen: Die Serie „Türkisch für Anfänger“ lief zwischen 2006 und 2008 im deutschen Fernsehen, ehe ihr Erfolg im Jahr 2012 den gleichnamigen Kinofilm nach sich zog.

Türkisch für Anfänger (die Serie)

„Türkisch für Anfänger“ ist wie eine kleine Zeitkapsel für mich. Als Kind war das vermutlich eine meiner ersten Live-Action-Serien, die ich mit der Familie von Anfang bis Ende mitverfolgt habe. Nach fast zwanzig Jahren habe ich sie mir wieder angesehen und ich hätte nicht gedacht, dass mich die Serie so nostalgisch erwischt.

Obwohl es komisch klingen mag, ist die Serie aus heutiger Sicht ein Zeitdokument darüber, wie das Leben damals war. Trotz kaum wahrnehmbarer optischer Veränderungen (modische Entwicklung: Fehlanzeige). Und das macht die Serie dann auch schon wieder so zeitlos. Denn bis auf einige technische Umstellungen könnte die Serie auch heutzutage spielen – Smartphone statt Camcorder, Flatscreen statt Röhrenfernseher, Social-Media statt Chatforum.

Dabei handelt es sich im Grunde nur um eine Sitcom/Soap, die von Folge zu Folge eine absurde Situation nach der anderen kreiert und ein Missverständnis übers Nächste stapelt. Aber die Prämisse und die darin verankerten Figuren sind dabei so lustig, überspitzt und klischeehaft geschrieben, sodass „Türkisch für Anfänger“ unverkennbar und einzigartig bleibt. Daher wundert es mich nicht, dass die Serie auch noch später bei vielen Jüngeren Anknüpfungspunkte gefunden hat, welche für die Erstausstrahlung noch zu klein waren.

Die Beziehung zwischen Lena und Cem war auf ihre skurrile Art außergewöhnlich. Auf der einen Seite das clevere, selbstbewusste, freche deutsche Mädchen gespielt von Josefine Preuß (in die sich vermutlich nicht nur ich damals verguckt habe) und auf der anderen Seite der ungehobelte, etwas dämliche, gutaussehende türkische Junge gespielt von Elyas M’Barek. Viele gemeinsame Szenen und gegenseitige Sprüche sind dabei zu kleinen Klassikern in meiner Jugend geworden (Chief 1).

Mit ihren kurzweilige 12 Folgen bleibt die erste Staffel für mich knapp die Beste. Auch wenn sich die beiden Protagonisten mit Blick auf die gesamte Serie zu schnell ineinander verlieben. Die zweite Staffel kommt mit ihren 24 Folgen nicht drumherum repetitiv zu wirken. Viele Handlungsfäden werden stark gestreckt und bewegen sich doch spürbar im Kreis, wenn sich ein Missverständnis ans nächste Missverständnis reiht.

Man könnte meinen, dass die ARD aufgrund des riesigen Erfolgs damals die doppelte Anzahl an Folgen beauftragt hat. Aber tatsächlich blieb die erste Staffel hinsichtlich ihrer Zuschauerzahlen hinter den Erwartungen zurück. Nur die durchschlagend positiven Rückmeldungen der Zuschauer sorgten für die Freigabe einer weiteren Staffel.

Als geheime Stärke stellt sich dafür die Beziehung zwischen dem zunächst unscheinbaren, stotternden Costa und der prüden, strenggläubigen Yağmur heraus. Ich glaube, im Nachhinein stellte Costa für viele eine Identifikationsfigur dar, weil er eben nicht der gutgebaute Schönling war, sondern der missverstandene Außenseiter, der blöd angeschaut wird und den keiner ernst nimmt.

Die dritte Staffel kommt meiner Einschätzung nach nicht so gut an wie die ersten beiden, allerdings zu Unrecht. Während die zweite Staffel einfach nur an das Erfolgsrezept anknüpfte, haben sich die Autoren bei der letzten Staffel nochmal Neues einfallen lassen (und verkürzen zudem das Ganze auf 16 Folgen). Durch einen größeren Zeitsprung wird die Serie zu neuen Ideen gezwungen, wodurch sich manche Figurenkonstellationen ändern. Zwar kommt der Serie dabei ein wenig das Unschuldige abhanden, aber ihnen gelingt ein größtenteils runder Abschluss.

Auch wenn es typisch für eine Soap ist, immer neue Probleme zu erschaffen und weiterzuspinnen, um dann fast aus dem Nichts Lösungen herbeizuzaubern, endet „Türkisch für Anfänger“ sicherlich abrupt. Schade ist es, dass insbesondere Cem nie eine richtige Charakterentwicklung erfährt. Bis zum Schluss bleibt er der trottelige Macho, dem eine erfolgreiche Zukunft lediglich halbgar angedichtet wird.

Demgegenüber entwickelt sich Lena viel stärker weiter, ja wird in der dritten Staffel regelrecht vom pubertären Teenie zur verantwortungsbewussten Erwachsenen. Diese gegenläufigen Entwicklungen machen es dann auch denkbar unglaubwürdig, dass die beiden ernsthaft ineinander verliebt und ein Paar bleiben.

„Türkisch für Anfänger“ ist sicherlich keine meisterhaft geschriebene Sitcom-Serie. Und ich würde sie auch niemanden uneingeschränkt empfehlen. Aber damals wie heute bin ich positiv überrascht, wie endlos witzig und unterhaltsam das Hin und Her innerhalb des Ensembles anzusehen ist. Und ich komme nicht drumherum dabei an die Zeiten von damals zu denken und wie wir diese Serie geschaut haben.

7.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

Türkisch für Anfänger (der Film)

Das Regiedebüt von Bora Dagtekin im Jahr 2012 ist der Prototyp seiner „Fack ju Göhte“-Reihe, mit der er die deutsche Kinolandschaft in den darauffolgenden Jahren belästigen musste. Mit der für das Kino neu verfilmten Serie „Türkisch für Anfänger“ setzte der Regisseur und Drehbuchautor seine eigen konzipierte Erfolgsserie als Kinofilm um. Und bewies damit eindrucksvoll, dass er als Regisseur nicht annähernd so geeignet ist, wie als Autor.

Die Serie zu „rebooten“ und als Film umzusetzen, hatte als Konzept sicherlich seinen Reiz. Ein klassischer Film für die Fans kann man sagen. Aber eben auch nur ein lauwarmer Aufguss einiger Serienmomente in einem neuen Gewand. Und dieser Aufguss fühlt sich so ähnlich an, wie wenn Leser eines Buches die dazugehörige Verfilmung sehen und am Ende hauptsächlich damit beschäftigt sind aufzuzählen, was alles gefehlt hat.

Zwar gelingt es dem Film in Grundzügen die Essenz der Serie einzufangen und einige typische, bekannte und witzige Momente aus der Serie zu rezitieren. Allerdings lehnt sich der Film verstärkt auf die proletenhaften Elemente und Bora Dagtekin findet insbesondere in Elyas M’Barek seinen grobschlächtigen Idioten für viele weitere Filme. Dem Konzept der Serie bleibt der Film ebenso weitgehend treu (dass sich z.B. Lena in Cem ernsthaft und langfristig verliebt, wird auch in der Serie nie glaubhaft, trotz des Unterhaltungswertes), verdummt jedoch alles etwas mehr und lässt den aus der Familiendynamik entstehenden Charme vermissen.

Der Prototypcharakter offenbart sich auch an anderen Stellen: Bei der Assi-Freundin von Cem dachte sich Dagtekin, er hätte einen so genialen Einfall gehabt, dass er diese Überzeichnung in gleich vier weiteren Filmen besetzt hat. Und dass Cem und Lena ihre geistigen Nachfolger in den beiden Lehrern aus “Fack ju Göhte“ finden, wird nur dadurch kaschiert, dass Josefine Preuß durch Karoline Herfurth ausgetauscht wurde. An dieselbe Figur hat Dagtekin jedoch gedacht, wie alleine die Haarfarbe vorwegnimmt.

Darüber hinaus versucht sich Bora Dagtekin als verkannter Colour-Grading-Spezialist und erfindet neben Til-Schweiger-Filmen eine neue Form von hässlichen Bildern. Mit aufgedrehtem Kontrast und maximal poppigen Farben erinnert das überhaupt nicht mehr an die zugrundeliegende Serie und nimmt einmal mehr den „Look“ seiner folgenden Filme vorweg. Ob es besser gewesen wäre, die Serie direkt fortzusetzen, ist schwer zu sagen, da sie am Ende der drei Staffeln auserzählt wirkte. Zu neuen Ideen hätte es zumindest gezwungen. Und womöglich zu der Einsicht, dass man auf seinem Autorenstuhl sitzen bleiben sollte.

5.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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