THX 1138

THX 1138© Warner Bros.

„THX 1138“ spiegelt wie kein anderer Film von George Lucas wider, welche Art von Autor und Künstler in der Person steckt, die später einmal das erfolgreichste Filmfranchise aller Zeiten aufziehen sollte. Vor allem Lucas‘ erster Spielfilm aus dem Jahr 1970 gewährt sowohl einen Einblick in die gängigen Themen, Motive und Weltanschauungen, als auch in den visuellen sowie erzählerischen Stil des bekannten und einflussreichen Independent-Filmemacher. Wer „THX 1138“ versteht, der versteht „Star Wars“, und wer „Star Wars“ versteht, der versteht die Prequel-Trilogie.

„THX 1138“ wurde seinerzeit von den Kritikern zerrissen, eine Tatsache, welche durch verwaschene Ratingsysteme des Internets kaum mehr nachzuvollziehen ist. „THX“ war auch Lucas‘ erste und einschneidende Erfahrung mit dem profitorientierten, künstlerisch destruktiven Studiosystem Hollywoods. „THX“ aber war vor allem eine experimentelle, avantgardistische Filmdystopie, die all das vereint, was später einmal mit dem Sternenkrieg in den „Mainstream“ Einzug erhalten sollte. Und trotz dieser vorhandenen Quelle, diesem Stück Filmgeschichte, seit Jahrzehnten für jedermann zugänglich, scheint George Lucas ein auf ewig missverstandener Künstler zu sein.

Lucas erzählt seine Geschichten im Wesentlichen audiovisuell. Es stehen weder Dialoge, noch eine klassische Handlung im Vordergrund. In „THX“ sind das Bild und der Sound essenziell, um damit eine pure, eine reine Kinoerfahrung zu erzeugen. Allein mittels der visuellen und auditiven Wahrnehmung sollen Emotionen geweckt werden, wohingegen alles andere dem untergeordnet ist. Es ist eine abstrakte und sehr stilisierte Ebene auf der „THX“ funktioniert, aber auch eine stark vereinnahmende und konzentrierte.

In jener Dystopie herrschen der Technizismus und die absolute Kontrolle durch einen fiktiven Staat. In dieser künstlichen Welt werden die Gefühle der Menschen durch Medikamente unterdrückt und sorgen für eine willenlose, sich dem Konsum und der Obrigkeit fügende Gesellschaft. Geführt und erhalten wird sie durch einen falschen Glauben sowie einer ineffektiven Bürokratie, die letztlich mehr ein psychologisches Gefängnis für die Menschen ist, anstatt einem realen Unterdrückungsstaat zu entsprechen. Das Gefängnis besteht nur in den Köpfen, denn einmal aus der vorherrschenden Ideologie befreit, liegt es maßgeblich am Individuum zu entscheiden, ob es aus der Komfortzone ins Ungewisse schreiten möchte oder nicht.

Hier vereint Lucas mehrere thematische Schwerpunkte: Konsumkritik, Technikgläubigkeit und Abhängigkeit, Religionskritik, eine gefühllose Leistungsgesellschaft und die Befreiung des Menschen von sich selbst. Letzteres bildet ein Motiv ab, welches sich später auch durch „American Graffiti“ und „Star Wars“ ziehen wird, in gewisser Hinsicht die Überwindung des eigenen Status quo, der Schritt aus dem Vertrauten ins unvorhersehbare, unangenehme Leben.

Die Dialoge darin sind oftmals bewusst abstrakt gehalten, ja fast schon wirr; die Inszenierung und Spannungskurve ist unkonventionell, entbehrt sich des Öfteren jedweden linearen und gewohnten Konventionen des Erzählens. Dabei hält Lucas das Geschehen nahezu dokumentarisch fest. Die Kamera ist überwiegend ruhig, die Einstellungen präzise um die Szenerie konstruiert und doch manchmal nicht fixiert, sondern schwankend und abweichend, eben einer Dokumentation und keinem sauber inszeniere sowie choreografierten Spielfilm nachempfunden.

THX 1138© Warner Bros.

Am Ende ist es der Protagonist THX, dem es gelingt aus diesem Glaubensgefängnis auszubrechen, während sein Freund nicht die Überwindung dafür findet. Die für Ordnung sorgenden Roboter sind eigentlich kaum gefährlich und am Ende ist es sogar das liebe Geld, was das System vor einer konsequenten Verfolgung zurückschrecken lässt.

Das System ist nicht geschlossen, das Gefängnis ist ein Offenes, aus dem THX einfach nur noch herausklettern muss, um zum ersten Mal in seine neue Zukunft, dem strahlenden Sonnenuntergang blicken zu können – so wie sieben Jahre später der junge, unwissende Luke Skywalker seinem Schicksal gegenüber treten und damit Generationen von Menschen inspirieren sollte. Hier, in der avantgardistischen Filmkunst, dort lag immer George Lucas‘ Herz für das Kino und sollte es bis zuletzt sein.

8.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung