They Shall Not Grow Old

They shall not grow old© Warner Bros. Pictures Germany

Viel wurde über diese neuartige Doku geschrieben, wenig davon werden Peter Jackson und die Technologie dahinter dem gerecht. “They Shall Not Grow Old” ist ein schönes Experiment bezüglich der modernen Aufbereitung von 100 Jahre altem Bildmaterial, aber erzeugt dabei weder den gewünschten Aha-Effekt, noch will das Ganze so recht als Film und “reale” Kriegserfahrung funktionieren.

Dass altes Schwarz/Weiß Material koloriert wird, ist für Dokus grundsätzlich nichts Neues. Für den Zweiten Weltkrieg ist das häufiger zu sehen und in der Hinsicht durchaus gelungen. “They Shall Not Grow Old” ist nochmal farbenfroher, aber dabei gleichzeitig überraschend künstlich und unrealistisch. Das Material wirkt weit über dem Möglichen hinaus bearbeitet, sodass ein unnatürlicherer und fast digitaler Look entsteht. Die alten Aufnahmen geben schlicht nicht das her, was Peter Jackson hier herauszuquetschen versucht. Das sah in den Trailern noch vielversprechender aus. Tatsächlich wirken die aufbereiteten Bilder allerdings teilweise sehr komisch.

Hinzu kommt die erzählerische Ebene, die in Doku-Format eintöniger nicht sein könnte. Über 90 Minuten hinweg werden schlicht die Kommentare von alten Veteranen über das Gezeigte gelegt. Es erfolgt weder eine Einordnung der Bilder, noch wenigstens mal kurz ein auflockernder Erzähler. Das Einblenden von ein paar Daten wäre zudem hilfreich gewesen. “They Shall Not Grow Old” beginnt 1914, nach 50 Minuten rollen plötzlich ein paar Tanks übers Feld (d.h. wir befinden uns schon im Jahr 1916) und in den letzten Minuten befindet man sich im Jahr 1918 und der Krieg ist vorbei. In der Mitte wird eine größere Schlacht nacherzählt; welche das jedoch ist, möchte uns der Film nicht mitteilen.

Das stets beworbene Feature “Wir haben das Gesprochene der Soldaten auf den Aufnahmen nachsynchronisieren lassen” kommt im Übrigen auch kaum zum Einsatz. Wenn man Glück hat, bekommt man davon ab und zu ein paar Fetzen mit, weil die vorgetragene Berichte der alten Veteranen einfach durchgängig über alles drüber quatschen. Insofern hat der Untertitel dann auch nie die Zeit dazu das Ganze für den Nicht-Englichen Zuschauer vielleicht mal übersetzen zu können. Nein, Peter Jackson gönnt den Bildern zu keinem Zeitpunkt die Ruhe und die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten. Für den Deutschen heißt es 90 Minuten ununterbrochen: Lesen.

An den durchgehend vorgetragenen Berichten ist dann vermutlich auch für Niemanden so richtig etwas dabei. Der Neuling wird sich ohne Einordnung ziemlich verloren fühlen, der (Hobby)Historiker wird zudem nichts Neues erfahren. Persönlich am interessantesten fand ich den Anfang über die Naivität der jungen Soldaten und am Ende die Erfahrungen mit den Deutschen und das allgemeine Gefühl gegen Kriegsende. Aber eine richtige historische Vermittlung vom Schrecken des Ganzen findet dabei auch kaum statt.

Das passiert eben, wenn man “nur” die Veteranen direkt aus den Erfahrungen erzählen lässt. Das ist dann eher monotones Runterreden des Erlebten, mit ein paar wenigen Lachern und ansonsten unnahbare Nacherzählungen. Man versteht zwar schon wie dreckig das gesamte Erlebnis im Krieg war, aber insgesamt kommt am Ende dann doch eher so eine Stimmung vom “normalen” Krieg auf: “Tja, wir sind halt naiv da hineingerannt, zu Männern herangewachsen und dann sind wir am 11. November 1918 wieder nach Hause gegangen.” Nein, das war dieser Erste Weltkrieg nicht.

Hierbei macht sich dann auch vermutlich die Englisch-zentrierte Sichtweise auf das Geschehene bemerkbar. Ja, die Doku hat von Anfang an klargestellt, dass es hier nur um die Armee Großbritanniens gehen wird. Aber dieses Land war eben streng genommen einer der weniger wichtigen Akteure dieses Krieges. Bezeichnend ist da dann auch die Einblendung zum Schluss von der Anzahl an Gefallenen… an englischen Gefallenen. Frankreich, Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn hatten doppelt so viele und mehr Opfer zu beklagen. Dafür war offensichtlich kein “Platz”.

They shall not grow old© Warner Bros. Pictures Germany

Fazit: Überraschend unspektakuläre Neubearbeitung von altem Material, erzählerisch monoton und fast schon faul aufbereitet, und wird insgesamt diesem Krieg nicht ansatzweise gerecht. Eine bessere Alternative wäre gewesen sich nur einen Abschnitt des Krieges herauszusuchen (Beginn, Ende oder ein bestimmtes Kriegsjahr) und dann darüber eine eineinhalb Stunden lange Dokumentation zu machen. Aber hier vier Kriegsjahre zusammenhangslos und unkommentiert in einen Film zu pressen, will einfach nicht funktionieren.

5.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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