The Northman – Kritik und Review

The Northman© Universal Pictures

„The Northman“ ist erst Robert Eggers dritter Spielfilm, bei dem er sich einer Rachegeschichte zu Zeiten der Wikinger annimmt, welche lose auf der dänischen Sage über den Fürstensohn Amletus basiert. Dabei gelingt Eggers ein handwerklich und audiovisuell beeindruckender Film, der gleichsam möglichst historisch akkurate und mythologische Darstellungen der Wikinger miteinander vermischt. Selten fühlte sich die Epoche und das Volk so realistisch eingefangen; selbst die phasenweise sehr gute Vikings-Serie reicht da nicht heran.

Inszenatorisch ist „The Northman“ in dieser Hinsicht vor allem geglückt, da er die Brutalität des Schlachtfelds, aber auch des damaligen Lebens an sich hervorragend wiedergibt. Einzig mit den mythologischen Aspekten der Geschichte muss man warm werden. Zudem wirken vermeintlich authentische Darstellungen der Wikinger-Kultur in wenigen Momenten unfreiwillig komisch. Und wenn ich schon bei der Kritik bin, dann könnte man dem Film auch durchaus vorwerfen etwas zu lang zu sein und sich im Mittelteil in nicht immer ganz so essenzielle Nebenschauplätze zu verlieren.

Darüber hinaus jedoch liefert die Handlung eine großartige Rachegeschichte in Manier von Shakespeare. Denn obwohl „The Northman“ auf der besagten dänischen Sage basiert, nimmt sich Robert Eggers eher Shakespeares Neuinterpretation „Hamlet“ als Vorbild, welche wiederum auf jener dänischen Sage beruhte. Shakespeare ist deutlich stärker zu vernehmen, auch an „Macbeth“ dürften sich Kenner vielleicht hin und wieder erinnert fühlen. Die Tragödie des Protagonisten Amleth kulminiert in einen zutiefst rachsüchtigen sowie selbstzerstörerischen Akt, der ihm nahezu alles kostet, einzig, um sein selbstsüchtiges Ziel zu erreichen.

„The Northman“ bietet darüber hinaus einige Parallelen zu den Werken der beiden Regiegrößen Akira Kurosawa und dem mehr noch mythologisch-philosophischen Shakespeare-Ansatz von George Lucas. In Eggers Film ist es eine Hexe, die Amleth auf sein Schicksal aufmerksam macht, seinen Vater zu rächen, was nicht nur an „Macbeth“ erinnert, sondern vor allem inszenatorisch an Kurosawas Macbeth-Adaption „Throne of Blood“. Auch dort ist es eine Hexe, die in ihrer kurzfristigen Erscheinung die Handlung in Gang setzt und so schnell sowie mysteriös verschwindet, wie sie aufgetaucht ist.

Gegen Ende erliegt Amleth zudem der Illusion, sich für zwei Pfade entscheiden zu können, dem der Rache und dem des Glücks. Anstatt den vor ihn liegenden Pfad des Glücks zu wählen, kehrt er noch einmal um, um sein Rachewerk zu vollenden. Die darauffolgende finale Konfrontation findet schließlich inmitten der Lava eines gerade ausbrechenden Vulkans statt. Schwert an Schwert erfüllt Amleth zwar sein Schicksal, aber schließt damit auch gleichzeitig seinen Weg in die Selbstzerstörung ab.

Die eruptiven Bilder erinnern dabei nicht nur an Kurosawas Film „Dreams“, sondern auch an die buchstäbliche Hölle von George Lucas‘ epischen Finale in „Revenge of the Sith“. Amleths vorige Wahl gleicht sich zudem mit Anakins Werdegang, welcher kurz vor seinem Untergang mehrfach vor die Möglichkeit gestellt wird, einen anderen Weg einzuschlagen. Stattdessen endet Amleth Reise im letzten und brutalsten Gewaltausbruch, der ihm nahezu alles nimmt, was ihm lieb ist.

Einzig überraschend ist da nur, dass Eggers seine Interpretation von „Hamlet“ und den großen klassischen Tragödien auf einer halbwegs versöhnlichen Note enden lässt, erreicht Amleth doch ohne große Skrupel und Reue sein Ziel und erfüllt exakt sein aufgetragenes Schicksal. Zudem wirkt sich sein selbstzerstörerischer Akt nicht auf alle seine Umgebenen aus, sondern eben nur auf fast alle. Das lässt Amleths Handeln zum Schluss seltsam gerechtfertigt erscheinen. Es ist kein Happy End, aber leider auch kein konsequentes Ende nach Maßstab.

The Northman© Universal Pictures

Dennoch muss ich „The Northman“ zugestehen, dass es sich um eine hervorragende Verfilmung im Stile der besagten Vorlagengeber handelt. Viel besser ist das kaum umzusetzen und trotz kleiner Schwächen ist „The Northman“ schon jetzt einer der beeindruckendsten Kinofilme des Jahres.

8.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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