The Mandalorian – Das Mittelmaß, auf das sich alle geeinigt haben

The Mandalorian Staffel 2© Disney+
The Mandalorian Staffel 2

Die erste Live-Action Star-Wars-Serie ist ein zweischneidiges Schwert. Sie hat viele Probleme und gleichzeitig enormes Potenzial. Leider schwelgt die Show zu häufig in alten Disney-Formeln, trotz ihrer allgemeinen Beliebtheit. Eine Analyse.

Meine Beziehung als Star-Wars-Fan zu „The Mandalorian“ ist kompliziert. Die erste Staffel hat mich aufgrund ihrer minimalistischen Erzählweise, kaum neuen sowie spannenden Wegen und der doch enormen Ansammlung von Fanservice ernüchtert zurückgelassen. Ich war nicht durchweg enttäuscht, aber als neues Flaggschiff für Disney+ unter Regisseur Jon Favreau und Dave Filoni habe ich einfach mehr erwartet.

Seitdem ist diese Serie zu einem wahren Fanliebling aufgestiegen und scheint allgemeine Zufriedenheit und Freude in die Community zurückgebracht zu haben. Nach der kontroversen Sequel-Trilogie wirkt es so, als seien Favreau und Filoni wie zwei Auserwählte herabgestiegen, um die zerstrittene Fanbase wieder zusammenzuführen. Staffel 2 hat jedoch zunächst wenig an meiner Meinung geändert. Nach den ersten knapp drei Folgen empfand ich die Serie – trotz ihres Unterhaltungswertes – immer eintöniger, referenzieller, handlungsarmer und langweiliger. Mehr als ganz viel Fanservice kann die Geschichte in den wenigsten Momenten bieten und das dürfte wohl der Hauptgrund für ihren Erfolg sein (oder weil die Erwartungen nach den Sequels schlicht gesunken sind).

Aber die 2. Staffel hat wenig später eine Trendwende gezeigt. Und zwar nicht, was den grundsätzlichen Aufbau der Folgen oder die Fanservice-Momente betrifft, sondern in der Art, wie es „The Mandalorian“ endlich schafft, die Handlung vernünftig voranzubringen und dabei gleichzeitig „Fetch-Quest“-Struktur, Inszenierung und ein breiteres Repertoire an Themen miteinander zu verknüpfen.

Darüber hinaus ist mir allerdings auch klar geworden, was „The Mandalorian“ eigentlich sein möchte und was es eben nicht ist. Und wenn man sich dieser Tatsache bewusst ist, dann kann sich mit der Serie deutlich besser angefreundet werden, als wenn „The Mandalorian“ an den Sehgewohnheiten gemessen wird, mit denen man „Star Wars“ normalerweise abgleicht. Dabei sollte zunächst geklärt werden, was Favreau’s Serie nicht ist. Und das soll keineswegs untergraben, in welchen Bereichen die Show schlichtweg nicht gut ist.

„The Mandalorian“ als Produkt und Fanbefriedigung

Javas© Disney+
Javas

Wenn ich „The Mandalorian“ mit drei Wörtern beschreiben müsste, wären diese „Fanservice“, „Side-Quest“ und „handlungsarm“. Warum begeistert eine Serie, die in mal mehr, mal weniger guten Fanservice-Szene sowie mal mehr, mal weniger redundanter „Fetch-Quest“-Struktur Filmen wie Episode VII und IX in nichts nachsteht? Zumindest ersteres ist leicht zu erklären, da sich die Leute schon beim allseits populären „The Force Awakens“ vom hohen Fanservice-Anteil haben blenden lassen. Jetzt ist es eben nicht mehr die Anbiederung an die Genration der Original-Trilogie (zumindest seltener), sondern an die jüngeren Fans der Prequels, Animationsserien und des ehemaligen Expanded Universe.

Aber selbst für viele Zuschauer, die den Fanservice der Sequels kritisiert haben, ist dieselbe Ladung an (selbst)referenziellen Szenen plötzlich kein Problem mehr – It’s fan service done right! Die Gründe dafür bleiben auf der Strecke, denn geändert hat sich im Kern wenig. Der Unterschied ist, dass die Momente stärker ausgekostet werden können, weil eine Serie dafür sehr viel mehr Zeit als ein Film hat. Weniger manipulierend, bequem und unkreativ macht es das jedoch nicht. Kaum würde es etwas ändern, wenn uns das Team Favreau/Filoni neue Welten und Charaktere vorstellen würde, mit denen etwas Tiefergehendes gemacht wird. Aber nein, stattdessen müssen es Tatooine, Ahsoka und Tusken-Räuber sein, die als Anker herhalten, damit auch ja niemand auf die Idee kommt, dass uns die x-te Folge schon wieder auf eine redundante „Side-Quest“ schickt ohne nennenswerten Mehrwert für Handlung oder Protagonisten.

Es wäre nicht purer Fanservice, wenn die Autoren einen Grund für die Auswahl haben, d.h. der entsprechende Planet tatsächlich Relevanz hat oder dem Fanliebling Bo-Katan ein eigener kleiner Charakterbogen geschrieben wird. Leider trifft dies in den allerwenigsten Fällen zu. Die Figuren verschwinden genauso von der Bildfläche, wie sie aufgetaucht sind. Und alle Fans bekommen sich nicht mehr ein, weil ihr Lieblings-Jedi 30 Minuten lang Mandos Feinde niedergestreckt hat. Mission erfüllt, Disney. Natürlich kann diese Art Fanservice auch Spaß machen – und ich würde lügen, wenn ich nicht zeitweise Freude empfunden hätte –, aber dieser wird schlicht viel zu offensichtlich und häufig eingesetzt.

Moff Gideon und seine Armee© Disney+
Moff Gideon und seine Armee

Was „The Mandalorian“ darüber hinaus nicht kann, ist eine stark geschriebene, tiefgehende, vielfältige und themenreiche Geschichte erzählen. Die Episoden folgen dem immergleichen strukturellen Aufbau eines Action-Rollenspiels: Mando fliegt auf einen Planeten, weil er etwas braucht; dort trifft er eine Person, die ihm helfen kann; diese Person verlangt jedoch zunächst eine Gegenleistung; es folgt eine Reihe an Actionszenen, in der Regel endet das Ganze noch mit einem Bosskampf und Mando erhält schließlich seine Information zum nächsten Ziel. Zugegebenermaßen verbessert sich Staffel 2 in dieser Hinsicht, weil nahezu alle Episoden mit dem Hauptziel der Geschichte verbunden bleiben und dann auch wirklich handlungsrelevante Informationen für den nächsten Abschnitt bereithalten (im Gegensatz zur 4-6 Episode der ersten Staffel).

Und dennoch fühlen sich diese gestreckten Nebenaufträge meistens leer und sinnlos an, weil den Protagonisten darüber hinaus wenig hinzugefügt wird. Wenn die Geschichte nicht vorangetrieben wird, dann sollten in der Regel zwei Sachen geschehen: Entweder werden die Charaktere vertieft, d.h. sie erhalten neue Facetten, werden ausgefleischt oder gehen eine Wandlung durch – in Kurzform: ein Character-Arc –, oder die „Side-Quests“ erhalten unabhängig von der Charakterentwicklung eine zugrundeliegende/unterschwellige Botschaft oder Lektion für die Figuren sowie den Zuschauer.

Bis auf einige Ausnahmen geschieht dies jedoch nicht. Stattdessen beinhaltet „The Mandalorian“ zu viele überflüssige Folgen, in denen bis auf Actionsequenzen und das Mindestmaß an Unterhaltung gar nichts passiert. Aufgrund dieser Einöde bedient sich die Serie den immergleichen Spannungsbögen und erzählerischen „Trope‘s“. Allein wie häufig das Element von der Rettung in allerletzter Sekunde ausgespielt wird, muss längst zum Running Gag von Favreau geworden sein (nach meiner Zählung in Folge 1, 4, 10, 11, 12 und 15 vorzufinden).

Es ist bezeichnend, dass im Zuge der sechsten Folge der 2. Staffel der Regisseur Robert Rodriguez  davon sprach, wie sich das von Jon Favreau ausgehändigte Skript nicht mal wie ein richtiges Drehbuch las, sondern eher wie ein Fan-Traum. Dies sagte Rodriguez wohlgemerkt nicht als Anschuldigung, aber es ist schon überaus passend, dass er dem knapp 19-seitigen Skript noch eigenmächtig jede Menge Action hinzufügen musste, damit die Episode zumindest halbwegs auf Inhalt und Länge kommen konnte:

When I saw the script and it said ‘Boba Fett’ and ‘Darksaber’ and ‘Mando’ and ‘Fennec,’ I was just like, ‘This doesn’t even feel like a real script. It feels like a fan wrote this in a fever dream hoping that this would be an episode.’ And yes, this was the script. It had all the good stuff in it. It was like a ‘Greatest Hits’ of all the good stuff; I couldn’t believe it. (…) The script was much shorter than the episode. The script was, like, 19 pages so that suggests 19 minutes. I added a lot of action to this [episode]. I even asked Jon [favreau], I said, ‘Is it okay that my script is only 19 pages? Because I cut really fast and it’s probably going to end up being 16 minutes. Do we need to add more pages?’ and he goes, ‘No, that’s what you’re here for! You need to fill that out.’ I said, ‘Oh, okay, I’ll try and make that battle longer.’ So that’s where that extra battle came from.

Oder schärfer formuliert: eine handlungsarme, Fanservice-Show, die bis auf 3-4 storyrelevante Episoden aus einer nervigen „Side-Quest“-Struktur besteht. Denn neben all diesen erzählerischen Versäumnissen macht es Jon Favreau nicht unbedingt damit besser, dass er nun in Staffel 2 auch noch damit beginnt sich und seine erste Staffel selbst zu referenzieren. „The Mandalorian“ übernimmt und wiederholt nun sogar schon „Storybeats“ der vorigen Staffel, welche über den zugrundeliegenden „Fetch-Quest“-Stil hinausgehen:

Kapitel 9 ist ein Mischmasch aus Kapitel 1, 2, 4 und 5; Kapitel 10 und 11 wirken erzählerisch wie ihr Pendant aus Stafffel 1, d.h. Kapitel 2 und 3. Und Kapitel 12 ist ebenso in seiner Struktur und Platzierung innerhalb der Staffel eine Kopie von Kapitel 4. Bis auf die großartige, weitestgehend völlig neuartig komponierte Musik von Ludwig Göransson schwelgt „The Mandalorian“ furchtbar oft in Fanservice und Reminiszenz an sich selbst mit einer übergreifenden Geschichte, die nicht mal besonders herausragend geschrieben ist.

„The Mandalorian“ will etwas anderes sein

Mando© Disney+
Mando

Das YouTube-Video mit dem offenbarenden Titel „The Mandalorian Is Still A $100 Million Show About Nothing “ geht der Frage nach, warum die Show so aufgebaut und erzählt wird, wie ich gerade u.a. beschrieben habe. Dabei ist das Video jedoch, anders als der Titel vermuten lässt, keine Abrechnung eines enttäuschten Fans, sondern eine doch ganz brauchbare Analyse, weshalb Jon Favreau seine Star-Wars-Serie so ungewöhnlich schreibt.

Zunächst könnte man als Verteidigung anbringen, dass die Serie ihre strukturelle Inspiration bei den Samstag nachmittags Live-Action Comic-Serien der 30er, 40er und 50er Jahre sucht. In Form von „Flash Gordon“ und „Buck Rogers“ waren dies schließlich die aller ersten und grundlegenden Inspirationsquellen für George Lucas. Was Lucas ins Kino überführt hat, übernimmt Jon Favreau und wird dem Ganzen als Serienform womöglich noch deutlich gerechter, als es die Star-Wars-Saga je werden konnte. Denn nun handelt es sich faktisch um eine Serie; eine Serie, die jeden Freitag mit einer neuen Episode daherkommt und ein immergleiches formelhaftes Abenteuer abliefert. Und besonders tiefgründig dürften die damaligen „Comic Serial“ nun auch nicht gewesen sein.

Heute fordert uns diese ungewöhnliche Art allerdings wieder heraus (oder zumindest mich), weil serielles Erzählen seit Jahren und Jahrzehnten anders funktioniert und darauf ausgelegt ist über länger geplante Staffeln auf ein größeres Ziel oder Ereignis hinauszulaufen. Die wenigsten Folgen sind heutzutage bewusst als Filler angelegt, sondern bieten einen weiteren Baustein, der die Geschichte immer weiter ausbaut.

„The Mandalorian“ macht dies freilich auch, aber nur im Durchschnitt über die Hälfte einer Staffel, und auch dann nur, um weitere Gründe zu finden, wieso Mando in den nächsten zwei Folgen wieder zwei unnötige Zwischenstopps einlegen muss. Die übergreifende Geschichte rund um Baby Yoda (Grogu) ist sozusagen nur ein Aufhänger für die nächsten „Fetch-Quests“. Daher wird Mando seinen Schützling auch nie bei einem Jedi abgeben, weil es dann keine Gründe mehr für eine weitere Staffel gäbe. Die Reise ist die Geschichte, nicht das Ziel.

Der Ansatz von Jon Favreau ist in der Theorie allen Ehren wert. Statt einer „Space Opera“ bezeichnen Pedro Pascal und er die Serie als „Space Western “ nach dem Vorbild Clint Eastwood‘s sowie den frühen Western der 60er Jahre von Sergio Leone. Hierbei handelt es sich schließlich um eine weitere große Inspirationsquelle, die George Lucas bei der Entwicklung von Star Wars beeinflusst hat.

Aus diesem Blickwinkel ist Mando sozusagen Clint Eastwood im Weltall, der nicht nur in einem einzelnen Film eine fremde Stadt betritt und dort aufräumt („Für eine Handvoll Dollar“), sondern dies immer und immer wieder macht. „The Mandalorian“ nimmt dieses Konzept und führt es jede Woche auf leicht veränderte Weise aus. Nur ist es im weiten Universum von Star Wars eben wieder und wieder ein anderer Planet, neue, verschiedene Alienrassen etc.

Wenn „The Mandalorian“ es schafft diese Vorlagen richtig auszuspielen, dann funktionieren die Episoden in der Regel auch deutlich besser. Das hat sich nicht nur zu Beginn der ersten und zweiten Staffel gezeigt (mit seinen Einstellungen, Wüstenpanoramen, Mandos Verhaltensweisen usw.), sondern zeigt sich auch, wenn sich die Serie einer weiteren Vorlage bedient. Die Vorlage der Vorlage sozusagen und eine weitere bedeutende Inspiration für George Lucas: Akira Kurosawas Samurai-Filme.

Kurosawas Filme, wie bspw. „Yojimbo“, haben sowohl Lucas‘ Star Wars inspiriert, als auch viele klassische Western und Italowestern („Für eine Handvoll Dollar“ ist ein Remake von „Yojimbo“). Wenn „The Mandalorian“ es wirklich mal schafft diese einflussreichen Filme zu nehmen und daraus eine eigene Geschichte zu inszenieren, dann will die Show auch plötzlich als Star-Wars-Serie funktionieren und stellt nicht nur einen inhaltslosen Fanfilm-Versuch da. Regisseur und Lucas-Schützling Dave Filoni hat dies zuletzt eindrucksvoll mit seiner fünften Episode der 2. Staffel bewiesen.

„The Jedi“ nutzt all diese Vorlagen und überführt sie hervorragend in das Star-Wars-Universum – ohne ausschließlich ein Fanservice-Fest für die Community zu sein – und wird dadurch zu der vielleicht visuell/inszenatorisch reichhaltigsten Episode der gesamten Serie. Und in diesen Kontext passt dann sogar Ahsoka Tano, weil sie zu diesem Zeitpunkt charakterlich perfekt in das Schema eines einsamen, ambivalenten Kriegers – wie ihn Toshirō Mifune so häufig verkörpert hat – einzuordnen ist. Fanservice mit Bedeutung also.

Aber auch inhaltlich scheint „The Mandalorian“ nicht verloren. Ob Jon Favreau den Aufbau eines „Comic Serial“ der 50er Jahre wirklich konsequent umsetzt oder einfach nur kein besonders talentierter Autor ist, sei mal dahingestellt. Mögen muss man die Serie, trotz ihrer klarer werdenden Inspiration, deswegen nicht. Mit der vorletzten Folge der 2. Staffel zeichnet sich aber zumindest ab, dass wenn andere Autoren an die Serie herangelassen werden auch auf einmal inhaltlich interessantere Ansätze zu beobachten sind. Dave Filoni kann mittlerweile sehr gut Live-Action inszenieren, keine Frage, aber als überragender Drehbuchschreiber hat er sich in seinen zwei Anläufen noch nicht hervorgetan (mit der Serie „Rebels“ genauso wenig).

Der Regisseur Rick Famuyiwa zeigte nun jedoch, dass deutlich mehr mit dem Universum, der „Lore“ und den Charakteren anzustellen ist, auch wenn es sich nur um eine etwas weniger großangelegte „Side-Quest“ handelt. Mit seinem 15. Kapitel schreibt Famuyiwa die womöglich beste Episode der gesamten Serie und verleiht dem Ganzen etwas mehr Tiefe, ein paar mehr Themen und ein paar Ebenen mehr als einfach nur eine weitere hohle Aneinanderreihung von Actionszenen zu sein. Die Fraktionen erhalten Grauzonen, die Protagonisten werden mit ambivalenten Thematiken konfrontiert und währenddessen findet gleichzeitig Charakterentwicklung statt.

Jon Favreau sollte den Bleistift öfters anderen Autoren in die Hand drücken, dann könnte aus „The Mandalorian“ noch so viel mehr werden. Denn ansonsten droht die Serie auch in Zukunft nicht mehr als Mittelmaß mit sichtbarem Potenzial zu sein. Zugegeben: ein Mittelmaß, auf das sich alle geeinigt haben.

Was haltet ihr von der Serie „The Mandalorian“? Gehört ihr ebenfalls zu den zahlreichen Fans oder habt ihr Kritik an der bisherigen Ausrichtung?

Der Artikel im Original auf Moviepilot

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