The Falcon and the Winter Soldier

The Falcon and the Winter Soldier© Disney

„The Falcon and the Winter Soldier“ ist die erste, direkte Fortsetzung zum Marvel-Universum, nachdem das Franchise nach „Endgame“ und „Far From Home“ eine ungewollte Pause eingelegt hat. Der ursprünglichen Planung nach sollte diese Serie vor „WandaVision“ und erst nach „Black Window“ starten. Es kam anders. Nun hat „WandaVision“ die 4. Phase des Universums offiziell eröffnet und dennoch sind es Falcon und Bucky, die nun richtig nach „Endgame“ einsteigen dürfen und das MCU weltpolitisch voranbringen.

Die Prämisse der Serie besteht strenggenommen auf einigen vereinzelten Szenen zwischen den Protagonisten innerhalb von „Civil War“. Davor und danach hatten die beiden kaum etwas miteinander zu tun. Das, was Sam und Bucky verbindet, ist ihr Verhältnis zu Steve Rogers alias Captain America. Und dennoch ist die Überführung einer Geschichte der beiden in eine 6-teilige Serie deutlich weniger naheliegend, als das Pärchen Wanda und Vision, die zuvor klar vernachlässigt wurden. Falcon und der Winter Soldier waren bis jetzt zwar ebenfalls die ewigen Sidekicks, aber als zentrale Elemente der Captain-America-Trilogie besaßen die beiden dennoch ein wenig mehr charakterliches Fleisch. Buckys Geschichte war sogar schon formal abgeschlossen.

„The Falcon and the Winter Soldier“ kommt nun trotzdem als spirituelle Fortsetzung der Avengers- und Captain-America-Filme und versucht Phase 4 erzählerisch voranzutreiben. Obgleich die Serie nicht an die Qualität der beiden letzten Captain-America-Filme heranreicht, bewegt sich das Gefilmte doch deutlich in den Wassern des von den Russo-Brüdern hinterlassenen Stils. Und man muss sagen – zum Glück. Rückblickend ist der offizielle Trailer zur Serie wohl einer der irreführendsten Vermarktungsversuche des MCUs, der eine komödiantische Bad-Boys/Buddy-Action-Einlage versprach. Nun lässt sich positiv berichten: Das ist „The Falcon and the Winter Soldier“ erfreulicherweise nicht geworden.

Die Serie bedient sich komplexerer Themen, nimmt seine Charaktere und Geschichten durchweg ernst und funktioniert überwiegend als würdige Avengers/Captain-America-Fortsetzung. Besonders die musikalischen Referenzen haben mir gefallen und wie es der Serie ab und zu gelingt mit Score und Inszenierung an die beiden Russo-Filme (d.h. Captain-America-Filme) zu erinnern. Qualitativ kommt die Serie letztlich zwar nicht an seine geistigen Vorgänger heran – ebenso wenig an „WandaVision“ –, aber nach längerer Marvel-Müdigkeit und den desaströsen MCU-Filmen aus 2019 kann man mit den ersten Disney+-Serien doch nur glücklich sein.

Vor allem filmisch ist diese Geschichte nicht so interessant und clever wie „WandaVision“. Es war zu erwarten, dass „The Falcon and the Winter Soldier“ wieder eine konventionellere, für MCU-Verhältnisse sehr klassische und vorhersehbare Richtung einschlägt. Und dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. „WandaVision“ ist einfach sehr smart gewesen. Was der neuen Marvel-Serie dennoch vorzuwerfen ist, ist, dass die Handlung bei all ihrer Geradlinigkeit zu keinem Zeitpunkt wirklich umhaut oder mitreißt. Die Geschichte ist gut genug, die Figuren werden anständig genutzt und weiterentwickelt, aber erzählerisch ist hier, bis auf Ausnahmen, nichts Überragendes zu erwarten.

Die Actionsequenzen sind in Ordnung, aber nach der furiosen Eröffnung in Folge 1 kommt dahingehend nicht mehr allzu viel. Das Finale ist für meinen Geschmack zu dunkel gehalten und obwohl sich die Serie bemüht die Action der Russos zu übernehmen und fortzuführen, fehlen den Kämpfen eindeutig die Wucht. Es wird dann doch lieber schnell geschnitten und den Choreografien fehlt die Qualität und Übersicht.

Auch der Handlung fehlt – besonders zum Ende kommend – phasenweise der Fokus. Mit der Rückkehr von Zemo, dem wiederkehrenden Supersoldaten-Serum und Buckys innerer Kampf gegen seine Vergangenheit gibt es einerseits Handlungsstränge, die manch einer womöglich für längst beendet hielt und lediglich aus den letzten Filmen übernommen und wiederverwertet werden. Zemo ist zwar dennoch ein Highlight (wenn nicht sogar das Highlight) der Serie mit seinem prominenten Auftritt in Folge 3 und 4, wodurch er sich kurzerhand zum neuen Fanliebling entpuppte und ihm nach seinem eher zweitrangigen Auftritt in „Civil War“ einige Facetten mehr zugesprochen werden konnten. Aber insgesamt hätte mit der Figur womöglich doch einiges mehr angestellt werden können.

Andererseits existieren mit John Walker als neuer Captain America und den Flag-Smashern zwei wesentlich wichtigere Handlungsebenen, die aber nie über ein ganz nettes Bedrohungsszenario hinauskommen und da doch aufs Ganze betrachtet deutlich mehr drin gewesen wäre. John Walker wird mit den ersten zwei Folgen sehr interessant eingeführt, aber nach dem „schockierenden“ Ende von Folge 4 rückt die Figur dann doch eher in den Hintergrund. Eine Auflösung seiner Geschichte bleibt uns die Serie schuldig. Im Finale der Serie verkommt er zum Anhängsel und droht sogar völlig an den Rand gedrängt zu werden, während sich das Ende schließlich nicht entscheiden kann, wer oder was John Walker denn nun eigentlich ist. Gut, böse, Antiheld? Fortsetzung folgt.

Übrig bleibt sein Verhältnis zu Sam und das im Vorfeld schon vermarktete Thema der „racial injustice“. Das mit Abstand interessanteste Konzept der Serie bleibt zunächst weitestgehend im Hintergrund und findet erstmals in Folge 2 seine Erwähnung. Glücklicherweise wird das Thema zwar in Folge 5 und 6 wieder aufgegriffen und bliebt ein zentraler Aspekt von Sams Entscheidung und Legitimation als neuer Captain America. Aber auch hier: Insgesamt fühlt sich das Thema unterentwickelt an und bis auf diese kleinen Reizpunkte vermute ich, dass es in Zukunft wieder irrelevant sein wird. Vermutlich darf man von Marvel/Disney nicht zu viel erwarten und dennoch wirkte der aufgebaute Diskurs verkürzt.

Derweil wieder positiv hervorzuheben, ist der Umgang der neusten Marvel-Serien mit dem Snap und den Folgen der letzten Kinofilme. „WandaVision“ konnte hier bereits Wiedergutmachung leisten und auch „The Falcon and the Winter Soldier“ gelingt es nun einen weiteren Blick auf die Menschen und ihre Probleme zu werfen. Es ist schön, dass Marvel dieses Thema nicht einfach blind abgehakt hat, nachdem „Endgame“ und „Far From Home“ doch herzlich egal waren, was die Ereignisse für die Welt bedeuten. Die Motive der bedrohlichen Flag-Smashers bleibt zwar trotzdem undurchsichtig und jede Folge musste ich mich daran erinnern, was nochmal genau deren Ziel ist. Dennoch ist das Erzählte dem gegenwärtigen Universum angemessen, wenngleich das „Writing“ gerne stärker und frischer hätte sein können.

Trotz der konventionellen Geschichte fällt auch bei „The Falcon and the Winter Soldier“ wieder auf, dass das ausschweifendere Serien-Format mehr kreative und unverbrauchte Ideen zulässt. Die bisherigen Serien sind zwar strenggenommen nur eine langgezogene Origin-Geschichte zweier neuer Avengers, aber ohne das Korsett des Blockbuster-Marktes dürfen diese Geschichten so viel ernster und entschlossener sein. Während „Endgame“ ein beleidigender Witz mit Überlänge war, sind Marvel’s Serien so viel angenehmer und konsequenter in ihrer Erzählweise und Inszenierung.

The Falcon and the Winter Soldier© Disney

Fazit: „The Falcon and the Winter Soldier“ ist nicht so gut wie „WandaVision“, geschweige denn so gut wie „Winter Soldier“ oder „Civil War“ und erzählt weitestgehend eine konventionelle Geschichte, welcher es an filmischer Klarheit fehlt. Dafür überzeugt das Konzept der Serie, jede Folge funktioniert überdurchschnittlich gut, die Geschichte nimmt sich ernst, baut die Charaktere spürbar aus und kann dabei mit solider Action und spannenden, wenn auch unterentwickelten, Themen unterhalten. Die Serie sticht nicht heraus, aber bestätigt doch, dass Marvel mit seinen Disney+-Serien auf dem richtigen Weg ist.

6.5 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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