Star Wars: Visions – Kritik Review

Star Wars: Visions© Disney

Mit „Star Wars: Visions“ steht auf Disney+ schon das nächste Star-Wars-Projekt in den Startlöchern. Nach Animationsserien wie „The Clone Wars“ und „The Bad Batch“, Live-Action-Serien wie „The Mandalorian“ und den zahlreichen Kinofilmen ist „Visions“ sicherlich das frischste und mutigste Konzept des Star-Wars-Franchise, seitdem Disney vor fast zehn Jahren die Schirmherrschaft übernommen hat. Bei der Serie hat Lucasfilm nun mit sieben japanischen Anime-Studios zusammengearbeitet (darunter mit u.a. Production I.G nicht gerade No-Names) und ihnen im Stile einer Anthologie-Serie für neun Kurzfilme offenbar vollständige kreative Freiheit gelassen. Daraus ergeben sich neun ganz eigenständige und originelle Geschichten, die in einem immer anderen Zeichenstil gehalten sind und mit teils irrwitzigen Handlungsverläufen begeistern.

Die neunmal 14-23-minütigen Folgen gehören daher auch nicht in den offiziellen Kanon, obwohl sich die meisten Folgen durchaus in die Zeiten der drei Filmtrilogien einordnen lassen. Ebenfalls neu: Alle Folgen erscheinen – wie mittlerweile fast nur noch für den Konkurrenten Netflix typisch – auf einen Schlag. Nicht neu: Die Folgen sind nicht nur in ihren Stilen, sondern auch in ihrer Qualität stark schwankend. Vermutlich wird jeder mit der einen oder anderen Folge nichts anfangen können, während man bei wieder anderen Folgen fast traurig ist, dass daraus nicht gleich eine selbstständige Serie entstanden ist.

Zu meinen Favoriten dieser (ersten?) Staffel zählen daher Folge 1, 5, 7 und 8.

„Das Duell“ legt zum Einstieg gleich mal ein visuelles Brett vor und ist optisch wohl die auffälligste Folge der Serie. Ganz im Stile von Akira Kurosawa und den alten Samurai-Filmen erzählt „Das Duell“ von einem nicht näher ergründeten Samurai/Jedi/Sith-Krieger, der ein Dorf vor einer Gruppe Angreifer beschützen muss. Filme wie „Yojimbo“ und „Seven Samurai“ lassen grüßen. Dabei besticht die Folge nicht nur durch ihren einzigartigen Stil, sondern auch durch ihre Actionszenen und Motive.

Die erzählerisch umfangreichste und vielleicht interessanteste Folge trägt den Titel „Die neunte Jedi“, welche in einem konservativeren Zeichenstil die Geschichte von einem jungen Mädchen erzählt. Als sie durch ihren Vater, einem Lichtschwertschmied, in die mögliche Wiederauferstehung des Jedi-Ordens und deren Kampf gegen die Sith verwickelt wird (anscheinend ist die Handlung irgendwann nach Episode IX angesiedelt), muss sie sich schon bald selbst als potenzielle Jedi beweisen. Was die Handlung betrifft, würde diese Folge wohl den besten Ansatz für eine Fortsetzung bieten.

Ebenfalls gelungen ist die siebte Folge. „Der Alte“ erzählt von einem Jedi-Meister und seinem Padawan und ist vermutlich noch vor „Episode I: Die dunkle Bedrohung“ zu verorten. Beide landen auf einem abgeschiedenen Planeten, auf dem sie die Anwesenheit eines dunklen Machtnutzers wahrnehmen. Obwohl der Kampf sehenswert ist, überzeugt vor allem die Dynamik der beiden Jedi, welche stark an Qui-Gon und Obi-Wan oder – in einem Alternativuniversum – an Qui-Gon und Anakin erinnert.

„Lop & Ochō“ gefiel mir ebenso. Während des galaktischen Bürgerkriegs nehmen ein Vater und seine Tochter ein von den imperialen Truppen unterdrücktes Waisenmädchen auf. Jahre später gehört sie wie eine zweite Tochter zur Familie, aber die Familiendynamik eskaliert, als sich der Vater gewalttätig gegen das Imperium wenden möchte. Die Dynamik der beiden Schwestern erinnert später nicht zufällig an die Beziehung von Obi-Wan und Anakin. Denn nahezu alle dieser Folgen variieren verschiedene Themen, die bereits die Film-Saga bestimmten. Das Gute gegen das Böse, Heldenreise und Bestimmung, Verrat und Tragik sowie vieles mehr.

Hier und da gibt es aber auch ganz ausgefallene Ideen. In der Regel widerspricht dabei der Stil, das Artdesign oder bestimmte Einzelentscheidungen gegen eine Integrierung in den offiziellen Kanon. Die meisten Geschichten sind jedoch klar in der Zeitlinie zu verorten und überschreiben nicht bereits erzählte Ereignisse. Lucasfilm möchte sich hier natürlich nicht festnageln lassen. So ist z.B. Folge 3 „Die Zwillinge“ irgendwann nach Episode IX angesiedelt und erzählt dabei von zwei Geschwistern der dunklen Seite. Prinzipiell nichts Abwegiges, aber den Kanon möchte man sich gerade in diese Richtung möglichst offenhalten. Auch mit dem Stil muss man erstmal warmwerden und der Tatsache, dass die Folge in guter, alter Rian-Johnson-Manier alle etablierten Regeln des Universums bricht (aufgrund der überdrehten Inszenierung aber verzeihbar).

Wieder anderes ist gleichermaßen harmlos wie erzählerisch unspektakulär: „Tatooine Rhapsodie“ erzählt in der zweiten Folge von einem jungen Jedi und seiner Rock-Band, die irgendwann nach Order 66 von Boba Fett verfolgt wird. Hier wird als einziges auf bekannte Figuren des Universums zurückgegriffen und die Erzählung könnte man sich als kleine Nebengeschichte des berühmten Kopfgeldjägers durchaus vorstellen.

„Die Braut des Dorfes“ wird derweil, meinen Eindrücken zufolge, auch schon von einigen Fans als einer der Favoriten gehandelt. In der vierten Folge landen eine Jedi und ein Forscher auf einem abgeschiedenen Planeten, der nach Order 66 von einer Gruppe unterdrückt wird, die aussortierte Kampfdroiden für sich nutzen. Der Kern der Folge ist dabei vor allem die Naturverbundenheit des einheimischen Volkes, von denen zwei Charaktere über eine ähnliche oder nur anders genannte Kraft wie die Macht verfügen. Als der Konflikt mit der feindlichen Gruppe eskaliert, greifen die Jedi und ihr Begleiter in das Geschehen ein und retten das einheimische Volk. Erzählerisch bleibt dabei am Ende viel in der Luft hängen, weil die Naturverbundenheit sowie die Mission der Jedi-Kriegerin und des Forschers gleichermaßen unergründet und die Aussage der Folge schwammig bleibt.

Die zwei schwächsten Folgen der bisherigen Serie kommen aber leider von demselben Studio. Folge 6 „T0-B1“ und Folge 9 „AKAKIRI“ sind zwar stilistisch einzigartig, aber in ihrer Geschichte unausgereift. „T0-B1“ erzählt von einem menschenähnlichen Droiden und einem Forscher, die (scheinbar ebenfalls nach Order 66) auf einem einsamen, abgelegenen Planeten leben. Der namensgebende Droide der Folge möchte dabei zu einem Jedi werden und muss sich schon bald dem Kampf stellen, als seine Heimat von einem Sith-Inquisitor entdeckt wird. Obgleich des süßen Zeichenstils beinhaltet die Geschichte aber leider keine eigenständige Note. Dass ein humanoide Droide über ein scheinbar eigenes Bewusstsein verfügt und als potenzieller Jedi sogar Zugriff auf die Macht hätte, wird nie ergründet oder gar gefragt. Potenzial verschenkt.

Dagegen ist „AKAKIRI“ die stilistisch wohl schwächste Folge. Die Geschichte kann dabei ebenfalls nicht wirklich überzeugen, auch wenn wieder mit einigen Kurosawa-Referenzen gespielt wird („The Hidden Fortress“). Gerade das Ende wirkt unstimmig und unbefriedigend, auch wenn hier thematisch wieder durchaus spannende Anlehnungen an die Film-Saga zu finden sind.

Star Wars: Visions© Disney

Ein Problem haben die meisten Folgen: Sie funktionieren weniger als Kurzfilme, sondern wie jeweils individuelle Pilotfolgen einer noch kommenden Serie. Dass Fragen offengelassen werden, ist zwar teilweise spannend, aber die häufigen Cliffhanger und unvollendeten Handlungsstränge sind dann oftmals doch eher ernüchternd. Dennoch bleibt zu hoffen, dass dies nicht ein einmaliges Experiment bleibt. Star Wars und Anime passt grundsätzlich hervorragend zusammen, nicht nur, weil George Lucas ohnehin stark von der japanischen Kultur beeinflusst wurde.

Besonders visuell sind die Folgen immer wieder richtig spannend und gelungen umgesetzt. Wenn nicht schon geschehen, wäre es eine echte Überlegung wert, wenn Lucasfilm mal eines dieser Studios frei heraus eine zusammenhängende Serie anvertrauen würde. Müsste ja ebenfalls nicht zwingend Kanon sein. Eins zeigt sich nämlich: Star Wars braucht diese frischen, experimentellen Ansätze. Und gerade Disney+ bietet jetzt die ideale Plattform. Dafür könnte man sich dann die nächsten x Staffeln „The Bad Batch“ und den einen oder anderen Mandalorian-Ableger sparen.

7.5 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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