Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith – Analyse

Star Wars: Episode III –Die Rache der Sith© Lucasfilm

„Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“ wird dieses Jahr 20 Jahre alt und startete am 19. Mai 2005 in den Kinos. Schon damals galt dieser Film als „der Gute“ unter der ansonsten verhassten Prequel-Trilogie von George Lucas. Und nach der Renaissance der Star-Wars-Prequels in den letzten knapp zehn Jahren avancierte Episode III für viele zum Besten unter allen Star-Wars-Filmen. Nur ist den meisten Zuschauern immer noch nicht klar, wie gut „Die Rache der Sith“ in Wirklichkeit ist.

Dieser Film ist, ohne einen Hauch der Übertreibung, nicht nur das Opus magnum des George Lucas‘, sondern das bedeutendste filmische Werk der modernen Kinogeschichte. Sei es visuell, thematisch oder bildsprachlich, allein auf cineastischer Ebene gibt es keinen Film in den letzten 50 Jahren, der das Kino als Medium, der das Filmemachen als Technologie und der die Kunstform des Films derart begriffen hat, wie „Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“.

Alle Star-Wars-Filme von George Lucas sind im Kern experimentelles Kino. Nur wurde dieser Aspekt angesichts des riesigen Erfolgs der Filmreihe immer übersehen. Mit der digitalen Filmtechnologie zu seiner Verfügung kreierte Lucas mit den Prequels „cinéma pur“ im modernen Blockbuster-Kino. Ob „non-narrative film“, „absoluter Film“ oder „cinéma vérité“, all das zeichnet Lucas‘ Filmemachen aus, indem er eine Geschichte ausschließlich mit den Techniken des Films erzählt.

Exakt in der Mitte des Films, am Wendepunkt der Geschichte, sehen sich Anakin und Padme aus mehreren Kilometern Entfernung an. Während Padme in ihrem Zuhause aus dem Fenster zum Jedi-Tempel blickt, sitzt Anakin allein im Jedi-Rat und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Aufgrund der bedrückenden musikalischen Untermalung und des Stillschweigens wird diese kurze Sequenz immer wieder als großartig hervorgehoben, ohne zu fassen, wie genial dieser Moment in Anbetracht der Herleitung ist.

Wie schon in „Angriff der Klonkrieger“ vorbereitet, bemüht Lucas erneut das psychologische Motiv der untergehenden Sonne als Symbol für Schicksal, Wandel, Vergänglichkeit und dem Pfad zur dunklen Seite. Einmal mehr spiegelt der Film Anakins Werdegang mit dem von Luke. Während Luke dazu in der Lage ist sein Schicksal anzunehmen, Wandel zu akzeptieren und loszulassen, ist Anakin dies, wie schon bei seiner Mutter, nicht. Man beachte dabei das „Framing“: Anakin hat die Möglichkeit sich entweder auf die rechte Fensterfront mit der Sonne oder auf die linke Fensterfront, entgegen der Sonne, in Richtung Dunkelheit, zuzubewegen.

Und wieder hält Anakin an irdischen Reichtümern zwanghaft fest. Er wendet sich von der Sonne ab. In der letzten Einstellung wird dies hervorragend festgehalten, als Anakin eine Träne übers Gesicht fließt, während die Sonne im Hintergrund leuchtet und er sich schließlich von ihr in die Dunkelheit abwendet („You can’t stop the change anymore than you can stop the sun’s from setting.“ – Shmi Skywalker). Erneut ist die Blickrichtung entscheidend. Die Sonne steht rechts. In der Filmsprache ist der Weg von links nach rechts eine intuitiv vorwärts gewandte Bewegung. Padme blickt genau so, während Anakin buchstäblich rückwärtig schaut. Geschnitten ist die Sequenz dann noch so, als würden sich die beiden direkt in die Augen sehen. Als würden sie ohne Worte Abschied voneinander nehmen. Die Szene dauert keine zwei Minuten und erzählt filmisch mehr als die meisten Filme in zwei Stunden. 

Auch „Die Rache der Sith“ ist thematisch viel zu komplex, als dass er in einer einzigen Kritik vollständig besprochen werden könnte. Einzelne Schnipsel reichen aus, um daraus – wenn man denn versteht, was in ihnen vor sich geht – eine seitenlange Filmkritik zu formulieren („I’ve discovered that most critics themselves are cinematically illiterate. (…) So for them to try to analyze it, they’re lost.“ – George Lucas). Dieser Film ist auf handwerklicher Ebene unangefochten. Insbesondere die zweite Hälfte von Episode III stellt mit seinen Parallelmontagen, der Anwendung sowjetischer Montagetheorie und griffith-schem „cross cutting“ alles im Bereich Film der letzten 20 Jahre vor und nach ihm in den Schatten.

Als Anakin mit den Klontruppen die Treppen hinauf in den Jedi-Tempel marschiert, ist das nicht nur ikonisch, weil Komponist John Williams es musikalisch spektakulär untermalt, sondern weil George Lucas bewusst sein Vorbild Sergei Eisenstein zitiert, als in „Panzerkreuzer Potemkin“ die zaristischen Truppen auf die Menschen schießen. Natürlich kann Lucas nicht anders, die Szene zu spiegeln: Anders als bei Eisenstein laufen die Truppen die Treppen nach oben. Später findet sich Anakin im Jedi-Rat wieder. Er wird die Jünglinge des Ordens umbringen. Daraufhin schneidet der Film zu Padmes Wohnung, in der Padme erneut auf den Jedi-Tempel blickt. Nur dieses Mal in Flammen. Und sie bricht in Tränen aus, als hätte sie Anakins Tat gerade direkt mitangesehen. Es hat eine Kuleshov-artige Qualität. Als würden sich die beiden erneut direkt gegenüberstehen. Nur dieses Mal gehüllt in Dunkelheit.

Wenig später ruft Kanzler Palpatine in einer Sondersitzung des Senats sein faschistoides Regime aus, während Anakin zeitgleich die Separatisten auf Mustafar abschlachtet. Als Referenz an „Der Pate“ als Michael Corleone sein Kind tauft und im selben Atemzug seine Rivalen töten lässt, verhält sich jene Montage. Es ist eines von vielen Musterbeispielen, wie das Überkreuzen zwei parallel stattfindender Handlungen zu einer Einheit verschmelzen. Anakin tötet, aber Palpatine macht etwas noch Schlimmeres. Er tötet in diesem Moment die Demokratie. Mit einer einzigen Rede beendet er das Leben zahlreicher freiheitlicher, demokratischer Institutionen und Rechte, verbildlicht durch Anakin („So this is how liberty dies, with thunderous applause.“ – Padme Amidala).

Das große Finale findet schließlich in der Konfrontation zwischen Anakin und Obi-Wan auf Mustafar statt. Der Vulkanplanet Mustafar ist mit seiner apokalyptischen Landschaft der Schauplatz für Anakins dramatischen Fall. Anakin ist für seine Frau buchstäblich in die Hölle herabgestiegen. Er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen („It’s basically Faust in the end“ – George Lucas). Diese gesamte Sequenz als ikonisch zu beschreiben, wäre noch eine Untertreibung. Die Kunsthistorikerin Camille Paglia schrieb im Jahr 2012 dazu: „It is one of the most passionate scenes ever filmed between two men, with McGregor close to weeping.“ Und sie wagte es, die Frage zu stellen: „Who is the greatest artist of our time?“

Das Finale von „Die Rache der Sith“ ist für Camille Paglia das wichtigste Werk in den letzten 30 Jahren. In ihrem Buch „Glittering Images“ suchte sie nach den größten Kunstwerken der menschlichen Geschichte. Sie schrieb von Gemälden über Staturen bis hin zu architektonischen Meisterwerken. Nur fiel ihr partout nichts Signifikantes und Herausstechendes ab den 1970er Jahren bis heute ein. Bis sie schließlich fern sah und einen Star-Wars-Marathon mitverfolgte.

Zu diesem Zeitpunkt entfaltet sich die volle Shakespeare-sche Tragödie. Es ist zu fühlen, wie Hayden Christensen für genau diesen Moment ausgewählt wurde. Der Wahn in seinen Augen, wenn Anakin gegenüber Padme von seinen Herrschaftsvorstellungen spricht, ist ganz großes Schauspiel. Der Schnitt auf Obi-Wan, wie er in der Ferne auf der Rampe steht und sich die Eskalation zwischen zwei Brüdern entfaltet. Wie in einem Sergio Leone Italowestern umkreisen sich die beiden Kontrahenten. Und einmal mehr ist jedes gesprochene Wort ikonisch (inklusive thematischem Zirkelschluss: „Let her go, Anakin. Let her go!“ – Obi-Wan Kenobi).

Im Folgenden bedient sich George Lucas erneut des „cross cuttings“. Es wird nicht das letzte Mal sein. Sein Gespür für Montage und sein Talent für die Feinheiten im Schnitt suchen seinesgleichen. Es handelt sich nicht nur um einen epischen Schwertkampf zwischen Brüdern, zwischen Jedi und Sith, zwischen Freund und Feind. Die Konfrontation funktioniert auf zwei Ebenen: sowohl in persönlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Mittels der Parallelmontage erzählt Episode III den Niedergang der Zivilisation und den Aufstieg der Diktatur.

Auf der einen Seite kämpfen Yoda und Palpatine im Zentrum der Demokratie. Sie steigen in ihm buchstäblich empor und kämpfen um seine Zukunft. Bildsprachlich ist „Die Rache der Sith“ über alles erhaben. Palpatine reißt das Fundament des Parlamentarismus bildlich und thematisch aus seinen Angeln. Und schließlich fällt Yoda sinnbildlich für die Jedi und die Demokratie in den Abgrund. Auf der anderen Seite führt parallel der Kampf zwischen Anakin und Obi-Wan zur schrittweisen Zerstörung der Industrie. Dass die Schutzschilde versagen und die Konstruktionen, auf denen beide kämpfen, von Feuer verschlungen werden, ist erneut „absolute cinema“. Der Faschismus zerstört Industrie und Zivilisation. Anakins Gier führt dazu, dass er innerlich und äußerlich buchstäblich verbrennt und alles um sich herum in den Abgrund stürzt. 

In Rot getränkten Bildern, in einer zutiefst apokalyptischen Landschaft, schwimmen beide Kämpfer über einen riesigen Lavastrom, während John Williams mit „Battle of the Heroes“ ein weiteres musikalisches Meisterwerk abfeuert. Als Anakin schließlich im Feuer verbrennt, ist das vermutlich die emotionalste Szene zwischen zwei Männern, die jemals digital eingefangen wurde: „Nothing in the last 30 years in any of the arts has been produced as emotional compelling and significant as the finale of Revenge of the Sith.“ – Camille Paglia.

Und George Lucas hört einfach nicht auf. Mit dem Tod von Padme und der Geburt von Darth Vader liefert er gleich das nächste Meisterstück im Bereich Parallelmontage ab. Wie Frankensteins Monster fährt Darth Vader vom Tisch nach oben. Er überlebt, aber seine Frau stirbt. Und beim Versuch sie zu retten, hat er seine Menschlichkeit aufgegeben („It seems, in your anger, you killed her.“ – Imperator Palpatine). Kurz darauf wird Padme beerdigt und liegt wie Ophelia umgeben von Blumen da. Nun steht nichts mehr zwischen dem Imperator und Darth Vader. Auf der Brücke des Sternzerstörers stehen sie nebeneinander; regungslos verschränkt der gefallene Engel seine Arme. An Poesie ist das Ganze kaum zu überbieten, standen bei Qui-Gon-Jinns Beerdigung doch noch Padme und Obi-Wan zwischen den beiden. Die Anordnung und das Ineinandergreifen der Bilder sind meisterhaft.

Star Wars: Episode III –Die Rache der Sith© Lucasfilm

“I come out of abstract filmmaking. I like the idea of cutting together contrasting images and ideas so they flow one after the other. If you watch a silent movie, you can see how a story is told; if you watch abstract films, you can see that by juxtaposing images, you also tell stories, and, in doing so, the issue of cutting on one frame rather than on another becomes very important. (…) My film’s are basically in the graphics. The emotional impact from the music and from juxtaposing one image with the next. Cinema is about moving images. But it’s moving from one image to the next that creates the emotional impact.” – George Lucas

10.0 von 10.0

Die Analyse im Original auf Moviepilot


Zu weiteren tiefgründigen Kritiken und Analysen zu „Die Rache der Sith“:

Camille Paglia about Revenge of the Sith and why it’s so good

Camille Paglia on why Star Wars is high art

Star Wars Episode III: Revenge of the Sith: George Lucas’s Greatest Artistic Statement?

George Lucas, an experimental filmmaker? with Mike Klimo

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