Shogun / Joker: Folie à Deux – Kritik und Review

Shogun, Joker 2© FX Network, Warner Bros.

Für September und Oktober habe ich eine Serie und einen Kinofilm in einem Beitrag zusammengefasst. Ich schreibe über die Emmy-ausgezeichnete Serie „Shogun“, sowie die Fortsetzung des Oscar-nominierten Films aus 2019 „Joker: Folie à Deux“.

Shogun

Nach all der Lobhudelei über „Shogun“ muss ich konstatieren: Die Serie wird dem nicht ansatzweise gerecht. Und ich kann mir auch nur schwer erklären, wodurch die Begeisterung gleichermaßen bei Kritikern wie bei Zuschauern zustande gekommen ist.

Zweifelsfrei handelt es sich um eine handwerklich hochwertig produzierte Historienserie, die phasenweise mit Schauspiel, Setting und Drama zu überzeugen weiß. Aber genauso sind mir im Verlauf dutzende Punkte und Kleinigkeiten ausgefallen, die man kritisieren könnten. Wenn das der Serien-Goldstandard sein soll, dann erklärt das, warum ich immer weniger Serien schaue.

Zunächst ist „Shogun“ auf technischer Seite keinesfalls fehlerfrei. Natürlich haben insbesondere Serienproduktionen immer ihre Einschränkungen, denn egal, wie hoch das Budget ist, es muss nicht nur für zwei, sondern für zehn Stunden Bildmaterial herhalten. Nur gibt es andere Produktionen, die deutlich besser darüber hinwegtäuschen können.

Immer wenn „Shogun“ groß sein möchte, ist der Einsatz digitaler Effekte ziemlich offensichtlich. Zudem gibt es einige Szenen mit ziemlich offensichtlichem Greenscreen. Im Grunde findet die Handlung auch nur größtenteils in zwei Settings statt, einem Fischerdorf und einer Burg. Darüber hinaus scheut man die größeren Actionsequenzen oder Schlachtmomente, denn sobald sie auch nur angedeutet werden, erkennt man die Grenzen des technisch Machbaren.

Das wird insbesondere im Finale ersichtlich, als die ursprünglich als limitierte geplante Serie den großen Showdown, auf den neun Stunden lang hingearbeitet wurde, nur in einem Flashforward kurzerhand abarbeitet, um kein großes Spektakel inszenieren zu müssen. Also endet „Shogun“ buchstäblich ohne die Konklusion, dass jemand Shogun wird. Stattdessen wird das Ganze in einem Dialog abgefrühstückt.

Eigentlich ist die historische Ausgangslage sehr interessant. Die Serie aus den 80ern und den Roman dazu kenne ich nicht. Die Prämisse reicht allein, um Interesse zu wecken. In Japan kämpfen nach dem Tod des Herrschers verschiedene Fürsten um die Nachfolge. Darin verwickelt sich ein gestrandeter Engländer, der sich mit einem der Fürsten anfreundet. Und die Portugiesen mischen auch noch mit.

Das Ganze basiert auf realen Gegebenheiten, die so zu Beginn des 17. Jahrhunderts stattgefunden haben. Problematisch wird es, wenn sich der Wikipedia-Eintrag spannender liest als eine 10-stündige Serie dazu. Und man kommt kaum darum herum, die eine oder andere Sache in den ersten paar Folgen zu recherchieren, da die Serie keine Anstalten macht, den Zuschauer in irgendeiner Form abzuholen.

Es sind ja nicht nur die historischen Hintergründe an sich, sondern auch die kulturellen Gepflogenheiten des japanischen Landes vor 400 Jahren. Bei vielen Motiven, Entscheidungen und Charakterzügen habe ich irgendwann aufgegeben, diese zu hinterfragen oder auf logischem Denken her zu überprüfen. Scheinbar war das damals einfach so. Die Leute haben so gedacht, so gehandelt, so gedient. Und die meisten Zuschauer scheinen das problemlos geschluckt zu haben. Nur täuscht das nicht darüber hinweg, dass so einige Charakter- und Plotentwicklungen schlicht keinen Sinn ergeben oder überaus konstruiert erscheinen.

Wobei „Plotentwicklung“ schon einer Übertreibung gleicht. „Shogun“ lebt in zehn Stunden mehr von regelrechten Mikroentwicklungen, als dass irgendetwas Überraschendes oder Spannendes passieren würde. Im Grunde besteht die gesamte Serie aus diplomatischem und intrigantem Gerede, woraus letztlich nie etwas Nennenswertes entsteht.

Der eine Fürst sitzt im Fischerdorf und „überlistet“ seine Gegner durchweg mit irgendwelchen Finten und Lügen, während die anderen Fürsten in der Burg sitzen und jedes Mal feststellen, dass sie aufgrund dieses Gesetzes und jener Formalie ja gar nichts machen können. Würde man nur „Shogun“ kennen, könnte man glauben, dass Japan Jahrhunderte lang in einem historischen Limbo saß, in dem eigentlich nie etwas passiert ist.

Geschichten dieser Art können ja durchaus spannend sein. Niemand schreit hier nach großer Action oder kriegerischen Auseinandersetzungen. Nur ist das Erzählte nun mal leider nicht spannend und nach der fünften Ausrede, warum XY nicht passieren kann, was seit Folge Nr. 1 angedeutet wurde, fühlt man sich als Zuschauer langsam auf den Arm genommen. „Shogun“ wird deswegen leider von Folge zu Folge langweiliger.

Eine kleine Enttäuschung ist auch der Hauptdarsteller, der Engländer in der Serie. Zwar gefällt er mir im späteren Verlauf immer besser, aber insgesamt frage ich mich schon, wie man neben Hiroyuki Sanada so eine Dumpfbacke stellen konnte. Generell ist das Verhältnis zwischen ihm und dem Fürsten ernüchternd. Die historische Vorlage liest sich großartig: ein gestrandeter Engländer, der einem japanischen Fürsten zum Aufstieg zum Shogun verhilft, zeitgleich zu einem engen Freund wird und als erster Europäer den Titel eines Samurai erhielt.

Geschrieben klingt das spannend, das war es dann aber auch. Denn die Serie schafft es zu keinem Zeitpunkt glaubhaft zu vermitteln, wie der Engländer dem Fürsten tatsächlich half, außer dass er ihm ein paar strategische Informationen über die verfeindeten Portugiesen gab. Stattdessen nutzt der Fürst viel mehr sein Dasein aus, was, warum auch immer (richtig erklärt wird das nie), die gesamte politische Landschaft Japans lahmlegt und zu keiner einzigen weitreichenden Entscheidungen seiner Gegner führt.

Auch die Freundschaft der beiden bildet sich mehr so nebenbei, wobei nie ganz klar wird, was der Fürst am Engländer hat. Aus nicht ersichtlichen Gründen ist er total begeistert von ihm und schenkt ihm alles. Der Engländer ist dabei genauso überrascht wie der Zuschauer. Nur verläuft sich das alles auch irgendwann und in der zweiten Hälfte der Serie spielt das keine allzu große Rolle mehr.

So dramaturgisch mau wie das, verlaufen auch viele andere Handlungselemente. Es gibt so einige Figuren, die im Verlauf der Serie die Seiten wechseln oder sterben, nur nichts davon trifft einem emotional. „Shogun“ macht es einem generell schwer für Irgendjemanden Sympathien zu hegen, weil alle Figuren letztlich so emotionslos und rein durch ihre Loyalität gesteuert handeln.

Zwar versteht man, dass die Japaner nun mal so sind (oder waren): obrigkeitshörige Befehlsempfänger, deren einziger Sinn es ist, loyal zu sein, jederzeit seine Pflicht zu erfüllen und kein einziges Mal eigenständig denkend aus dem geschaffenen System auszubrechen. Selbst die Fürsten sind derart in diesem gesellschaftlichen Konstrukt gefangen, sodass keine einzige nachvollziehbare, notwendige, gar logische Entscheidung oder Handlung zustande kommt.

Der Engländer hält, wie beschrieben, auch nicht her. Und der besagte Fürst, wird gegen Ende sogar zum Unsympath, bei dem man sich fragt, warum man überhaupt „für ihn“ sein soll, wenn er beispielsweise aus einer „List“ heraus seinen besten Freund Selbstmord begehen lässt, damit er schlussendlich an die Macht kommen kann.

Fazit: Hätte ich all das Tamtam um „Shogun“ nicht mitbekommen, dann hätte es sich wohl einfach nur um eine mittelmäßige Serie gehandelt. So jedoch verbleibt „Shogun“ als mittelgroßes Rätsel zurück. Oder eben als eine Serie, die enorm überbewertet ist.

5.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

Joker: Folie à Deux

„Joker: Folie à Deux“ ist das, was dabei herauskommt, wenn eine Fortsetzung von Anfang an als gänzlich überflüssig galt. Am Beeindruckendsten ist, dass es Regisseur Todd Phillips geschafft hat aus dieser Geschichte, welche maximal als kleiner Epilog zum ersten Teil herhält, 140 Minuten an Bildmaterial herauszupressen.

„Joker“ wurde im Jahr 2019, trotz mittelmäßiger Kritiken, zum großen finanziellen Überraschungserfolg. Und obwohl sich ein Kult um den Film bildete, waren selbst Liebhaber des Films der Meinung, dass es an einer Fortsetzung nicht bedarf. Natürlich interessierte dieser Umstand das Studio herzlich wenig und finanzierte einen zweiten Film.

Dass eine Fortsetzung nun jedoch derart einfallslos daherkommt, ja geradezu dazu beiträgt, den Vorgänger rückblickend dümmer und schlechter dastehen zu lassen, das überrascht dann doch. Dieser Film pendelt zwischen „Scheiß drauf, Warner Bros. hat mir 200 Millionen Dollar gegeben, ich mache damit, was immer ich möchte“ und „Oh Gott, Hilfe, der erste Film war nie dazu konzipiert eine Fortsetzung zu erhalten, was soll ich nur machen?“

„Joker: Folie à Deux“ lässt den Zuschauer an sehr vielen Stellen ratlos zurück. Was genau war an diesem Film so teuer, gleich viermal teurer als am Vorgänger? Denn dafür, dass der Film überwiegend in einem kargen Gefängnis und einem einzigen Gerichtssaal spielt, wird das durch nichts gerechtfertigt.

Warum wird mit dem Musical-Aspekt so halbgar umgegangen? Schon im Vorfeld musste Todd Phillips zurückrudern, als anfängliche Berichte es so aussahen lassen, als sei der gesamte Film ein Musical. Jetzt fragt man sich, warum war er das eigentlich nicht? Stattdessen serviert einem der Film zwar ab und zu ganz nett anzusehende Musical- und Gesangseinlagen, aber diese reißen das Ruder leider auch zu keinem Zeitpunkt herum.

Jetzt behaupten einige positiv gestimmte Kritiken, der Film versuche sich an einer kritischen Rezeption des ersten Teils. Aber tut er das wirklich? Der Joker als Idol und Symbol wird hier Schritt für Schritt entmystifiziert, was angeblich gerade Fans sauer aufstoßen soll. Aber zum einen hat bereits der erste Teil Joker als Figur in vielen Bereichen entmystifiziert und zum anderen war ja bereits das damals schon einer der großen Kritikpunkte des Films – Joker als Symbol für die „trumpistische“ Arbeiterklasse, die mittels eines Gewaltaufstandes die staatliche Ordnung niederschlägt. Kein „Fan“ sollte hier vor den Kopf gestoßen werden, wenn genau das jetzt mit der Fortsetzung relativiert wird.

Das Problem des Films liegt tatsächlich woanders: „Joker: Folie à Deux“ schafft es, das bisschen Ambivalent und Uneindeutigkeit des Vorgängers zu nehmen und Kopf über in die Mülltonne zu werfen. Ich bin kein Fan des ersten Films, nein, ich fand ihn nicht nur mittelmäßig, sondern zähle ihn zu den überbewertesten Comicverfilmungen aller Zeiten. Schon damals wurde vieles, was an Joker als Figur spannend ist, viel zu sehr ausbuchstabiert und erklärt.

Aber selbst den Rest an Spekulation, der noch geblieben ist, schiebt Todd Phillips eindrucksvoll den Riegel vor. Der erste Teil hat damit gespielt, was real ist und was sich nur in Arthurs Kopf abspielt. Man kann sogar sagen, der Film erhielt eigentlich erst mit seinem Ende den Kultstatus, indem durch eine einzige Sequenz alles davor Gezeigte infrage gestellt wurde: „Ist der Film nicht clever? Fand das alles etwa nur in Arthurs Kopf statt?“ Die Fortsetzung raubt dem alles.

Oder beweist auf beeindruckende Art und Weise, dass der erste Teil nie besonders clever war. In „Joker: Folie à Deux“ ist nichts zweideutig oder spekulativ, nein, jede Szene wird meist durch ihre fantasievollen Musicaleinlagen klipp und klar vom realen Teil getrennt. Und durch den Gerichtsprozess rund um Arthur wird schließlich auch verraten, was am ersten Film real war und was nicht (Spoiler: Alles, was der Film gezeigt hat, ist auch genauso passiert.)

Darüber hinaus lässt sich konstatieren, dass der Film auch schlicht langweilig ist. Die Highlights in Form von Musicaleinlagen, der wieder guten Regie und den schönen Bildern, täuschen nicht darüber hinweg, dass in 140 Minuten hin und her Gelaufe in einem Gefängnis nicht viel passiert.

Obendrein ist die Figurenzeichnung geradezu chaotisch und regelrecht inkonsistent. Insbesondere Arthur ist nach Teil 1 kaum wiederzuerkennen. „Joker“ endete auf einem Höhepunkt, während sich Arthur in der Fortsetzung auf unerklärliche Weise gebrochen durch den Film schleppt, kurzfristig durch Harley Quinn motiviert wird, sein Alter Ego Joker wieder anzunehmen, um ihn dann wiederum auf unerklärliche Weise und abrupt fallen zu lassen. Kann man zwar so schreiben, aber macht es nicht nachvollziehbar oder besonders logisch.

Fazit: Ein Musterbeispiel von einer überflüssigen Fortsetzung, an der ein Regisseur aufgrund mangelnder kreativer Einfälle sowie nicht konsistent zu Ende überlegter Ideen scheitert.

4.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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