Robin Hood – König der Diebe (1991)

Robin Hood© Warner Bros.
Kevin Costner in “Robin Hood – König der Diebe” (1991)

Der Mythos wird seit Beginn des Spielfilms regelmäßig neu aufgelegt, aber für mich ist immer noch „König der Diebe“ die gelungenste und beste „Robin Hood“-Verfilmung. Die Mischung aus Action und Humor, die hervorragende Besetzung von Kevin Costner bis Alan Rickman und die durchgehend gelungene Umsetzung, aber auch Variation, der bekannten Schauplätze und Stationen dieser Geschichte tragen dazu bei. Dazu kommt der perfekte Score von Michael Kamen.

Bei so vielen Adaptionen ist es interessant, wie der Mythos immer wieder neu interpretiert wird und sich die Versionen gegenseitig beeinflussen. Den Abenteuer-Klassiker aus dem Jahr 1938 „Robin Hood, König der Vagabunden“ hätte ich gerne mehr gemocht, aber war mir dann insgesamt doch zu flach und altmodisch. Dennoch ist er als Ausgangspunkt aller nachfolgenden Verfilmungen nicht wegzudenken. Der Errol-Flynn-Klassiker orientierte sich bereits stark an einer Stummfilm-Version aus dem Jahr 1922.

Die Disney-Version der 70er orientierte sich optisch enorm an der 1938er-Verfilmung, kürzte die Geschichte jedoch hinsichtlich des Beginns und legte den Fokus stärker auf die Freundschaft zwischen Robin und John Little. Beide Verfilmungen klammern dafür den dritten Kreuzzug weitestgehend aus. König Richard ist zwar abwesend, aber Robin Hood hat mit den Kriegen wenig zu tun.

Dieser Aspekt wird jedoch in den moderneren Adaptionen stärker integriert, lediglich innerhalb der Handlung wird der Kreuzzug immer wieder neu platziert: In der hervorragenden Interpretation „Robin und Marian“ (1976) wird Robin erst nach seinen Abenteuern im Sherwood-Wald auf den Kreuzzug mit Richard geschickt; in den bekannteren, neueren Adaptionen – „König der Diebe“ (1991), Ridley Scotts „Robin Hood“ (2010) und der 2018er „Robin Hood“-Version – findet der Kreuzzug vor dem Kampf gegen Richards Bruder und/oder den Sheriff statt.

Jede Adaption variiert ihre Figuren und Schauplätze neu. Für gewöhnlich sind Prinz John und der Sheriff von Nottingham die zentralen Antagonisten, die sich in Abwesenheit von König Richard den Thron unter den Nagel reißen wollen. Was eigentlich alle Versionen gemein haben, ist der adlige Status von Robin Hood, der sich als treuer Untergebener Richards sieht und gegen John auflehnt.

In den frühen Balladen des 15. Jahrhunderts war Robin Hood für lange Zeit ein einfacher Bauer bzw. Untertan; erst in den späteren Jahrhunderten wurde ihm der Adelsstatus dazu gedichtet, von nun als Robin von Locksley bekannt (Ridley Scotts Verfilmung greift diese Tatsache auf, indem Robin lediglich seinen Adelsstand vortäuscht und am Ende des Films wieder verliert). Dass er sein erbeutetes Geld den Armen spendet, ist übrigens ebenfalls eine spätere Erfindung.

Zu seinen engsten Freunden zählen John Little und Will Scarlet, wobei Letzterer in den moderneren Adaptionen eher vernachlässigt wird. In den meisten Verfilmungen wird John Little zu seinem besten Freund. Anders noch im Errol-Flynn-Klassiker, der John Little zu einer Randfigur macht, während Will von Beginn an Robins engster Begleiter ist. Was natürlich dazugehört, ist das berühmte Treffen zwischen Robin und John Little bei der Überquerung eines Flusses. Für gewöhnlich findet Robin Hood hier seinen Meister in Johns breiter Statur. Er wird von John ins Wasser geworfen. Für mich der Lieblingsmoment der Legende, der natürlich auch in „König der Diebe“ (1991) besonders gut geglückt ist.

Die Geschichte zwischen Lady Marian und Robin ähnelt sich in allen Versionen stark. Sie gehört dem Adelsstand an und ist die Cousine von König Richard. Robin und Marian kennen sich entweder schon seit der Kindheit oder treffen sich erst später durch die Raubzüge von Robin Hood. Komplettiert wird die Besetzung meist durch eine Dienerin von Marian, die z.B. in der 1938er-, der Disney- und der 1991-Verfilmung sehr präsent ist, aber in der Legende eigentlich nie erwähnt wurde. Hinzu kommen noch Bruder Tuck und Much, der Müllersohn, wobei Letzterer (bis auf die 1938er-Version) eher irrelevant bleibt.

Neben der Begegnung zwischen Robin und John Little zählt meist noch das Bogenschützen-Turnier zu den bekanntesten Stationen im Robin-Hood-Mythos. Während es in der Errol-Flynn-Version und Disney-Adaption sehr präsent ist, spielt das Turnier in „König der Diebe“ (1991) überraschenderweise keine Rolle. In der Regel zementiert das Turnier Robins Status als unangefochtener Bogenschütze, wohingegen die Waffengattung zwar in „König der Diebe“ sehr präsent ist (und Kevin Costner auch mal einen Pfeil spalten darf), aber nicht so zentral und überhöht wird, wie in anderen Verfilmungen.

Generell variiert die 1991-Adaption die Legende an mehreren Stellen geschickt: Prinz John wird aus der Handlung entfernt, während stattdessen der Sheriff zum Oberbösewicht befördert wird. Zwar ist der Sheriff der bekannteste Erzfeind von Robin Hood, aber in der Regel doch nur der Handlanger von Prinz John. Hier wird der Sheriff jedoch zum zentralen Intrigant, wohingegen Guy von Gisborne – z.B. in der Errol-Flynn-Version auch nur ein weiterer Gehilfe von Prinz John – zum Handlanger des Sheriffs ausgebaut wird.

Frei erfunden ist freilich Mortianna, die Hexe des Sheriffs, die der Verfilmung eine mythische und gruselige Note verleiht. Neu interpretiert wird auch die Rolle von Will Scarlet, der über weite Strecken zum inneren Feind Robins gemacht wird und sich später als der enttäuschte und vernachlässigte Halbbruder Robins herausstellt. Erzählerisch ist das eher eine schwächere Phase des Films.

Ebenfalls erfunden, ist natürlich auch die prominente Rolle von Morgan Freeman als Azeem, der hier sozusagen die Rolle von Will neben Robin einnimmt. Dieser Teil funktioniert besonders gut, weil dadurch der Kreuzzug jederzeit präsent bleibt und nicht nur ein Anhängsel zu Beginn des Films. Der Glaubenskonflikt und Rassismus gegenüber Azeem werden zwar lediglich angedeutet, aber gibt dem Film doch eine eigene Note. Ursprünglich schwebte noch ein anderer Konflikt über Robin und Prinz John: der „Klassenkampf“ zwischen normannischen Adligen und den Angelsachsen. Die Errol-Flynn-Verfilmung des Jahres 1938 spricht diesen Konflikt ganz konkret an, wohingegen fast alle späteren Adaptionen diesen Aspekt eher ignorieren (vielleicht auch, weil es historisch nicht ganz passt).

In der Regel endet die Geschichte mit der Rückkehr von König Richard und der Heirat von Robin und Marian. Dieser Aspekt variieren in den Verfilmungen meistens nur gering: In der 1938-Version kehrt Richard zum Beispiel schon früh zurück und offenbart sich Robin, hält seine Identität aber aus Vorsicht lange Zeit geheim; und Ridley Scott änderte seine Geschichte 2010 so weit ab, dass Richard bereits zu Beginn auf der Heimreise von den Kreuzzügen stirbt und somit keine Rolle mehr bei den folgenden Robin-Hood-Abenteuern spielt (der Film stellt ohnehin eine ausgedachte Vorgeschichte der bekannten Legende dar).

Bezüglich der Heirat von Robin und Marian frage ich mich, ob sich „König der Diebe“ (1991) hier von der Disney-Verfilmung hat inspirieren lassen. Nicht nur stellt die Hochzeit in beiden Filmen die letzte Szene dar, sondern König Richard kehrt auch zu diesem Zeitpunkt zurück und erhält seinen einzigen kurzen Auftritt. Dabei sticht vor allem Schauspiel-Legende Sean Connery heraus, dessen Auftritt sich mir im Kontext erst spät erschlossen hat: Sean Connery spielte Robin Hood 1976 in „Robin und Marian“ selbst, eine Verfilmung, die eher unbekannt ist und unterschätzt wird.

Bei allen Variationen, die sich „König der Diebe“ herausnimmt, ist es vermutlich eine der Verfilmungen, die sich am weitesten vom Mythos entfernt. Aber letztendlich ist das ausgerechnet bei der Legende Robin Hoods nicht von großer Bedeutung, weil sich der Mythos seit dem 13. Jahrhundert über mehrere Jahrhunderte entwickelt hat und ausgeschmückt wurde.

Regisseur Kevin Reynolds und seine Autoren zogen die richtigen Schlüsse: Prinz John ist sowieso in keiner Verfilmung interessant. Der finale Kampf zwischen Robin und dem Sheriff ist das Highlight des 1938er-Klassikers, nicht Prinz John. So auch in „Robin und Marian“ (1976). Disneys Adaption weiß derweil nicht mehr mit ihm anzufangen, als Prinz John zum nicht ernstzunehmenden Comic-Relief zu machen.

Ähnliches gilt für Will Scarlet, der zwar in den aller frühsten Quellenzeugnissen bereits ein enger Begleiter Robins ist, viel mehr hat die Figur aber auch nicht zu bieten. Der Fokus wird meistens zu Recht auf John Little verschoben und auch wenn „König der Diebe“ mit der Neuinterpretation von Wills Figur keine erzählerische Glanzleistung geglückt ist, haben sie zumindest versucht, ihn auf irgendeine Weise interessant und relevant zu gestalten.

Robin Hood© Warner Bros.

Ansonsten ist es der teils humoristische und im Wesentlichen modernere Ansatz des Films – welcher sich dennoch stets ernst nimmt –, der „Robin Hood – König der Diebe“ zu der inszenatorisch und narrativ besten Version des Mythos macht. Die darstellerischen Leistungen sind hervorragend und dem Film gelingt es mit wenigen Änderungen und Ergänzungen, wie z.B. der Figur Azeem, die Legende würdig auszuarbeiten.

Duncan: „Ich verfluche die Mauren und Sarazenen. Ohne diese gottlosen Strolche wäre Master Robin niemals fortgegangen. Woher stammt eigentlich der Name Azeem? Irisch? Walisisch?“

Azeem: „Maurisch.“

8.5 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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