Everything Wrong With „How Star Wars was saved in the edit“

Han Solo in Star Wars© Lucasfilm/Disney
Han Solo in Return of the Jedi (1983)

Im Jahre 1977 wurde Star Wars abseits von George Lucas in der Postproduktion gerettet, zumindest suggeriert das ein erfolgreiches Video auf YouTube. Leider ist das Video größtenteils falsch recherchiert und verzerrt Zusammenhänge.

Das YouTube-Video „How Star Wars was saved in the edit“ hat Ende 2017 für viel Aufsehen unter Star Wars–Fans gesorgt. Es schien gut recherchiert, ist anschaulich präsentiert und gibt einen sehr interessanten Einblick in die Produktion des ersten Star Wars Films. Bis heute hat es über zwei Millionen Aufrufe. Das Video basiert überwiegend auf dem Buch „The Making of Star Wars“, welches auf weit über 300 Seiten intensiv die mühsame Entstehung von George Lucas‘ Filmklassiker aus dem Jahr 1977 schildert.

Nachdem ich mir das Buch vor einigen Wochen selbst zugelegt und mir über Umwege noch einmal das entsprechende Video angesehen habe, musste ich überrascht feststellen, dass „How Star Wars was saved in the edit“ ein nahezu völlig falsches Bild abliefert. Zusammenhänge werden falsch wiedergegeben, viele Inhalte sind falsch dargestellt und die Produktion – die „Rettung“ von Star Wars – wird übermäßig dramatisiert.

Seit der Existenz der Prequels ist es in der Fanbase zur Mode geworden George Lucas jedwede Kompetenz abzusprechen. Das war in den 2000er Jahren cool und ist es unter einigen zurückgebliebenen, mittlerweile 30-40-jährigen „Fans“ immer noch. George Lucas für die Prequels abzustrafen war nicht genug, nein, in den vergangenen Jahren wurde auch immer wieder versucht zu beweisen, dass Lucas ja auch am Erfolg der Original Trilogie einen zu vernachlässigen kleinen Anteil hatte.

Er habe die Ideen gehabt, aber die eigentlichen Filme entstanden lediglich aufgrund seines fähigen Teams (im Umkehrschluss war also bei den Prequels nicht nur George Lucas inkompetent, sondern auch sein komplettes Team). Auch „How Star Wars was saved in the edit“ begnügt sich nicht damit den Produktionsverlauf abzubilden, sondern zielt genau auf diese Kerbe: George Lucas hat einen fürchterlichen Film vorgelegt und all das wurde nur durch seine hervorragenden Cutter gerettet. Mit der Wahrheit hat das natürlich erwartbar wenig zu tun. Aber das Video bildet leider ganz grundsätzlich eine falsche Realität ab.

1. George Lucas‘ Freunde waren angeblich überhaupt nicht begeistert


Das Video startet mit der Feststellung, dass der Ausgangspunkt der gesamten „Rettungsaktion“ die Preview im Februar 1977 gewesen wäre, als Lucas einigen seiner Regiefreunde einen Rohschnitt des Films vorgestellt hat. An vorderster Front mit Steven Spielberg und Brian De Palma, hätten angeblich alle Kollegen sehr negativ reagiert. Neben den unfertigen Effekten lag es vor allem am schlechten Schnitt. Drei Monate vor Kinostart soll man den Schnitt also nochmal komplett überarbeitet haben – eine gänzlich falsche Darstellung, wie „The Making of Star Wars“ offenbart.

In Wahrheit fanden die Schnittarbeiten am Film bereits zwischen Juli und Dezember 1976 statt. Die Version von Februar 1977 kann zwar durchaus als Rohschnitt bezeichnet werden, aber das lag größtenteils an den unfertigen Effekten, der fehlenden Musik und den nicht vorhandenen Soundeffekten. Den ersten Cut gab es allerdings schon ungefähr Ende Oktober bzw. Anfang November 1976. Bis Februar waren die Probleme, die „How Star Wars was saved in the edit“ darstellt, längst behoben. Aber es geht noch weiter. Die Freunde von George Lucas waren zwar unsicher, ob der Film funktioniert, einzig negativ äußerte sich damals aber nur Brian De Palma. Der Filmeditor Paul Hirsch erinnert sich, dass De Palma ziemlich harsch war und teilweise einfach überreagierte.

George Lucas: „Brian was saying, `What’s all the Force shit?! Where’s all the blood when they shoot people?´ If you know Brian, that’s the way he is.“ Dabei ging es also überwiegend um Kleinigkeiten und Empfindlichkeiten von De Palma, weniger um Schnitt, die Geschichte oder dass der Film größtenteils schlecht war. Steven Spielberg sagte sogar: „The film was really not ready to be screened for anybody yet. It only had a couple dozen final effects shots; (…) I loved it because I loved the story and the characters.“ Das Einzige, was wirklich von der Kritik übrig blieb, war die Überarbeitung des Eröffnungstextes, wie das Video ebenfalls feststellt.

Der Schnitt des Films war zu keinem Zeitpunkt wirklich in Gefahr und die Arbeiten daran gingen für eine Filmproduktion normal vonstatten. Oder wie ist es zu erklären, dass Marcia Lucas, die Frau von George Lucas und angeblich große Akteurin bei der „Rettung“ von Star Wars, schon nach Thanksgiving (also Ende November 1976) die Produktion für einen anderen Film verließ?

Aber es kommt noch besser. Bereits Ende Januar 1977 stellte George Lucas seinen Film den Produzenten von 20th Century Fox vor: „(…) Lucas noticed that one of the execs was becoming emotional. `I was sitting right next to Gareth, and he turned to me and he had tears in his eyes´ Lucas said. `I couldn’t believe it. (…) I thought he was crying because he was thinking, Oh my God – our whole careers are destroyed. (…) But he said, `That is the greatest film I’ve ever seen.´ (…)“.[1]

2. George Lucas, der Anfang des Films und Jabba The Hutt


„How Star Wars was saved in the edit“ suggeriert in den ersten 10-14 Minuten des Videos, dass vom Anfang des Films dramatisch viel verändert wurde. Die ganze Exposition sei ein einziges Durcheinander gewesen und dieses Problem konnten die Cutter nur mit ihren eigenen total intelligenten Einfällen lösen. George Lucas‘ Teilnahme daran wird natürlich nicht erwähnt. Tatsächlich beschreibt das Video hierbei allerdings nur ganz normale Schnittarbeit.

Natürlich war Star Wars etwas Besonderes. Der Film war ein großes Experiment und etwas noch nie dagewesenes. Dennoch sind die ganzen Vorgänge rund um Lukes Einführung, das Imperium und das Treffen mit Obi-Wan ganz normale Optimierungsarbeiten gewesen. Hier wurde nichts gerettet, schicksalsträchtiges geleistet oder die Welt vor dem Untergang bewahrt. Es wurde einfach ein Film geschnitten und das ohne großen Zeitdruck zwischen Juli 1976 und Anfang 1977. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, den jeder Film durchmacht; mal mehr, mal weniger aufwendig. Wird ein Film „gerettet“, wenn Szenen anders angeordnet oder herausgeschnitten werden? Nein, das nennt sich Postproduktion. Und die durchläuft jeder Film.

Aber auch hier kommt es noch besser – viele Optimierungen waren die Idee von George Lucas. Paul Hirsch erläutert ausführlich, dass Lucas auf den Gedanken kam den Anfang zu kürzen, viele Szenen von Luke herauszunehmen und umzustellen, um ein klareres Gefühl für den Konflikt zu schaffen: „George also felt that there was no reason to see Luke until he became an active participant in the story.“ Seine Frau Marcia habe ihn daraufhin sogar gedrängt die Szenen mit Luke und seinen Freunden woanders zu platzieren und nicht zu scheiden. Also die Frau, die laut „How Star Wars was saved in the edit“ angeblich Star Wars „gerettet“ hat.

Weiter argumentiert das Video, dass die Szene mit Han Solo und Jabba the Hutt aus erzählerischen Gründen herausgenommen wurde, schließlich enthält sie keinen Mehrwert. Dabei kann es sich die Prequel-Generation natürlich nicht nehmen lassen nochmal nachzutreten und George vorzuwerfen diese vermeintlich unnötige Szene in der Special Edition wieder hinzugefügt zu haben.

In Wahrheit verhält es sich aber mal wieder völlig anders: Lucas hat die Szene selbst herausgeschnitten. Und zwar nicht aus dem Grund, weil sie erzählerisch irrelevant war, sondern weil Lucas einen stop-motion Jabba von ILM haben wollte, seine Effektschmiede damit allerdings nicht rechtzeitig fertig wurde. Ganz recht, George Lucas wollte den Darsteller von Jabba bereits damals mit einem Effekt ersetzen, um das Alien zu erschaffen, welches er sich vorstellte. Mit diesem Kontext im Hinterkopf ergibt es nun auch plötzlich Sinn, wieso Lucas die Szene Jahrzehnte später wieder eingefügt hat. Jetzt hatte er die Möglichkeit Jabba digital zu erstellen. Die Szene wurde also nie aus storytechnischen Gründen entfernt, sondern aus Effekt- und Zeitgründen. Und auch bei dieser Szene war es Marcia Lucas, die dafür kämpfte die Jabba-Szene zu behalten. Seltsam.

Selbiges gilt übrigens für die neu angeordneten Szenen mit Luke und Obi-Wan. Diese Sequenz wurde 1976 geschnitten und George Lucas hatte einen großen Anteil daran, wie anhand seiner Zitate (er beschreibt den Prozess dieser Sequenz) abzulesen ist.[2]

3. Marcia Lucas und die „Rettung“ des Finales


In den letzten 4-5 Minuten geht „How Star Wars was saved in the edit“ auf das Finale des Films ein, genauer der Angriff auf den Todesstern. Auch hier ist sich das Video wieder ganz sicher, wie entscheidend der Schnitt für die Sequenz war, um Star Wars zu „retten“. Hier wird „The Making of Star Wars“ sicherlich eine große Geschichte erzählen, seitenweise vom anstrengenden Prozess dieser Szene berichten… Oder sich nur einem kleinen Absatz bzw. fünf Sätzen widmen. Ja, tatsächlich, dieses enthüllende Video basiert überwiegend auf ein paar langen Absätzen, die zusammen noch nicht mal eine Seite des Buchs füllen könnten. Und der Todesstern-Sequenz, wie es „How Star Wars was saved in the edit“ auf fast 5 Minuten ausdehnt, wird nicht mehr Aufmerksamkeit als wenige Sätze geschenkt.

Marcia Lucas wird an der Szene zwar sicherlich ihren Anteil gehabt habe, bis auf ein Zitat von ihr und dass sie sich anschließend für einen anderen Film aus der Produktion verabschiedet hat, geht dies allerdings kaum hervor. Mir ist es ein Rätsel, wieso das Video ihre Rolle dermaßen aufbläht. Aus den Quellen geht dies nur ansatzweise hervor. Es wird ganz kurz berichtet, wie George die Spannung der Szene steigern wollte und man dafür altes Material vom Todesstern und von Peter Cushing benutzt hat. Mehr nicht. Über die Entstehung des Finales wird schließlich später noch einmal ausführlicher auf fünf Seiten berichtet, aber dabei geht es vor allem um Effekte und ILM. Der Schnitt findet hingegen keine Beachtung.[3]

Was bleibt nun? „How Star Wars was saved in the edit“ stellt die Ereignisse falsch dar und überdramatisiert hemmungslos. Möchten die Macher eine Lanze für die wichtige Postproduktion bzw. Schnittarbeit brechen? Sicherlich. Muss man überdramatisieren, um auf YouTube überhaupt bemerkt zu werden? Auch. Dennoch hätte es der Reichweite des Videos nicht geschadet, wenn man die Informationen aus „The Making of Star Wars“ einfach richtig geordnet präsentiert hätte. Währenddessen verliert sich das Video darin die Cutter zu lobhudeln und George Lucas‘ Anteil zu ignorieren oder ihn sogar für schlechte Entscheidungen verantwortlich zu machen. Dem war offensichtlich nicht so.

Aber hier handelt es sich scheinbar um eine lange Reihe an verfälschten Tatsachen, um den Schöpfer von Star Wars nachträglich als Buhmann des gesamten Teams dastehen zu lassen. Die Wirkung des Videos wird vor allem im Kommentarbereich deutlich. Marcia Lucas ist plötzlich die Heldin von 1977 und George Lucas nur noch der Visionär ohne sonstige Talente. Die Aufarbeitung und Richtigstellung des Ganzen hat noch zu erfolgen. Die Kränkung der letzten und vorletzten Star Wars Generation wird George Lucas Genie nicht untergraben; dafür sorgt die neue Fanbase.

Ein aktuelles, sehr ausführliches Video zeichnet im Übrigen noch viel detailgetreuer nach, inwiefern die dargestellten „Tatsachen“ im Original-Video falsch sind. Sehr sehenswert:

Der Artikel im Original auf Moviepilot

Quellenangaben

Quellenangaben
1 J. W. Rinzler, The Making of Star Wars, S. 230, 238, 247, 255f.
2 J. W. Rinzler, The Making of Star Wars, S. 232, 238.
3 J. W. Rinzler, The Making of Star Wars, S. 238, 276 – 281

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