Doctor Strange in the Multiverse of Madness – Kritik

Doctor Strange© Disney

„Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ ist in seinen besten Momenten verrückt und außerordentlich unterhaltsam, belastet sich jedoch selbst mit einem denkbar mittelmäßigen Drehbuch und einer simplifizierten Handlung. Regisseur Sam Raimi rettet den überwiegend belanglos erzählten Film mit seiner Inszenierung, welche Farben und visuelles Leben in das MCUs zurückbringt.

Die Fortsetzung zum ersten „Doctor Strange“-Film ist zu meiner Überraschung weniger ein zweiter Doctor-Strange-Teil, sondern vor allem eine Fortführung zur Serie „WandaVision“. Die Scarlet Witch nimmt eine gleichwertige Rolle neben Steven Strange ein und drückt diesem Film ihren Stempel auf. Es geht um Wanda, während Doctor Strange im Wesentlichen auf ihre Aktionen und Taten reagiert. Dadurch ist „In the Multiverse of Madness“ vordergründig „WandaVision 2“ mit einem Doctor-Strange-Film drumherum gebaut.

Das hat seine Vor- und Nachteile. Einerseits ist Wanda die deutlich interessantere Figur als Doctor Strange. Seit „Avengers: Age of Ultron“ zeigt dieser Film zum ersten Mal wieder die dunklen Seiten von der Scarlet Witch und dass es sich bei ihr tatsächlich um eine brandgefährliche und superstarke Hexe handelt. Das gefällt, da sie als Kern der Handlung wunderbar funktioniert und auch von Sam Raimi die mit Abstand besten und coolsten inszenatorischen Momente des gesamten Films spendiert bekommt.

Andererseits degradiert diese Tatsache den besagten Doctor fast schon zu einem Nebencharakter in seinem eigenen Film. Sein Dasein wird zwar nach den letzten Ereignissen im MCU ebenso gebührend fortgeführt, aber wirklich um ihn geht es fast nie. Das merkt man allein schon daran, dass Teil 2 sehr viele Aspekte aus Teil 1 gar nicht mehr aufgreift oder gar überspringt. Hier wird einem auch bewusst, wie lange der erste „Doctor Strange“-Film schon her ist. Nach sechs Jahren ist das MCU einfach schon wieder an einem völlig anderen Punkt angelangt.

Es fühlt sich fast so an, als würde ein Film dazwischen fehlen: Die Liebesbeziehung zwischen Steven und Christine ist mehr oder weniger offscreen ausgelaufen; Stevens einstiger Kollege Mordo, der in der Post-Credit-Scene des ersten Films noch als Schurke angekündigt wurde, kommt sogar nicht mal mehr vor, außer als alternative Version eines anderen Universums. Dass Steven und er mittlerweile verfeindet sind, wird in einem Nebensatz erwähnt, wurde im MCU aber nie gezeigt.

Dieser Film manifestiert eigentlich, dass Doctor Strange deutlich besser als Nebencharakter funktioniert, als dass man eine interessante Geschichte für ihn parat hätte. Denn das hat dieser Film nicht. Generell ist „In the Multiverse of Madness“ überraschend themenlos und verfügt selbst für MCU-Verhältnisse über keine Aussagen oder Leitmotive. Wanda und Steven verfügen über eine maximal unterkomplexe und simplifizierte Arc, wohingegen die weiteren Figuren gar nicht erst eine bekommen (gerade auch der Neuzugang America Chavez bleibt eine durchweg unterentwickelte Figur, die nur als „Plot Device“ dient). Stattdessen peitscht das Drehbuch die Figuren nur von einem „set piece“ ins nächste, bis der Tag schließlich wieder gerettet ist. Selbst aus den schwächeren MCU-Filmen konnte man da noch mehr herauslesen.

Das, was diesen zweiten Doctor-Strange-Teil rettet, ist einzig die Inszenierung von Sam Raimi. Wobei auch hier einschränkend gesagt werden muss, dass es sich um die Light-Version von Raimi handelt. Die verschiedenen Actionsequenzen machen einfach Laune, weil man die wilde und einzigartige Handschrift des Regisseurs erkennt. Zudem besitzen einige Sequenzen richtig viel Wucht, da Charaktere wie Wanda mit ihren Kräften frei drehen dürfen und so einige Konfrontationen blutig zu Ende gehen. Vor allem eine Auseinandersetzung zwischen der Scarlet Witch und einigen anderen Helden ist aufgrund ihrer Konsequenz die mit Abstand beste und unterhaltsamste Szene des gesamten Films.

Wovon man sich allerdings verabschieden muss, sind die groß angekündigten Horrorelemente. Wir erinnern uns: Unter Scott Derrickson wurde der Film damals als erster Marvel-Horrorfilm angekündigt. Als Derrickson dann das Projekt verließ (wahrscheinlich auch, weil er einen Film über Doctor Strange drehen wollte und nicht WandaVision Part II), war nur noch von „Horrorelementen“ die Rede.

Das Endergebnis präsentiert uns nun neben Raimi-Light auch Horror-Light. Und zwar Light Plus. Die besagten „Horrorelemente“ sind ein absoluter Witz. In der ersten Hälfte besitzt der Film rein gar nichts davon, bis es schließlich in der zweiten Hälfte zu einigen wenigen Jumpscares und „gruseligen“ Momenten kommt. Aber ich weiß nicht, ob das nicht sogar die FSK 6 Prüfung durchgewunken hätte, so lahm ist das Ganze.

Enttäuschend ist der Film aber mehr noch in seinen angepriesenen Kernkompetenzen. Dass „In the Multiverse of Madness“ nun kein echter Horrorfilm sein wird, damit hat vermutlich jeder gerechnet. Aber auch in Sachen „Multiverse“ und „Madness“ ist dieser Film überraschend handzahm. Im gesamten Film besucht Doctor Strange aktiv nur zwei (!) andere Universen neben seinem eigenen. Und davon ist das erste und wichtigere denkbar langweilig gestaltet und designt. Wer hier auf abstrakte, neue Welten und kreative Ideen gehofft hat, der wird bitter enttäuscht. Stattdessen springt Steven Strange einfach nur in ein minimal anders aussehendes New York.

Und auch „mad“ ist am Film denkbar wenig. Es gibt zwar cool inszenierte Sequenzen und einige richtig schön knackige sowie wuchtige Momente, aber abgedreht oder verrückt ist an der Handlung absolut gar nichts. Sie ist sogar sehr simpel und geradeheraus von A nach B erzählt. Wenn man erstmal 20 Minuten drin ist, dann spielt sich alles absolut vorhersehbar ab. Einzig die Fan-Service-Momente stechen hier heraus, aber an irgendwelche Twists und Wendungen braucht man gar nicht erst zu denken.

Das bringt mich zumindest zu einem positiven Aspekt: Der ganze befürchtete Fan-Service und die spekulierten Cameo-Auftritte sind viel reduzierter eingesetzt als gedacht. Da der Film kaum andere Universen besucht, gibt es auch kaum alternative Versionen von Figuren, Easter Eggs, Kurzauftritte usw. Es gibt lediglich einen großen Wow-Moment, der in den Trailern leider ein wenig vorweggenommen wurde.

Zudem muss ich dem Film zugutehalten, dass er relativ abgeschlossen ist und für sich steht. Natürlich abzüglich der Tatsache, dass man ohne das Vorwissen aus „WandaVision“ ziemlich aufgeschmissen ist. Aber ansonsten erzählt „In the Multiverse of Madness“ eine eigene, für MCU-Verhältnisse recht abgeschlossene Geschichte. Zwar ist man überrascht, wie wenig der Film tatsächlich mit dem ganzen Rest zu tun hat, aber meine Befürchtungen, dass der Film nur ein einzig langer Teaser für das nächste große Event wird, wurde nicht bestätigt.

Doctor Strange© Disney

Fazit: Ohne Sam Raimis halbwegs interessante Regiearbeit wäre „In the Multiverse of Madness“ vermutlich ein richtiger Reinfall geworden. Die Geschichte ist zwar unterhaltsam, zügig und witzig erzählt, aber zeitgleich unfassbar simpel, unambitioniert und bleibt hinter all dem Potenzial, was so ein Multiversum bieten könnte, erschreckend weit zurück. Für mehr als MCU-Standardkost reicht das leider nicht.

6.5 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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