Die (un)wahre Geschichte von „My Week with Marilyn“

My Week with Marilyn© Ascot Elite
Michelle Williams und Eddie Redmayne in “My Week with Marilyn”

Der Film „My Week with Marilyn“ aus dem Jahr 2011 basiert auf einem Buch mit dem gleichnamigen Titel von Colin Clark aus dem Jahr 2000. Darin berichtet der ehemalige Filmemacher und Schriftsteller, wie er im Alter von 23 Jahren als dritter Regieassistent an der Produktion des 1957 erschienen Films „Der Prinz und die Tänzerin“ mitgewirkt hat und dabei laut eigenen Angaben eine kurze, ungefähr eine Woche lange (harmlose) Liebesbeziehung zu Marilyn Monroe pflegte. Colin Clark starb im Jahr 2002, aber seine Geschichte wurde knapp zehn Jahre später von Hollywood aufgegriffen und mit Michelle Williams und Eddie Redmayne in den Hauptrollen verfilmt.

Trotz dieser charmanten Geschichte, die seinerzeit gute Kritiken erhielt, umgaben den Tatsachenbericht rasch einige Zweifel, als der Film Clarks Geschichte in die breite Öffentlichkeit brachte. Wie wahrheitsgetreu sind Clarks Aussagen über seine Liebesbeziehung zu Marilyn Monroe? Hat Colin Clark aus seinen vagen Erinnerungen mehr Fiktion und Wunschdenken dazu gedichtet, als es auf den ersten Blick den Anschein hat?

Die Ausgangslage

Das Interessante an der Verfilmung von „My Week with Marilyn“ ist, dass es sich durch die Adaption des Buches sozusagen um eine Verfälschung auf zweifacher Ebene handelt. In der Regel adaptieren Hollywood-Filme das Leben oder den Ausschnitt eines Lebens, welches auf zu großen Teilen gesicherten Fakten basiert. Dann kommt es allerdings zur Entstehung des Drehbuches und des darauf basierenden Films, welches diese Fakten für gewöhnlich verkürzt, in eine sinnvolle Dramaturgie bringt und letztlich immer in irgendeiner Form anpasst, damit ein erzählerisch flüssiger Film entsteht.

An diesem Prinzip ist zunächst wenig auszusetzen, da sich Bücher in den allermeisten Fällen nie eins zu eins in einen Film übertragen lassen. Bei „My Week with Marilyn“ kommt allerdings hinzu, dass bereits die Vorlage auf nicht gesicherten Fakten basiert und es sich um einen reinen Erfahrungsbericht handelt, der sich nachträglich nicht mehr auf die Wahrheit überprüfen lässt. Nicht nur Colin Clarks Buch ist bereits durch seine Erinnerung verklärt und unpräzise, der Film passt diese Erinnerung zusätzlich auf seine Art an, um daraus eine unterhaltsame Geschichte zu kreieren.

Mit Blick auf Colin Clarks Bücher handelt es sich um ein quellenkritisch betrachtet besonders interessantes Beispiel: Wie realitätsnah können die Schilderungen eines Mannes sein, der aus 40 Jahren alten Erinnerungen schöpft? Im Jahr 1995 veröffentlichte er sein erstes Buch mit dem Titel „The prince, the showgirl and me“, welches seiner eigenen Aussage nach auf Tagebucheinträgen basiert, die er während der Produktion des Films „Der Prinz und die Tänzerin“ geführt haben soll. Somit sind zumindest diesen „Erinnerungen“ eine bestimmte Glaubwürdigkeit anzurechnen.

Fünf Jahre später erschien schließlich die Fortsetzung mit dem Titel „My week with Marilyn“, welches jedoch nicht mehr auf Tagebucheinträgen, sondern lediglich auf einen alten Brief von Clark und seinen Erinnerungen basierte: „I make no apology for that. The whole episode is still as fresh in my mind as if it had happened yesterday.“

Die Verfilmung aus dem Jahr 2011 basiert hauptsächlich auf diesem zweiten Buch, auch wenn sie sich ebenfalls einiger Elemente des ersten Buchs bedient. In „The prince, the showgirl and me“ berichtete Colin Clark vor allem über die Produktionsgeschichte des Films „Der Prinz und die Tänzerin“, während sich „My week with Marilyn“ ausschließlich auf seine angebliche Liebesbeziehung mit Marilyn Monroe fokussiert.

Wie sind Clarks Berichte zu bewerten?

Hier ergeben sich natürlich bereits einige quellenkritische Fragen: Warum hat Clark seine Berichte erst 40 Jahre später öffentlich gemacht? Warum teilt er seine Erinnerungen in zwei Büchern auf, die in einem recht großen Abstand von fünf Jahren erschienen sind? Hinzu kommt die Tatsache, dass beide Bücher seltsam getrennt voneinander funktionieren, da Clark in „The prince, the showgirl and me“ gar nicht erst erwähnt, dass zwischen Marilyn Monroe und ihm etwas passiert sein könnte.

Die inhaltliche Trennung der Bücher, der Zeitabstand zwischen den Geschehnissen sowie der Veröffentlichung der Bücher wirkt aus der Sicht von Colin Clark äußerst günstig. Die Biografin Sarah Churchwell merkt dazu an: „Well, true enough, but he also did the same thing to everybody in his books, because he waited until they were all dead and couldn’t comment.“

Sowohl mit Blick auf den Film, als auch auf die Vorlage wirken diese Gegebenheiten mehr als verdächtig. Warum hat Colin Clark solange mit der Veröffentlichung seiner Geschichte gewartet? Ist es nicht besonders auffällig, wie gut er in dieser Geschichte dasteht? Handelt es sich womöglich mehr um eine männliche Fantasie, als um eine glaubhafte Beziehung zu Marilyn Monroe? Ist es wirklich denkbar, dass Clark als dritter Regieassistent und damit buchstäblich als Niemand einen so engen Kontakt zu Monroe gefunden hat, die tagtäglich von dutzenden anderen, wesentlich wichtigeren Personen umgeben war?

Was davon zumindest verifiziert werden kann, sind die allgemeinen historischen Rahmenbedingungen. Colin Clark war dritter Regieassistent bei der Produktion von „Der Prinz und die Tänzerin“ und es ist auch hinlänglich bekannt, dass die Produktion des Films von vielen Problemen und internen Spannungen geprägt war. Regisseur und Schauspieler Laurence Oliver soll mit Marilyn Monroe nicht gut klargekommen sein, es kam zu Verspätungen und vielen Konflikten hinsichtlich von Monroes Zuverlässigkeit.

An dieser Stelle erzählen Film und Vorlage nichts Neues, da diese Ereignisse durch viele andere Marilyn-Monroe-Biografien bestätigt wurden. Dadurch ergibt sich allerdings auch die für Clarks Bücher ungünstige Situation, dass er bezüglich seiner „intimen“ Details vom Set gar nicht mal so viel spektakulär neues aufdeckt, was nicht schon durch andere Biografen vermittelt wurde. Einige seiner Berichte mögen sicherlich stimmen, aber er kann auch viele Zusammenhänge und Informationen aus älteren Biografien zusammengetragen und mit seinen eigenen Erinnerungen vermischt haben.

Anzuzweifeln sind aber vor allem seine Berichte zu Marilyn Monroe und ihm. Sein zweites Buch basiert überwiegend auf seinen immer noch „frischen“ Erinnerungen, müssen aber notwendigerweise vielen nostalgisch verklärten Zusammenhängen unterliegen. Das muss man nicht erraten, sondern ist nur logisch, wenn man halbwegs versteht, wie das menschliche Gehirn mit Erinnerungen umgeht, erst recht, wenn sie über 40 Jahre zurückliegen.

So erinnert Colin Clark sich beispielsweise an bestimmte Dialoge zwischen ihm und Marilyn, als wären sie erst gestern geschehen. Diese sind jedoch so stark sentimental und selbstgerecht aufgeladen, sodass sie auch aus einem Groschenroman stammen könnten. Marilyn Monroe fragt ihn stets um Rat, für die Clark natürlich immer eine perfekt passende Antwort parat hat:

„Oh, Colin.“ Marilyn began to sob quietly. „I love Arthur so much. How can I show him? How can I convince him? Do you think I can ever give him a child? Do you think he wants a child? We’ve never discussed it. I know he’d be a wonderful father. Why, he’s like a father to me. I’ll never lose him. I’ll make it all up to him. I’ll never disappoint him again.“

“Of course you won’t, Marilyn. And I don’t think you ever have. He’s frightened now, just as you are. You are both artists, great artists. Did you think it was going to be easy? Great artists need other artists in their lives. It takes one to understand one. But they will always clash—every now and then. A great writer like Mr Miller needs to be selfish in order to create his masterpiece. And so do you. (…)“

„Ooh, Colin.“

Es ist schon mehr als fraglich, dass dieser Dialog wirklich jemals so stattgefunden hat. Die Berichte von Colin Clark schweben sozusagen in einem leeren Raum: Er hat sie so spät verfasst (2000), dass ihn niemand mehr widerlegen/widersprechen konnte und er selbst konnte ebenfalls nicht mehr ausführlich dazu befragt werden, weil er bereits zwei Jahre später starb.

Dennoch gab es nach der Veröffentlichung der Verfilmung einige kritische Stimmen von „Überlebenden“ und Nachfahren. Sie widersprechen Clarks Behauptungen überwiegend einstimmig und auch der Cast des Films war sich einig, dass man seine Berichte nicht für allzu genau halten sollte. In einem Artikel von Los Angeles Times heißt dazu:

„Interviews with more than half a dozen individuals who knew Monroe paint a muddy picture of the relationship between Clark and the actress. None of Monroe’s friends or colleagues who are still alive says they witnessed any intimate interactions between the young man and the star.“

Die Verwandten von Milton Greene, dem bekannten Fotograf und Anteilseigner der Marilyn Monroe Production (im Film von Dominic Cooper verkörpert), sowie die Schwester von Arthur Miller, dem damaligen Ehemann von Monroe (im Film von Dougray Scott verkörpert) kommen zu einem ziemlich harschen Urteil: „It’s a complete lie. It’s a fantasy. He was a fourth-rate water boy, (…) I never heard anything about the romance. That might be somebody’s illusion.“

Einzig der Schauspieler und Co-Star von Monroe im Film „Bus Stop“, Don Murray, kommt zu einem positiveren Urteil: „I think that it’s quite possible, because of the disillusionment of her marriage, and she was very, very insecure in her relationships and didn’t really believe in loving forever. I think it’s quite plausible that something happened and they handled it discreetly.”

Die wichtigsten Unterschiede zwischen Vorlage und Spielfilm

Aber wie sieht es nun eigentlich mit den Unterschieden bzw. Gemeinsamkeiten zwischen der Buchvorlage und der Filminterpretation aus? Dass der Film nicht alles von Colin Clarks Berichten abdecken kann, ist selbsterklärend, nicht nur aufgrund der Tatsache, weil Regisseur Simon Curtis es bei knapp 90 Minuten Laufzeit belassen hat. Die wichtigsten Unterschiede sehen wie folgt aus:

  • Der bereits angesprochene Fotograf Milton Greene kommt in der Verfilmung relativ schlecht weg. Er nimmt sogar eine kleine Antagonisten-Rolle gegenüber Eddie Redmaynes Colin Clark ein, da er ihn vehement davon versucht abzubringen sich mit Marilyn Monroe zu treffen. Im Buch von Clark verhält es sich anders. Darin nimmt Greene nur eine kleine Rolle ein und Clark verliert auch kaum ein böses Wort über ihn.

An dieser Stelle ist die Verfilmung nicht gerade fair: Milton Greene war zu dieser Zeit ein sehr enger Vertrauter von Marilyn Monroe und gründete mit ihr die Produktionsfirma. Obwohl sie später getrennte Wege gingen, haben sich beide immer als gute Freunde verstanden. Der Film erklärt diesen Umstand leider nicht und lässt Greene als den verständnislosen Geschäftsmann dastehen.

  • Anders verhält es sich bezüglich Arthur Miller. Im Film hat er lediglich einen Kurzauftritt und verschwindet recht schnell nach New York. Während sich Clark im Film nicht sonderlich für ihn zu interessieren scheint, hat der Autor in seinem Buch ein deutlich härteres Urteil gegenüber ihm:

„AM went off to Paris today, which may explain why MM was in such bad shape yesterday… AM seems big-headed, insensitive and super-selfish. I never saw him look tenderly at MM, only with what looks like a sort of boasting self-satisfaction. What bad luck on MM. Why couldn’t she have found what she really needs—someone sympathetic to support her? She doesn’t move around with those sort of people I suppose.“

Natürlich lässt ihn auch der Film nicht sonderlich sympathisch erscheinen. So hat Miller mit Monroe einen heftigen Streit und ihre Ehe scheint bereits früh zu bröckeln, obwohl sie sich gerade erst frisch verheiratet haben. Dennoch bleibt Arthur Miller eine Randfigur, während er im Buch konstant schlecht wegkommt.

  • Die Liebschaft zwischen Colin und der Lucy ist vom Film weitestgehend erfunden bzw. erweitert worden. Im Buch ist sie nur eine von vielen Frauen mit denen Clark in jener Zeit angeblich geflirtet haben will.
  • Dazu passt der nächste Punkt, denn Clark skizziert sich im Buch fast schon als eine Art „Bad Boy“, der so einige Beziehungen mit Frauen eingegangen ist. Er beschreibt sein Drogen- und Sexleben ziemlich ausführlich und erscheint überhaupt nicht wie der liebe, introvertierte Junge, als den ihn der Film zeichnet. Im Film verkörpert Eddy Redmayne einen netten, schüchternen und unschuldigen jungen Mann, der in Lucy und Marilyn seine erste Liebe entdeckt.
  • Im Buch verhält es sich im Gegensatz zum Film so, dass Colin Clark zunächst nicht besonders begeistert von Marilyn Monroe ist. Er findet sie zu Beginn nicht attraktiv und verliebt sich erst im Verlauf der Produktion langsam in sie. Clark findet sogar viele ziemlich harsche Worte über Monroe:

„When MM did arrive [for a screen test] we all got a shock—except Whitey [her makeup man], I suppose. She looked absolutely frightful. No make-up, just a skirt, a tight blouse, head scarf and dark glasses. Nasty complexion, a lot of facial hair, shapeless figure and, when the glasses came off, a very vague look in her eye. No wonder she is so insecure.“

Der Film schildert Clarks Eindrücke von Monroe deutlich positiver. Er bewundert sie sozusagen von der allerersten Minute an und sieht in ihr eine beeindruckende, wenn auch fragile Persönlichkeit.

  • Im Buch skizziert sich Colin Clark viel stärker als Held und Marilyn-Versteher, wohingegen der Film an dieser Stelle zurückhaltender ist. Die unglaubwürdigen Dialoge zwischen ihm und Marilyn habe ich bereits angesprochen. Er sieht sich als der einzige Kenner und Frauenversteher, was er noch dadurch untermauert, indem er die anderen Crewmitglieder alles andere als gut davonkommen lässt:

„The Electricians’ Union is above any question or criticism, yet it can bring the whole studio to a halt at a moment’s notice. Everyone behaves as if technical mysteries are so mysterious that only technicians can understand them. Absolute nonsense! It is all simple and basic. All this mystery is just to hide laziness and incompetence, to make sure that three men are hired to do the job of one.

The art of acting is far more mysterious, yet every technician feels free to criticise [Marilyn Monroe]. They damn her every time she has an attack of nerves, as if it was she who was lazy and incompetent. It is MM who really lights up the screen, and not some engineers fiddling with switches.“

  • Als letzter nennenswerter Unterschied ist die unterschiedliche Ausrichtung zu nennen: Die Bücher sind aus Clarks ganz persönlicher Sicht erzählt, wohingegen der Film den Fokus zwischen ihn und Marilyn aufteilt und sie dabei deutlicher in den Vordergrund rückt. Der Film handelt weniger von Clark, macht ihn dadurch aber auch zugänglicher für den Zuschauer.

Stattdessen wird Marilyn Monroe von Michelle Williams weitestgehend so verkörpert, wie auch das allgemeine anerkannte Bild von ihr ist, während die subjektiven Detailanalysen von Clark ausgelassen werden. Clark ist viel mehr der Zuschauer all ihrer Probleme. Das schlägt sich auch in der Vermarktung und Darsteller-Hierarchie wieder: Die erstgenannten Protagonisten sind Michelle Williams als Marilyn Monroe und Kenneth Branagh als Laurence Oliver. Erst an dritter Stelle folgt Eddy Redmayne als Colin Clark.

  • Keine Abweichungen zwischen Film und Vorlage entstanden übrigens bezüglich der skizzierten „Vorfälle“ zwischen Clark und Monroe. Alle Interaktionen, die der Film zwischen den beiden inszeniert, beschreibt auch Clark in seinem Buch. Wahrscheinlich beschreibt die Vorlage noch einige mehr, aber der Film denkt sich (z.B. aus dramaturgischen Gründen) keine eigenen Momente aus.

Eine seltsam konstruierte Sequenz

Eine Szene des Films gibt uns möglicherweise besonders viel Aufschluss darüber, wie das Buch von Colin Clark zu interpretieren ist. In einer Schlüsselszene wird Clark von Monroes Chauffeur mitten in der Nacht zur Hilfe gerufen, als sich Monroe in ihrem Zimmer eingeschlossen hat und nach der Einnahme von Tabletten nicht mehr ganz bei Bewusstsein zu sein scheint. Paula Strasberg und Milton Greene gelangen nicht in ihr Zimmer und angeblich möchte Marilyn ausschließlich mit Colin reden.

Um die verschlossene Tür zu umgehen, steigt Clark schließlich mit einer Leiter durch das offene Fenster und kann dadurch Marilyn antreffen. Er schickt die anderen Beteiligten weg, legt sich für eine Zeit neben Marilyn ins Bett und hält sie wenig später sogar davon ab noch mehr Tabletten zu nehmen.

Wer sich etwas mit Marilyn Monroes Ableben auskennt, merkt schnell, dass diese Szene verblüffend ähnlich inszeniert ist, wie ihr wahrer Tod knapp sechs Jahre später in ihrem eigenen Haus. Ihre Haushälterin bemerkte noch spät nachts Licht im Zimmer, gelang aber nicht hinein. Sie informierte daraufhin Monroes Arzt Dr. Greenson, der sich gewaltsam über das Fenster Zutritt verschaffen musste. Er kam zu spät und Marilyn Monroe war bereits seit einigen Stunden verstorben.

Wenn man den Film als eigenes Werk betrachtet, dann könnte man vielleicht noch annehmen, dass der Regisseur hier eine eigene kleine Hommage an Monroes tatsächlichen Tod eingebaut hat – als drohendes Unheil sozusagen. Aber da der Film sich hierbei lediglich den Berichten Clarks bedient, wirkt die Szene seltsam künstlich. Wie realistisch erscheint dieser Vorfall angesichts ihres wahren Todes und Clarks rückblickender Berichterstattung?

Clark erreicht sie natürlich rechtzeitig und hindert sie sogar an der Einnahme von noch weiteren (womöglich tödlichen) Tabletten. Es wirkt so als würde sich Colin Clark hier als Held und Retter von Marilyn Monroe aufspielen: „Wäre im Jahr 1962 so jemand wie ich an der Seite von Marilyn Monroe gewesen, ein einfühlsamer Marilyn-Versteher, dann hätte sie in jener Nacht vielleicht nicht sterben müssen.“ Vielleicht interpretiere ich hier zu viel in die Szene, aber im Kontext des Filmes und erst recht mit dem Wissen um das noch fragwürdigere Buch wirkt diese Szene mehr wie eine bewusste Erfindung (oder zumindest stark bearbeitete Erinnerung) als eine reale Begebenheit.

Eine versöhnliche Schlussbetrachtung?

Mit Blick auf den Film und seine Vorlage gelangt man dennoch zu einem versöhnlichen Ergebnis: Obwohl der Film eigentlich in doppelter Hinsicht ein verfälschtes Bild wiedergeben müsste, findet die Adaption von „My week with Marilyn“ einen Kompromiss, der vermutlich deutlich näher an den realen Ereignissen ist als das Buch von Colin Clark.

Dadurch, dass sich der Film nicht nur am namensgleichen, zweiten Buch bedient, sondern auch die Tagebuch-basierte Einträge des ersten Buches von Clark aufgreift und den Kontext der angeblichen Liebesbeziehung in den historischen Rahmen von überwiegend gesicherten Fakten setzt, ist das daraus resultierende Ergebnis glaubwürdiger als Clarks nostalgisch verklärte Erinnerung.

„My Week with Marilyn“ aus dem Jahr 2011 nimmt sozusagen eine angenehme Korrektur vor, weil viel von Clarks fragwürdigen persönlichen Ansichten entfernt und die Dialoge des Films eigens vom Drehbuchautor entworfen wurden. Der Regisseur Simon Curtis macht dadurch aus der Geschichte mehr eine Coming-of-age-Geschichte und entledigt sich aller Sex- und Drogenabenteuer, die Colin Clark beschreibt. Der Ton des Films wird dadurch der rationalen Aufarbeitung der Produktionsgeschichte von Clarks erstem Buch „The prince, the showgirl and me“ angepasst und mit seinem zweiten, sehr subjektiv gefärbten Buch verknüpft.

Insofern ist der Film insgesamt ein sehr guter Kompromiss, entschärft viel von Clarks nostalgisch verklärten Angaben und münzt die Geschichte in eine klassische und phasenweise durchaus glaubhafte Hollywood-Geschichte, die für sich genommen gut funktioniert. Der Film kommt der Realität wahrscheinlich deutlich näher als das Buch.

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Quellen:

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