Für Juli und August habe ich zwei aktuelle Kinofilme in einem Beitrag zusammengefasst. Ich schreibe über den neusten Film des MCUs „Deadpool & Wolverine“, sowie den Neueintrag ins Alien-Franchise von Fede Álvarez „Alien: Romulus“.
Deadpool & Wolverine
„Deadpool & Wolverine“ ist eine Kombination aus seinen beiden Vorgängern und Crowdpleasern wie „Spider-Man: No Way Home“: ein sprüchedurchzogenes Spektakel mit jeder Menge überraschenden Gastauftritten und einen Abgesang auf die 20th Century Studios. Nur verbleibt davon, wie zu erwarten, nicht viel.
Als einmalige Achterbahnfahrt nach Scorsese’schem Vorbild funktioniert der dritte Deadpool-Film mit einem gleichgesinnten Publikum hervorragend, stellt sich aber mit etwas Abstand und einer möglichst rationalen Betrachtung als lose Aneinanderreihung von Actionsequenzen heraus, die inhaltlich und dramaturgisch hinten und vorne nicht zusammenfinden möchte und bestenfalls als unterhaltsames Stückwerk aus witzigen Sprüchen und Cameos durchgeht.
In den ruhigen Momenten wird der Film, wie schon die beiden Vorgänger, schnell langweilig. In den Actionszenen täuschen immerhin größtenteils witzige Sprüche und Marvel-Anekdoten darüber hinweg, dass den Autoren in Anbetracht einer Handlung, welche für Spielfilme erforderlich ist, eigentlich nichts eingefallen ist. Hugh Jackman kehrt als Wolverine zurück, damit man ihn zusammen mit Deadpool irgendwie durch eine sinnfreie Geschichte schleifen kann. Ähnlich wie schon bei Tobey Maguire in „No Way Home“ stellt sich das Ganze jedoch als überraschend mau und einfallslos heraus.
Ja, es ist zugegebenermaßen lustig mit anzusehen, wie sich die beiden Protagonisten kabbeln. Und der Film geht überraschend ehrlich und nicht heuchlerisch mit der Rückkehr von Jackmans Wolverine um, was die Eröffnungssequenz zum besten Moment des Films macht. Nur über alles Weitere sollte man lieber nicht nachdenken.
Zum Beispiel, dass Wolverine irgendeine bedeutungsschwangere Vergangenheit angedichtet wird, die jedoch nie relevant für den Film, geschweige denn mal aufgelöst wird. Oder dass der Film, dessen Handlung sich maßgeblich an den etablierten Mechanismen des Multiversums aus der Serie „Loki“ bedient (inklusive zahlreicher Schauplätze), dann allerdings auf nahezu jede entscheidende Regel der Serie scheißt. Es ist schon faszinierend, wie es Marvel auch nach Jahren immer noch nicht schafft einheitliche Regeln für sein Multiversum zu schaffen. Und die zweite Staffel von „Loki“ kam erst letztes Jahr raus!
Wenn man schließlich all die unterhaltsamen Sprüche und Cameos abzieht, dann bleibt ein Grundgerüst übrig, welches so als Film eigentlich niemals passieren darf. Dem Totalschaden „No Way Home“ hat Deadpool 3 im Grunde nur eins voraus: stabilen Deadpool-Humor. Ansonsten bleiben noch die soliden Actionsequenzen, die jedoch eher verzweifelt eingestreut werden, um nicht zu langweilen. So kämpfen Deadpool und Wolverine zweimal gegeneinander und bei beiden Malen fragt man sich: „Warum?“ Hauptsache Action.
Währenddessen stolpern die beiden durch die erschaffenen Welten der Serie „Loki“, nur um von einer Cameo-Flut in die nächste zu geraten, in einer Geschichte, die dramaturgisch nie funktionieren möchte und inhaltlich nichts bietet, was nicht vorher schon in anderer Besetzung versucht wurde auszuschlachten.
Es ist schwierig, irgendeinen stringenten Gedanken oder eine Struktur in diesem Film zu erkennen. Somit sind auch Deadpool 1 und 2 rein objektiv die deutlich besseren Filme. Nur gibt sich der Film alle Mühe, dies zu verschleiern. Wie schon „No Way Home“, wie schon „Endgame“. Das Ironischste an der Sache ist, dass genau so etwas das bröckelnde MCU wiederbeleben wird. Das Kino ist tot, lang lebe das MCU.
5.0 von 10.0
Die Kritik im Original auf Moviepilot
Alien: Romulus
Nachdem Ridley Scotts ambitionierte Prequel-Reihe gescheitert ist, ist „Alien: Romulus“ der Versuch, das Alien-Franchise wiederzubeleben. In welche Richtung lässt sich die Reihe noch führen? Regisseur Fede Álvarez entscheidet sich für ein sogenanntes „Midquel“ und siedelt die Geschichte von „Romulus“ zwischen den ersten beiden Alien-Filmen an. Und da nun mittlerweile Disney die Schirmherrschaft über das Franchise hält – die nicht daran interessiert sind, eine Marke weiterzuentwickeln, sondern lediglich am Leben zu halten – kommt dabei ein seltsamer Mischmasch aus verbrauchten Ideen heraus.
„Romulus“ ist nicht nur zwischen zwei vorigen Filmen des Franchise angesetzt, sondern verhält sich auch größtenteils genauso wie diese. Welche beiden Filme des Franchise werden als einziges allgemein geliebt wie geschätzt? Genau, der erste Horrorfilm von Ridley Scott und der zweite Actionfilm von James Cameron. Und deswegen ist „Romulus“ genau das: ein Horror-Action-Film im Alien-Franchise, der sich auf die alten Stärken zurückbesinnt und sich von seinen Vorgängern am laufenden Band inspirieren lässt.
Wobei sich Fede Álvarez deutlicher an Scotts Erstwerk bedient. Horror, Spannung und Schrecken stehen im Zentrum, wohingegen die große Action nur fein dosiert zum Einsatz kommt. Aber im Grunde greift „Romulus“ jeden Moment und jede beliebte Szenenaufmachung in irgendeiner Form auf.
Dazu muss ich gestehen, dass ich die gesamte Alien-Reihe nicht mal ansatzweise so gut kenne, um behaupten zu können, jede Anspielung verstanden zu haben. Die meisten Filme habe ich alle nur einmal gesehen, Alien 4 sogar noch nie. Doch wie sich bei Experten und Kennern herauslesen lässt, bedient sich „Romulus“ wohl noch deutlich häufiger und schamloser an jeden Gedanken, den die alten Filme je gefasst haben. So mutlos das auch sein mag, immerhin respektiert Álvarez alle Teile und ignoriert nicht wie die Star-Wars-Sequels mindestens 50 Prozent des Franchise und seiner Zuschauerschaft.
Obwohl das alles nicht gerade auf einen guten Film schließen lässt, muss man „Romulus“ zugutehalten, dass er, für das, was er sein möchte und für das, was er erzählt, über weite Strecken als sehr solider Horrorfilm funktioniert. Zunächst gefallen die neuen Protagonisten allesamt und werden sehr schön eingeführt. Die verschiedenen Hintergründe, Motivationen sowie Beziehungen untereinander führen dazu, dass die Spannung nicht aufgrund Desinteresses verloren geht. Die Geschichte mag einfach sein, aber ist gleichsam effektiv und verliert nie wirklich an Unterhaltung. Dazu wird dann im Verlauf noch ein kleines Mysterium hinzugefügt, welches der Rahmenhandlung einen größeren Sinn im Franchise verleiht.
Wenig auszusetzen gibt es außerdem am gesamten Design der Welt, den Effekten und wie Álvarez es gelingt, dies mit der Kamera einzufangen. Im Vorfeld wurde natürlich wieder viel mit den tollen praktischen Sets geprallt, aber die Arbeit dahinter zahlt sich definitiv aus (obgleich der Film oftmals auch sehr auffälliges CGI einsetzt).
Und dann ist da ja schließlich noch der Horroraspekt, den der Regisseur aufgrund seiner Erfahrung auch mühelos befriedigt. Man kann nicht behaupten, dass der Film nicht an mehreren Stellen überaus spannend inszeniert ist und das alles filmisch überaus geschickt umsetzt. Es wird immer wieder eine weitere Wendung und Verschärfung oben draufgesetzt. Und da ich weit davon entfernt bin, die alten Alien-Teile bis ins kleinste Detail auswendig zu kennen, haben mich vermutlich auch einige Szenen mehr gekriegt als große Alien-Fans, die aufgrund der Redundanz womöglich nur müde gelächelt haben. Denn bis auf einige offensichtliche ikonische Franchise-Momente habe ich die meiste Zeit des Films nicht sofort an Teil XY gedacht.
Einzig gestört hat mich die Wiederbelebung eines Charakters per CGI-Deep-Fake-Verfahren aus den alten Teilen, an dessen Stellen man auch mit Leichtigkeit auf einen bekannten Schauspieler der Scotts-Prequels hätte zurückgreifen können. Zudem flacht das Finale im Gegensatz zum soliden Horror-Action-Fest im Vorfeld ab und hat für mich dramaturgisch und handlungstechnisch weniger funktioniert.
Dennoch merkt man natürlich am Handlungsrahmen insgesamt, dass hier kein großes Risiko eingegangen wurde oder neue Wege bestritten werden wollten. Man bekommt eben das, wofür man bezahlt hat. An der Stelle ist Disney sogar nicht mal ein großer Vorwurf zu machen. Wer hat denn Ridley Scotts Versuch in eine neue, ambitionierte Richtung zu gehen abgestraft? Genau, das wahrt ihr ach so selbstverliebten und besserwisserischen Alien-Fans, die „Prometheus“ die kalte Schulter gezeigt haben und für „Alien: Covenant“ gar nicht erst erschienen sind. Nun erhalten wir das sichere und mutlose „Midquel“, welches kein Kompromiss ist, sondern einfach Aufgewärmtes von vorgestern. „Genau das wolltet ihr doch?“, denkt sich Disney.
Und natürlich gibt es jetzt so Spezialisten, die noch vorgestern federführend gegen Ridley Scotts Vision gehetzt haben und sich schon seit gestern wundern, warum Hollywood denn so mut- und einfallslos geworden ist. Noch besser: Sie sehnen sich jetzt sogar teilweise nach Scotts „Mut“ und attestieren seinen Filmen, dass sie ja wenigstens etwas versucht hätten.
Kommt einem irgendwie alles bekannt vor: Den ursprünglichen Schöpfer und zuvor hochgelobten Regisseur für sein Erstwerk in den Himmel heben, um ihn dann bei den kleinsten Anstalten etwas Kreatives und Neues zu wagen, fallen zu lassen und fertig zu machen. Wenn derjenige schließlich aufgibt und dem gemeinen Volk wieder die Kost von gestern aufgetischt wird, folgt auf kurzsichtige Erleichterung die große Ernüchterung, dass das immer Gleiche ja doch nicht so gut schmeckt. Wo sind die neuen Ideen? Die sind tot. Dank euch.
Fazit: „Alien: Romulus“ ist weder der große Wurf, noch eine Enttäuschung. Regisseur Fede Álvarez liefert hier insgesamt ein sehr rundes, spannungsgeladenes und unterhaltsames Horror-Spektakel im Alien-Universum ab. Abgetrennt vom Franchise, kann man ihm handwerklich nicht viel vorwerfen. Nur im Kontext aller anderen Filme, kristallisiert sich jetzt erst recht der fade Beigeschmack heraus, dass man doch einem Nachfolger zu „Alien: Covenant“ nachtrauert und Scotts ursprünglicher Vision vermisst.
6.0 von 10.0
Die Kritik im Original auf Moviepilot