Cobra Kai – Staffel 4 – Kritik und Review

Cobra Kai© Netflix

„If one is to understand the great mystery, one must study all its aspects, not just the dogmatic narrow view of the Jedi. If you wish to become a complete and wise leader, you must embrace a larger view of the Force.“

Dieses Zitat aus „Revenge of the Sith“ passt nicht nur, weil die vierte Staffel den Film an einer Stelle selbst zitiert, sondern auch, weil es „Cobra Kai“ thematisch nochmal stärker entspricht, als in den vergangenen Staffeln: der Blickwinkel aller Seiten und die Anerkennung jener. Wie keine andere Staffel ist die Vierte aus der heutigen Sicht ein Plädoyer fremde und andersartige Ansätze nicht nur zu erkennen oder gar zu verurteilen, sondern zu akzeptieren und von ihnen zu lernen.

Damit gelingt „Cobra Kai“ zu visualisieren und aufzuarbeiten, was in modernen Gesellschaften immer häufiger als Spaltung und unüberwindbare Brücken wahrgenommen wird. Beide Seiten haben ihre Gründe, beide Seiten haben ihre Methoden, aber beide Seiten sind weder allwissend, noch unfehlbar.

Die vierte Staffel von „Cobra Kai“ ist daher thematisch ein Fortschritt zur letzten und hat mich bei aller Skepsis ebenso erzählerisch überrascht. Es trifft zwar weiterhin zu, dass sich die Serie seit der dritten Staffel unnötig gestreckt anfühlt und die Konflikte der verschiedenen Parteien stellenweise künstlich in die Länge gezogen werden. Diese Serie muss nicht 5, 6 oder 7 Staffeln lang sein und hätte bereits eine gute Konklusion finden können.

Aber die Serienschöpfer Jon Hurwitz und Hayden Schlossberg haben anscheinend mehr zu erzählen und Staffel 4 hat meine Skepsis dahingehend etwas besänftigt. Das dargelegte Thema der Staffel war zwar auch schon in den ersten Staffeln angelegt, aber diese vierte Staffel schafft es tatsächlich all das nochmal tiefer und detaillierter auszuarbeiten.

An der dritten Staffel hatte ich noch kritisiert, dass mir die Fehde zwischen Daniel und Johnny zu breitgetreten wurde und ihre Reunion mehr als überfällig war. Daran anknüpfend fand ich jedoch die Ausgangslage im Hinblick auf Staffel 4 äußerst langweilig, weil ihr Team-Up eigentlich der entscheidende Schritt ist, um John Kreese und Co. ein für alle Mal zu besiegen. So eine erzählerische Entscheidung funktioniert nicht wirklich als spannender Cliffhanger.

An der vierten Staffel finde ich es nun aber umso besser, dass der Schulterschluss von Daniel und Johnny gar nicht so toll funktioniert, wie das Ende der dritten Staffel suggeriert hat. Der gemeinsame Feind macht aus zwei Ex-Feinden noch lange kein eingespieltes Team oder gar innige Freunde. Und gerade in der letzten Folge trifft die Serie ein paar überraschende Entscheidungen, mit denen ich so nicht gerechnet habe.

Die zweite Staffel hatte bereits gut gezeigt, dass beide Wege – der von Daniel und der von Johnny – seine Vor- und Nachteile haben. Die vierte Staffel bringt das jetzt zu einer sehr gelungenen Konklusion, da nun beide Wege vom jeweils anderen gelernt und respektiert werden müssen. Unterfüttert wird das Ganze u.a. von einer schönen Nebengeschichte zwischen Daniels jüngstem Sohn (der bisher keine große Rolle spielte) und einem gleichaltrigen neuen Mitschüler, der von Daniels Sohn aufgrund eines Mädchens gemobbt wird.

Einerseits spiegelt die kleine Geschichte die Handlung des ersten Karate-Kid-Films wider, bei dem ebenfalls argumentiert werden kann, dass Daniel nicht ganz unschuldig daran war, dass er von Johnny derart behandelt wurde. Andererseits zeigt es gut die „andere“ Sichtweise und wie Menschen allerhand berechtigte Gründe haben können, sich entsprechend zu verhalten, auch wenn es letztlich die falschen Methoden sind. An der Stelle erinnert „Cobra Kai“ einmal mehr an Star Wars, weil es die Serie schafft neue Blickwinkel und Ansichten zuzulassen und damit den Zuschauer immer wieder herausfordert (ohnehin liegt der Vergleich zu den vielen Sequels bekannter Franchises nahe, da es „Cobra Kai“, trotz viel Fanservice, so herausragend gelingt).

Mit dem Ende dieser Staffel merkt man auch, dass die Charaktere immer klarer ausgearbeitet werden und während einige noch in der Findungsphase sind oder gar desillusioniert zurückbleiben, stehen andere wiederum nun fast schon vor ihrem charakterlichen Abschluss. Gerade Staffel 3 erhält hier nochmal mehr Kontext, die in vielen Punkten zu sehr wie ein Zwischenstopp wirkte und in ihren Charakterentwicklungen zu überstürzt handelte. Tory und Robby gefielen mir dieses Mal z.B. deutlich besser, da beide endlich als Figuren weiterentwickelt werden und nicht nur den obligatorischen Pfad des Antagonisten beschreiten.

Das bekräftigt zwar auch ein grundlegendes Problem der Serie – fast keiner Figur kann man die Rolle des Helden oder Antagonisten wirklich glaubhaft abnehmen, da jeder Figur eine Redemption zugestanden wird und sich die Parteien durch zahlreiche Seitenwechsel pro Staffel ständig verändern können –, aber dennoch gelingt es „Cobra Kai“ damit immer wieder, wirklich jede Figur und jeden Blickwinkel fair zu beleuchten und auszuarbeiten. Mit Staffel 3 und 4 deutet sich sogar für John Kreese immer stärker an, dass er im Kern eigentlich eine gute, missverstandene Person ist.

Die Rückkehr von Terry Silver finde ich in diesem Zusammenhang insgesamt ebenfalls gelungen. Dass man ihn der gesamten Staffel nicht wirklich einschätzen und greifen kann, passt letztlich hervorragend zur Figur. Und auch wenn ich sein Verhalten hin und wieder seltsam fand, fügt es sich am Ende tatsächlich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen.

Größere Kritikpunkte bestehen weiterhin nur aus bereits vorhandenen: Auch wenn es diese Staffel besser kaschiert, fühlt sich die Geschichte weiterhin überstreckt an; trotz Netflix-Übernahme ist der Stil und Look der Serie nicht kinematischer geworden, was ich mir für den weiteren Verlauf der Serie gewünscht hätte; und die Action sowie Choreografien sind „hit-and-miss“. Umso mehr Kämpfer dazukommen, umso mehr merkt man auch, dass nicht alle die nötige Physis mitbringen.

Cobra Kai© Netflix

Fazit: Alles in allem gibt mir die vierte Staffel wieder Hoffnung, dass die Autoren doch einen guten Plan haben, um die Geschichte in den nächsten 2-3 Staffeln abzuschließen. Auch wenn man die Qualität der ersten Staffel vermutlich nicht mehr erreichen wird, bleibt „Cobra Kai“ auf einem konstant hohen Level. Zwar gibt es hier und da Kritikbedarf, aber der Serie gelingt es ihren Witz, ihre Liebe fürs Detail, ihr gutes Writing für die Charaktere und noch dazu Lektionen fürs Leben beizubehalten.

8.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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