Ad Astra

© Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Wer James Grays Filme kennt, der sollte nicht überrascht sein, dass er auch mit seinem neusten und womöglich besten Kinofilm „Ad Astra“ keinen klassischen Science-Fiction-Actioner erhält. „Die versunkene Stadt Z“ war bereits trotz seines Indianer-Jones-esken Titels alles andere als ein witzig-unterhaltsamer Abenteuerfilm alla Steven Spielberg. Ruhiger, bewusster, realitätsnaher – alles Attribute, die nun ebenso auf „Ad Astra“ zutreffen.

Die Trailer deuten es an: „Ad Astra“ ist ein audiovisuelles Highlight dieses Kinojahres. Visuell und effekttechnisch spielt dieses Weltraum-Abenteuer in der oberen Liga mit. James Gray und sein Kameramann (der seit Jahren auch mit Christopher Nolan arbeitet) erschaffen hier auf 35 mm fantastische Bilder. Von den Farben, den Details, bis zur Lichtstimmung ist alles hervorragend aufeinander abgestimmt. Ein weiterer Kandidat für den Effekt-Oscar scheint sowieso gefunden, da der Weltraum seit „Interstellar“ nicht mehr so großartig aussah. Darin fügen sich ein Score und ein Sounddesign ein, wie es schöner nicht sein könnte. „Ad Astra“ arbeitet mit sehr viel komponierter Musik und einigen sehr starken Bildern, was allein schon der Kinogang wert ist.

Die technischen Voraussetzungen werden schließlich von einer Umgebungsgestaltung unterstützt, die sehr realistisch anmutet. Die Schwerkraft wirkt greifbar und die Actioneinlagen, bspw. auf der Oberfläche des Mondes, sind entsprechend dumpf gehalten. Insgesamt wirkt der Aufbau der Welt sehr gut durchdacht und detailliert. Keine technische Spielerei erscheint abgehoben, alles fußt auf einem Gesellschaftssystem, wie es heute bereits existiert; nur weiter gedacht, größer konzipiert, logisch umgesetzt. Da mischt sich dann auch die dezente Systemkritik in die Handlung, wenn der Mond eigentlich nur zu einer zweiten Erde aus weiteren Kriegsschauplätzen verkommen ist und ansonsten zu Tourismuszwecken missbraucht wird.

Den klassischen Action-Blockbuster erhält man nicht. Und dennoch wundere ich mich angesichts der Tatsache, dass mittlerweile schon ein Film wie „Ad Astra“ als (zu) ruhig, langweilig und ereignisarm gilt. Denn bis auf die nonkonformistische Erzählweise bietet James Gray dem Zuschauer mehrere Actioneinlagen, sei es eine Auseinandersetzung mit Mondpiraten, der (im wahrsten Sinne des Wortes) Sprung in den Film oder sogar eine verhältnismäßig mainstreamige, kleine Horrorsequenz, wie sie nach „Alien“ gefühlt jeder Space-Film einsetzt. Im Kern ist „Ad Astra“ zwar nicht so ein Film, sondern eine intime Vater/Sohn- sowie Selbstfindungsgeschichte.

Gray inszeniert ruhig, aber nie langweilig; teilweise sehr minimalistisch, aber dafür auch sehr vereinnahmend und mitreißend. Dabei entsteht zuweilen eine hypnotische Stimmung und es setzen ähnliche Vibes wie bei „Apocalypse Now“ ein; ein Vergleich, der nicht weit hergeholt ist, da das Drehbuch wohl auf der gleichen Romanvorlage beruht (und das „Meisterwerk“ von Francis Coppola ist meiner bescheidenen Meinung nach deutlich langweiliger, aber das nur mal als Vergleich am Rande). Hauptdarsteller Brad Pitt trägt zu der minimalistischen Art und Weise seinen Teil bei, überzeugt dabei vor allem mit einem sehr dezent vorgetragenen Schauspiel. Und dieses ist verdammt stark, da Pitt es schafft trotz seines vermeintlich emotionsfrei angelegten Charakters sehr viele Gefühle über nur kleine Ausdrücke und Regungen in der Mimik zu übertragen.

Kritik an dem Konzept von „Ad Astra“ bleibt allerdings auch nicht aus: Die Dialoge könnten manchmal durchaus smarter geschrieben sein, weswegen schnell der Eindruck entstehen kann, dass „Ad Astra“ sich für tiefgründiger und intelligenter hält, als er eigentlich ist. Das mündet dann teilweise darin, dass James Gray zu viel erklärt, obwohl die Bilder bereits für sich sprechen. Daran wird sich sicherlich der ein oder andere stören. Die Geschichte ist insgesamt sehr simple gestrickt, daher können manche Szenen etwas bedeutungsschwanger wirken und der Anspruch darin Arthouse sein zu wollen, fühlt sich schnell gezwungen an.

Dieser Hang zum Prätentiösen ist vorhanden, wenngleich er mich nicht sonderlich gestört hat. Aus diesen Gründen ableitend, wird man am Ende womöglich auch bezüglich des aufwendig etablierten Science-Fiction-Settings etwas ratlos zurückbleiben. Was war das jetzt eigentlich für eine Bedrohung beim Neptun? Eine alles umfassende Ausführung sollte nicht erwartet werden. „Ad Astra“ erweist sich eben als eine sehr persönlich konzipierte Geschichte, in der die spannend aufbereitete Umgebung letztlich nur als Hintergrundfolie agiert. Sie bleibt lediglich die Prämisse für Brad Pitts Selbstfindungstrip und die Handlung ist als Vehikel dafür angelegt; nicht für die alles beantwortende Auflösung am Ende.

Ein bis zwei Fragezeichen bleiben mitunter bestehen: Hätte es nicht auch ein deutlich kleinerer Film bzw. kostengünstigeres Setting getan (tatsächlich auch in dem Kontext interessant, weil Grays letzter Film gefloppt ist)? Oder soll genau dieses geschaffene Ambiente den geschichtlichen Kontrast darstellen? Ist die Welt Drumherum nicht letztendlich recht austauschbar oder benötigt James Gray genau diese leere, kalte Umgebung, um das Innenleben des Protagonisten zu verdeutlichen? Man möchte eigentlich viel über diese detailliert gestaltete Zukunftswelt nachdenken, fühlt sich dann allerdings schnell dabei ertappt, dass dies am Kern des Films vorbeigeht.

© Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Fazit: „Ad Astra“ ist ein metaphorischer, minimalistischer Science-Fiction-Film, wunderbar gefilmt, technisch über alles erhaben und mit einer kleinen persönlichen Geschichte, welche die Menschheit trotz all ihrer Errungenschaften doch wieder auf sich selbst und die „unbedeutenden“ Fragen zurück reduziert. James Gray erzählt nicht sehr viel, nicht sehr tief, aber das, was er erzählt, gelingt ihm auf eine so faszinierend atmosphärische Weise, die im 100 Mio. Blockbuster-Bereich ihresgleichen sucht.

8.0 von 10.0

Die Kritik im Original auf Moviepilot

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